Läufergruppe, im Hintergrund Blaues Wunder in Blasewitz ©wus-media - Wilfried Raatz
15. Renta Oberelbe-Marathon – Rekordbeteiligung zum Jubiläum – Der Pole Bartosz Mazerski siegt nach 2010 zum zweiten Mal – Maik Petzold und Simone Maissenbacher mit Streckenrekord dominieren über 10 km
Der Renta Oberelbe-Marathon von Königstein nach Dresden trägt zu Recht den Untertitel „Der Landschaftsmarathon". Der attraktive Frühjahresmarathon hebt sich damit deutlich von den populären Stadtmarathonläufen im Frühjahr wie in Hamburg, Düsseldorf, Hannover, Mainz oder Mannheim ab – und schreibt Rekordzahlen.
Mit Stolz präsentiert Organisationsleiter Uwe Sonntag dann auch im Zieleinlauf im Heinz-Steyer-Stadion in Dresden bei der 15. Auflage die neue Anmelde-Höchstzahl von 5 722 über alle Wettbewerbe hinweg. „Das ist ein Plus von über 400 Meldungen". Mit vorrangig Mund-zu-Mund-Propaganda hat sich der Marathon entlang des Oberlaufes der Elbe entwickelt. „Natürlich ist vieles dem Jubiläum geschuldet. Ich denke, die Läufer erhalten für ihr Geld aber auch eine angemessene Leistung", sieht der Marathonchef einen der Gründe für den positiven Trend. „Innerhalb von nur zwei Jahren haben wir um 1000 Läufer zugelegt. Und… haben im fünften Jahr hintereinander gutes Wetter, auch wenn es für die Marathonläufer einfach zu heiß sein dürfte".
Während andere Landschaftsläufe wie zum Beispiel der Mittelrhein-Marathon zwischen Oberwesel und Koblenz über zum Teil massiven Teilnehmerrückgang klagen, geht es am attraktiven Oberlauf der Elbe mit dem Touristenzentrum Dresden stetig voran. Und bleibt zugleich familiär. Viele sind „Wiederholungstäter", kommen aus der Region, ziehen aber auch durch die bereits zitierte Mund-zu-Mund-Propaganda immer neue Ausdauersportler an.
Das Heinz-Steyer-Stadion jedenfalls befand sich im wohlgeordneten Chaos, der herrlich gepflegte Rasen inmitten des 400 m-Kunstoffovals glich einer Liegewiese – und wurde zum Meeting Point mit kulinarischen Genüssen für die gesamte Familie. Doch welche Steigerungsraten verträgt der Renta Oberelbe-Marathon noch? Auch hier hat Marathonchef Sonntag sogleich eine Obergrenze formuliert: „Während es beim Marathon völlig entspannt ist, ist der Halbmarathon und der 10 km-Lauf an der Grenze. 6000 ist wohl die wirkliche Obergrenze für unsere Veranstaltung. Die Kapazitäten in Pirna und in Blasewitz sind bereits jetzt schon erschöpft, alle Parkplätze in Stadionnähe ebenso!"
Das Drum-herum am Oberlauf der Elbe ist familiär und trägt viele persönliche Züge. Unweit des Hauptbahnhofes gibt es in der Eingangshalle des World Trade Center am Freitag und Samstag die Startnummern und eine kleine Marathonmesse – und ein leider nur mäßig besuchtes Läuferseminar. Hier berichten die Langstreckler Paul Schmidt und Marc Schulze über ihr kenianisches Höhentrainingslager in Iten, plaudern der Ultraläufer Thomas König und Ironman-Finisher Holm Große aus dem Nähkästchen. Der samstägliche Frühstückslauf des Partnerhotels Dorint mit dem laufambitionierten Direktor Michael Mollau wird zudem zu einer sehr persönlichen und äußerst informativen Sightseeingstour durch Dresden, schließlich kann der 1:40-Halbmarathonläufer aus Wolfsburg bereits auf eine 16 Jahre währende Tätigkeit in Dresden zurückblicken.
Am Start des schulz aktiv-10 km-Laufes am Schillergarten, direkt am Blauen Wunder im Stadtteil Blasewitz treffen sich einige Prominente, darunter neben den Favoriten Maik Petzold und der zweimaligen Oberelbe-Marathon-Siegerin Simone Maissenbacher auch der blinde dreifache Paralympics-Starter Henry Wanyoike oder der Königsteiner Bürgermeister Frieder Haase, der diesmal nicht den Startschuss an seinem Dienstort gibt, sondern mit seiner Tochter die 10 km unter die Füße nimmt. Mit zunächst Windunterstützung sind sowohl Maik als auch Simone mit 15:10 bzw. 18:05 prächtig unterwegs, müssen allerdings auf der Zusatzschleife am Stadiongelände mit heftigem Gegenwind alle Hoffnungen auf schnelle Endzeiten aufgeben. Auch wenn die Siege in 31:17 bzw. 37:18 mit einer Minute Vorsprung und mehr ungefährdet waren, Zufriedenheit auf dem Siegerpodest kann durchaus auch etwas anders aussehen.
„Im Schlussteil habe ich richtig Zeit eingebüßt. Eigentlich ein schöner Lauf, aber leider ohne Konkurrenz", zog Maik Petzold ein erstes Fazit. Schon in einer Woche folgt für den Triathlon-Olympiakandidaten der Saisonauftakt in Deutschland mit dem Start in Buschhütten, Ende Mai dann das ultimative Qualifikationsrennen in Madrid. „Schade, dass Marc Schulze nicht am Start war, das wäre ein richtiger Kampf geworden. So war es leider nur ein Trainingslauf!"
In 31:17 Minuten lag der zweifache Olympiateilnehmer klar vor den beiden ebenfalls aus dem Triathlonlager stammenden John Heiland (32:28) und Peter Lehmann (33:58). Auf Rang fünf folgte bereits der blinde Henry Wanyoike mit seinem Begleiter in 35:31. Ein guter Aufgalopp für seinen Marathonstart in der kommenden Woche in Hannover, wo der 38jährige Kenianer seine vierte Olympiafahrkarte erlaufen möchte.
Nach zwei Marathonerfolgen holte Simone Maissenbacher zwar in Dresden einen weiteren Tagessieg – noch dazu in Streckenbestzeit von 37:18 Minuten. Zufrieden war sie damit allerdings nicht. „Wie Maik hat mir der Gegenwind die gute Endzeit vermasselt!" Dennoch löschte die Karlsruherin, die sich wegen eines Bandscheibenvorfalls derzeit stärker mit Reha-Maßnahmen beschäftigen muss als mit Trainingskilometern, die bisherige Bestmarke der verstorbenen Dresdnerin Jana Bürgelt aus dem Jahr 2007 um 28 Sekunden. „Die behandelnden Ärzte haben mir längere Wettkampfstrecken verboten. Da ich aber unbedingt gerne wieder nach Dresden kommen wollte, blieb für mich nur die 10 km-Distanz!"
Die LSG-Läuferin lag im Ziel als Gesamt-vierzehnte letztlich exakt eine Minute vor der Tschechin Jindriska Martinkova. „Jetzt fehlt mir nur noch der Streckenrekord über Halbmarathon", unkte Simone Maissenbacher lachend im Ziel, „deshalb werde ich im kommenden Jahr wohl wiederkommen müssen!"
Die Halbmarathonstrecke gewann in allerdings mäßigen 1:32:03 Stunden die einheimische Birgit Kretzschmar vor Christiana Salzmann (Ehringshausen/ 1:32:53) und Constanze Quenzel (Merseburg/ 1:35:52). „Das ist einer meiner größten Erfolge" schwärmt die bereits 47jährige Siegerin bei der Siegerehrung. „Die Zeit ist natürlich nicht sonderlich gut, aber die Veranstaltung gefällt mir aber gut, weil man sich hier mit der ganzen Familie im Ziel treffen kann!" Bei den Männern kam der Sieger Matthias Flade mit einer verknüllten Startnummer ins Ziel, wie übrigens viele der Teilnehmer, denn wasserresistent schien die mit einem Transponder versehene Startnummer keineswegs zu sein.
Dennoch stand der Sieg des 33jährigen Grundschullehrers aus dem sächsischen Auerbach, ursprünglich aus Bamberg stammend, aber im Trikot des TV Münchberg bei Hof laufend, außer Diskussion. Mit 1:13:18 lag er deutlich vor dem einheimischen André Fischer (1:15:33) und Rene Müller (LSV Pirna/ 1:16:20). „Eigentlich bin ich Landschaftsläufer", gesteht Matthias Flade, der den Inferno-Halbmarathon in Lauterbrunnen oder den Karwendelberglauf in Mittenwald als seine Lieblingsläufe bezeichnet, „aber ich wollte heute gerne einmal Dresden kennen lernen!" Gesagt, getan, die Zeit jedenfalls war für ihn nebensächlich. „Zeiten oder Rekorde sind nicht mein Ding, ich laufe lieber in der Landschaft!"
Last-Minute-Nachmelder Isaak Boit sorgte beim Marathon-Wettbewerb für den Aufreger schlechthin. Am Samstagabend stand der aus dem Management des Detmolder Volker Wagner stammende 28jährige Kenianer vor dem verschlossenen World Trade Center, wartete am Sonntagmorgen in Königstein auf einer Parkbank auf Startorganisator Tilo Kühne, bis dieser ihm noch eine Startnummer beschaffte. Mit der selbst den Stadionsprechern zunächst noch unbekannten Nummer 49991 lief er „standesgemäß" dem Feld vorweg, dahinter die bis dato vermeindlichen Favoriten mit dem 2010er Sieger Bartosz Mazerski, dessen polnischen Landsleuten Damian Zawierucha und dem Mehrfachsieger Jaroslaw Janicki sowie Marco Diehl, dem Vorjahreszweiten aus dem hessischen Butzbach.
Isaak Boit kassierte die „Sprint-Prämie" in Pirna und schien auf dem besten Wege zur anvisierten Endzeit um 2:20 Stunden zu sein. Doch „irgendwann nach dreißig" (so Bartosz Mazerski später) kam der „Mann mit dem Hammer" und das Ende der Siegträume für den Kenianer – denn der Pole übernahm resolut die Spitze und lief dem letztlich erwarteten Sieg entgegen. „Der Wind hat mir geholfen" freute sich Bartosz über seinen zweiten Sieg beim Oberelbe-Marathon. „Eigentlich wollte ich unter 2:30 laufen, aber das war heute viel zu warm". So registrierte die Zeitmessung letztlich 2:31:38 Stunden für den Sieger.
Angesichts der für Marathonläufe wenig leistungsförderliche Temperaturen blieb der Streckenrekord von 2:25:00 aus dem Jahr 2010 letztlich außer Reichweite, dies jedenfalls dürfte Bartosz Mazerski letztlich eher gleichgültig gewesen sein, denn zum zweiten Male durfte er die Siegerprämie von 500 Euro einkassieren. Dass es final nicht der Tag der polnischen Nachbarn wurde, dafür sorgte Marco Diehl. Während Vorjahressieger Jaroslaw Janicki vorzeitig ausstieg, rückte der 2011 als Zweiter finishende Hesse immer näher zu den Prämienrängen auf und landete letztlich noch vor dem Polen Damian Zawierucha auf Platz zwei.
„Angesichts der 20° am Start war meine Taktik nicht verkehrt. Ich bin moderat angelaufen, war zwischenzeitlich Fünfter oder Sechster. Bei Kilometer 40 habe ich den Kenianer erst überholen können – und bin wie im Vorjahr Zweiter. Die Bedingungen waren einfach nicht ideal. Gratulation aber an die Organisation. Das war einfach klasse, was die abgeliefert haben!" Sein zweiter Platz in 2:39:48 war gewiss nicht in Gefahr, hingegen verlor Isaak Boit den letzten Prämienrang noch im Stadion gegen den anstürmenden Damian Zawierucha, der in 2:44:04 sechs Sekunden früher als der Kenianer die Ziellinie erreichte. Auf Rang fünf folgte mit Johann Gehrisch der beste Dresdner Läufer in 2:49:04 Stunden.
Lange musste Organisationschef Uwe Sonntag nach dem verletzungsbedingten Ausfall der zweifachen Marathonsiegerin Simone Maissenbacher auf die Frauenerste warten. Nach 3:20:19 Stunden war dies die Berlinerin Patricia Kusatz, dicht gefolgt von Heike Hänsel vom VfL Dresden-Bühlau (3:22:39) und Katrin Wewetzer (TSV Flöha/ 3:25:01).
Wilfried Raatz
EN