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09
2011

2008 ING NYC Marathon November 2, 2008, NYC, New York Photo by: Yohei Kamiyama Victah1111@aol.com 631-741-1865 www.photorun.NET

Der Marathon-Kommentar – Der männerfreie Weltrekord – Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung

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Noch steht der Weltrekord der Frauen bei 2:15:25 Stunden. Seit dem 13. April 2003 ist das so, seit Paula Radcliffe beim London-Marathon so schnell lief wie keine Frau vor ihr und keine seitdem. Das soll sich aber ändern. Zwar steht nicht zu erwarten, dass beim bevorstehenden Berlin-Marathon eine Konkurrentin oder Paula Radcliffe selbst diese unglaubliche Zeit verbessern könnten.

Schließlich unterbot die Engländerin an jenem Sonntag vor achteinhalb Jahren den Weltrekord der Kenianerin Catherine Ndereba um 3:22 Minuten – keine andere Läuferin ist selbst der alten Bestmarke bis heute nahe gekommen. Die Grenze von 2:20 Stunden haben in den vergangenen fünf Jahren lediglich zwei Läuferinnen durchbrochen: Irina Mikitenko 2008 in Berlin und Mary Jepkosgei im vergangenen Jahr in London, beide in 2:19:19 Stunden.
 
Der Weltverband der Leichtathleten (IAAF) ist es, der Paula Radcliffe den Rekord abnehmen will, man muss wohl sagen: diesen Weltrekord. Erst der Protest der Veranstalter der größten Marathonläufe der Welt macht auf den Beschluss des Verbandes aufmerksam, zu unterscheiden, ob Läuferinnen in einem Frauen-Marathon oder einem gemischten Rennen gelaufen sind. Frauen-Rekorde, die potentiell unter Beteiligung männlicher Tempomacher zustande gekommen sein könnten, sollen von der Jahreswende an als Weltbestzeiten gelten.
Und die neue Weltrekordlerin heißt – Paula Radcliffe

Wirkliche Weltrekorde könnten Frauen demnach nur bei den wenigen Marathons aufstellen (und aufgestellt haben), die ihnen vorbehalten sind. Die Veranstalter der größten Läufe, von Berlin und London, New York, Chicago und Boston, wollen den Beschluss ignorieren. Paula Radcliffe selbst erinnert daran, dass 2003 – als der London-Marathon ausnahmsweise nicht in zwei Rennen nacheinander, sondern mixed ausgetragen wurde – die Männer an ihrer Seite nicht Tempomacher waren, sondern Läufer, die sich einfach nicht abschütteln ließen.
 
Das wird ihr nicht helfen. In Sachen Weltrekorde ist die IAAF stets fest entschlossen. 1999 weigerte sie sich, die Bestmarken aus der Zeit des Kalten Krieges und des Anabolikadopings durch eine neue Zeitrechnung vom Jahr 2000 an hinter sich zu lassen.

Doch das ist nicht die einzige Kuriosität dieser Entscheidung. Mit der rückwirkenden Aberkennung des Weltrekordes wird zur neuen Weltrekordlerin: Paula Radcliffe. Sie hat als einzige Läuferin die 42,195 Kilometer je in weniger als 2:18 Stunden bewältigt.

Und zwar drei Mal. 2002 gewann sie den Chicago-Marathon in 2:17:18, damals Weltrekord, heute durch die Beteiligung von Männern inkriminiert. 2005 gewann sie das Frauen-Rennen des London Marathon in 2:17:42. Sie verpasste den Rekord, den sie drei Jahre zuvor aufgestellt hatte, um 2:17 Minuten – glaubten sie und alle Welt.

Heute wissen wir: Das ist neuer Weltrekord.

 

Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Donnerstag, dem 22. September 2011

 

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