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10
01
2012

'Racing Team Ronja' - Hajo, Jens, Julia, Rudi, die Crew mit aufgedruckten Namen (wenn später der Verstand aussetzt)

Heiß oder Kalt? – Ultramarathon extrem! Der Badwater Ultramarathon durch das Death Valley – Teil 1 – Dr. Ronald Musil berichtet

By GRR 0

Veranstalter von Ultramarathonrennen rühmen sich mitunter, das schwerste, das längste oder gar das gefährlichste Langstreckenrennen der Welt auszurichten. Meine Meinung: Diese „Auszeichnung“ soll einfach denjenigen überlassen bleiben, die diese Rennen absolvieren und auf Grund ihrer dabei gemachten Erfahrungen ihre Bewertung abgeben.

Unstrittig zu den extremsten Ultramarathon-Veranstaltungen weltweit zählen der Badwater Ultramarathon und der Yukon Arctic Ultra. Der eine – Badwater Ultramarathon – führt durch das Death Valley und damit durch eine der heißesten Gegenden der Welt (1913: 56,7 Grad Celsius). Der andere – Yukon Arctic Ultra – folgt dem Yukon Quest (härtestes Hundeschlittenrennen der Welt) bei Tiefsttemperaturen von bis zu minus 60 Grad Celsius.

Der Amerikaner Al Arnold hatte die Idee, vom tiefsten (Badwater – 85 m unter NN) zum höchsten Punkt (Mount Whitney – 4421 m) der kontinentalen USA  zu laufen.
Der Idee vorausgegangen war eine interessante Geschichte: Als Kind litt Al an einer schweren Stoffwechselkrankheit, dem Skinny Kid Syndrom. Das hielt ihn aber nicht davon ab, im Ozean vor Los Angeles und San Pedro im Wasser zu spielen und zu surfen. In der Schule spielte er u.a. Basketball und Baseball und betrieb Leichtathletik. Auf dem College kamen dann auch noch Rugby und Boxen dazu. Das insbesondere vor dem Hintergrund, da aus dem leichtgewichtigen Jungen zwischenzeitlich ein kräftiger junger Mann geworden war.

Nachdem eine Augenkrankheit die Ausübung von Tennis und Handball nicht mehr möglich machte, fing er im Alter von 40 mit dem Laufen an. Bereits als Kind und Jugendlicher tastete er sich unbewusst an extreme Herausforderungen heran, die nun mit der Idee eines Laufes durch das Death Valley zum Mount Whitney einen neuen Höhepunkt finden sollte. Auch wenn ihm seine inzwischen dritte Frau und seine vier Kinder ihm dieses Vorhaben immer wieder auszureden versuchten, startete er in 1977 von Badwater aus und erreichte nach 145 Meilen und einer Zeit von 84 Stunden den Gipfel des Mount Whitney.

In der Vorbereitung dieser Herausforderung stellte er u.a. einen Heimtrainer in seine Sauna und trainierte darauf in jeweils 45-Minuten-Einheiten. Zugleich trainierte er lange Läufe um den Mount Diablo, einem 1.200-Meter-Berg oberhalb von Walnut Creek, ca. 20 Meilen von der San Francisco Bay entfernt.

Zehn Jahre später fand dann der erste offizielle Badwater Ultramarathon statt. Nach 146 Meilen erreichten alle 5 gestarteten Läufer das Ziel am Gipfel des Mount Whitney. Zwei Jahre später wurde dann die Strecke auf die heutigen 135 Meilen gekürzt.

Auch wenn die nachfolgende Geschichte nicht zwingend mit dem Ultramarathon zu tun hat, steht diese doch symptomatisch für den Ehrgeiz von Al Arnold und ist zugleich Ansporn für viele Extremsportler. Beim Windsurfen wurde er von einer Welle erfasst und stürzte wie ein Pfeil auf eine Sandbank. Dabei wurde ein Halswirbel deformiert  Durch die damit einhergehende Lähmung hatte Al nur noch Gefühl in den kleinen Fingern und in den großen Zehen. Fünf Tage nach dem Unfall flog er im Rollstuhl sitzend nach Hause. Die Ärzte gaben ihm die Aussicht, in ca. einem Jahr bereits wieder mit leichten Gehversuchen anfangen zu können, wenn denn die Heilung optimal verlaufen sollte.

Al nahm die Herausforderung an. Bereits drei Wochen später lief er 10 Meilen am Stück obwohl er weder einen Stift halten noch sich die Schnürsenkel binden konnte. Eine weitere Woche später finishte er den San Francisco Bridge-to-Bridge-Lauf. Für die Strecke von 7,2 Meilen benötigte er nur 65 Minuten, 10 Minuten mehr als seine Bestzeit. Spätestens damit war der Beweis angetreten, dass auch vermeintlich Behinderte unglaubliche Leistungen vollbringen können.

Zurück zum eigentlichen Badwater Ultramarathon, der ein reines Einladungsrennen ist. Voraussetzung für eine Einladung ist die Erfüllung von Qualifikationsstandards wie folgt (Teilnahme 2012):

Erfolgreiches Beenden eines Badwater Ultramarathons sowie eines weiteren bedeutenden Ultramarathons in den letzten 12 Monaten. Oder erfolgreiches Beenden dreier 100-Meilen-Ultramarathons, davon das letzte in den vergangenen 12 Monaten Oder das erfolgreiche Beenden des BRASIL 135 und eines weiteren bedeutenden Ultramarathons in den letzten 12 Monaten.

Darüber hinaus ist es für das Auswahlverfahren hilfreich, wenn der Bewerber eine umfangreiche Erfahrung im Ultramarathon-Bereich vorweisen und diese auch entsprechend nachweisen kann. Besonderen Wert wird dabei auf die Teilnahme bei nachfolgenden Veranstaltungen gelegt:

Ultramarathonrennen, wie am 100-Meilen-Grand-Slam oder mehrtägiger Wüstenrennen;

 

Ultra-Triathlon-Veranstaltungen: Double-Ironman, Triple-Ironman, Ultraman

 

Adventure-Rennen: Eco-Challenge, Raid Gauloise oder vergleichbare Langstreckenfahrrad-rennen: Furnace Creek 508 oder andere mit einer Mindestlänge von 500 Meilen.

Die Erfüllung dieser Qualifikationsstandards ist keine Garantie dafür, dass der Interessent auch letztlich eine Einladung erhält und an dem Rennen teilnehmen darf. Das schließt übrigens auch Wiederholungstäter ein. Besondere Berücksichtigung finden lediglich solche Bewerber, die zuvor als Pacer beim Badwater Ultramarathon Läufer unterstützt haben.

Die Anmeldegebühr beträgt 995 Dollar und ist grundsätzlich nicht rückzahlbar. Damit ist es aber noch nicht getan: Jeder Läufer muss eine Crew von mindestens zwei Personen mit einem All-Rad-Auto zur Verfügung haben. Damit wird die Teilnahme inkl. Flüge, PKW, Übernachtung, Verpflegung etc. schnell zu einem Unterfangen mit einem finanziellen Aufwand von ca. 10.000 Euro.

Ungefähr 100 Interessenten erhalten eine Einladung. Von diesen starten letztlich 90 Läufer in drei Gruppen zu je 30 Startern, jeweils um 06:00 Uhr, 08:00 Uhr und um 10:00 Uhr.

Die Streckenlänge hat sich im Verlaufe der Jahre insofern verändert, als dass heute 135 Meilen von Badwater nicht mehr zum Gipfel des Mount Whitney gelaufen werden, sondern nur noch zum Mount Whitney Portal auf 2530 m Höhe. Dabei sind 3962 m Anstieg und 1433 m Abstieg zu bewältigen. Nach 48 Stunden muss das Rennen beendet werden. Zudem gibt es zwei Cut-Off-Zeiten zu beachten:

Stovepipe Wells: 12 Stunden und  Panamint Springs Resort: 28 Stunden

Alle Läufer, die im vorgegebenen Zeitlimit von 48 Stunden das Rennen erfolgreich absolvieren, erhalten ein Finisher-Shirt und die begehrte Gürtelschnalle („Buckle“).

Die extremen Bedingungen lassen vermuten, dass die Finisherquote eher nicht besonders hoch ist.  Aber die hohen Eingangshürden und das anschließende Auswahlverfahren haben diese Vermutung ad absurdum geführt. In den letzten Jahren hat sich die Quote der erfolgreichen Teilnehmer auf etwa 90% eingepegelt. Das ist für ein derartiges Rennen unfassbar!

Fazit: Nicht nur die sportlichen Eingangsvoraussetzungen für diesen Ultramarathon, sondern auch der finanzielle Aufwand sind enorm. Allein deswegen bleibt eine Teilnahme nur wenigen vorbehalten.

Das sind aber auch genau diejenigen, die sich einen wohl einmaligen Traum erfüllt haben und in der Regel nicht nur sportlich erfolgreich sind.

 

Dr. Ronald Musil
Tel.: 030-24729266
Die Herausforderung!
100MeilenBerlin
Der Mauerweglauf
www.100meilen.de

 

100MeilenBerlin – Der Mauerweglauf. 17./18. August 2013.

 

PS.: Vielen Dank für die Bereitstellung der diesem Beitrag beigefügten Bildern und interessanter Informationen an Jens Vieler, einem erfolgreichen Finisher in 2011 in einer Zeit von 37:15:49 Stunden.

 

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author: GRR

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