2008 Olympic Games Beijing, China August 8-24, 2008 Photo: Jiro Mochizuki@Photo Run Victah1111@aol.com 631-741-1865 www.photorun.NET
Äthiopien läuft „Amok“: Bekele erbost nach Sperre, Funktionäre lenken ein
Fünf Monate nach dem Absturz bei den Leichtathletik-Weltmeisterschaften und wenig mehr als sechs Monate vor den Olympischen Spielen in London liegen bei Äthiopiens Leichtathletik-Funktionären die Nerven blank. Bei der WM in Südkorea waren die jahrelang dominierenden Bahn-Langstreckler des Landes im vergangenen Jahr weit hinter ihre Konkurrenten aus Kenia zurückgefallen.
Während Kenias Läufer siebenmal Gold, sechsmal Silber und viermal Bronze abräumten, mussten sich die erfolgsverwöhnten Äthiopier mit einem Sieg und vier dritten Plätzen zufrieden geben. Damit lagen sie in einem nur auf die Laufwettbewerbe beschränkten Medaillenspiegel nicht nur hinter dem Erzrivalen Kenia sondern auch noch hinter Russland und Großbritannien.
Weil eine Gruppe von Athleten bei den daraufhin vom Verband angeordneten, zentralen Trainingsmaßnahmen nicht erschienen ist, sperrten die Funktionäre kurzerhand 35 Läufer ab sofort bis nach den Olympischen Spielen in London. Zu dieser Gruppe zählen einige der besten Läufer aller Zeiten. So wurde zum Beispiel gegen Kenenisa Bekele ebenso ein internationales Wettkampfverbot verhängt wie gegen Tirunesh Dibaba.
Die beiden Ausnahmeläufer gewannen bei den Olympischen Spielen vor vier Jahren in Peking jeweils beide Langstrecken, also die 5.000 und die 10.000 m. Internationale Medaillengewinner wie Sileshi Sihine, Bekeles jüngerer Bruder Tariku, Meselech Melkamu oder Wude Ayalew stehen ebenfalls auf der Liste. Allerdings lenken die äthiopischen Funktionäre jetzt offenbar ein.
Besonders hart traf es jene Athleten, die sich am kommenden Freitag beim Dubai-Marathon für die Olympischen Spiele qualifizieren wollen. Nach monatelanger Vorbereitung kam für sie die Sperre wie ein Knock-out im Kampf um die London-Tickets. Zu den Betroffenen zählt zum Beispiel auch die Vorjahressiegerin des Dubai-Marathons: Aselefech Mergia hat eine Bestzeit von 2:22:38 Stunden und gehört damit theoretisch zu den heißen Kandidatinnen auf einen der drei Olympia-Startplätze Äthiopiens. Beim WM-Marathon in Berlin 2009 war sie Dritte.
Bezüglich der betroffenen Dubai-Starter deutet sich inzwischen allerdings eine Lösung an. „Wir gehen davon aus, dass unsere äthiopischen Athleten, die in Dubai auf der Startliste stehen und gesperrt wurden, am Freitag laufen können. Einige von ihnen waren inzwischen ein paar Mal bei dem Verbands-Training in Addis Abeba oder sie haben sich mit den Verantwortlichen unterhalten“, erklärte Valentijn Trouw, der zur Management-Gruppe des Holländers Jos Hermens gehört, gegenüber race-news-service.com.
Nicht auf der Liste der gesperrten Athleten findet sich übrigens der Name von Haile Gebrselassie. Der äthiopische Volksheld gilt als quasi unantastbar, und er hat sich wohl auch cleverer verhalten. „Ich habe mit Haile gesprochen. Er ist ein paar Mal zu dem offiziellen Training gegangen“, sagte Valentijn Trouw und fügte hinzu: „Haile wäre sicherlich eine Person, die bei diesem Problem hervorragend vermitteln könnte. Aber ich denke, die Situation kann sich auch so lösen, zumal die Athleten individuell mit den Verbands-Funktionären sprechen müssen.“
Erbost zeigte sich Kenenisa Bekele nach dem „Amoklauf“ der Funktionäre. Er hatte, wie Vanlentijn Trouw bestätigte, von seiner Sperre nicht einmal direkt von den Verantwortlichen erfahren sondern aus dem Fernsehen. Gegenüber seinem Management erklärte der Olympiasieger und Weltrekordler in einer ersten Reaktion sogar: „Dann laufe ich eben für ein anderes Land!“ So weit wird es sicherlich nicht kommen, und Bekeles Drohung erklärt sich auch mit der mangelnden Achtung, die ihm trotz seiner Erfolge für sein Land nicht entgegengebracht wird.
„Sie haben keinerlei Respekt für mich“, sagte Kenenisa Bekele in einem Telefonat mit Jos Hermens, der gegenüber der britischen Webseite „insidethegames.biz“ erklärte: „Kenenisa hatte dem Verband erklärt, dass er nicht auf der Bahn des Nationalstadions von Addis Abeba trainieren möchte. Denn diese Bahn ist zu hart und kann zu Verletzungen führen.“
Bevor die Äthiopier vor einigen Jahren in dem Stadion eine Mondo-Bahn einbauen ließen, hatten Bekele und Gebrselassie die Funktionäre gewarnt und auf das Verletzungsrisiko für Langstreckenläufer hingewiesen. Dennoch entschieden sich die Verbands-Vertreter für die harte Mondo-Bahn, die Sprintern entgegen kommt.
Auf dieser Bahn findet nun das Verbands-Training für die Läufer statt. „Wir sprechen von einer Nation, die immer wieder viele der besten Langstreckler der Welt hervorbringt – und sie legen eine Sprintbahn ins Nationalstadion. Das ist unglaublich“, erklärte Jos Hermens. Sowohl bei Kenenisa Bekele als auch bei Tirunesh Dibaba stehe die Ursache für Verletzungen der jüngeren Zeit im Zusammenhang mit der harten Bahn in der Hauptstadt, sagte Valentijn Trouw. Auch deswegen baut Kenenisa Bekele zurzeit auf eigene Kosten einen Sportkomplex mit Hotel rund 10 km außerhalb der Hauptstadt.
Dort wird es dann in wenigen Monaten eine 400-m-Bahn mit einem weicheren Belag geben. Bis dahin ist die Sperre sicherlich kein Thema mehr.
race-news-service.com