Elf neue Fußballbücher … passend zur Europameisterschaft – Vorgestellt von Prof. Dr. Detlef Kuhlmann
Drei Wochen Fußball bei der Europameisterschaft in Polen und der Ukraine liegen vor uns. Während der Gruppenphase werden uns täglich zwei Spiele via TV frei Haus geliefert, danach gibt es auch fußballfreie Tage bis zum Finale am Sonntag, 1. Juli um 20.45 Uhr in Kiew.
Wer sich zwischendurch nicht nur an den Spielen erfreuen will, sondern sich auf Texten über Fußball aus Büchern einlassen möchte, der findet reichlich Titel an Neuerscheinungen aus dem zeitlichen Vorfeld zur Euro 2012. Dazu eine kleine Auswahl von nur elf neuen Titeln ohne Anspruch auf Vollständigkeit, die aber gleichwohl die breite Palette an Themen aufzeigen soll, die derzeit von Autorinnen und Autoren in Büchern über Fußball bearbeitet wird – in alphabetischer Reihenfolge der Autorinnen und Autoren:
Das erste Buch zeichnet den Lebensweg von Joachim Löw als Spieler und Trainer nach. Dabei erfahren wie ebenso die Grundzüge seines Traumes vom perfekten Spiel. So jedenfalls steht es schon im Titel – wenn doch nur der Traum bei der EM auch wirklich wahr werden würde! Im Gespräch mit dem renommierten Buchautor Christoph Bausenwein gibt Jogi Löw erste Einblicke in den Traum: „Schnell nach vorne, technisch gut, direkt, flach. Kein großes Taktieren, Zufälle möglichst ausschalten" – einfach traumhaft! Denn wer 90 Minuten lang so schön spielen kann, zu dem wird auch der (Tor-)Erfolg kommen!
Christoph Bausenwein: Joachim Löw und sein Traum vom perfekten Spiel. Göttingen 2011: Die Werkstatt. 352 S.; 24,90 €
Das zweite Buch enthält das allerletzte über Fußball – zumindest wenn man dem Titel Glauben schenken will. Demnach enthält es Überflüssiges bzw. Nebensächliches, was aber dennoch auf lustige und unterhaltsame Weise daher kommt. Es sind meistens nur kurze Texte, oft nicht länger als eine Seite. Bei manchen mögen sie auch Erinnerungen wecken – beispielsweise an die Zeiten von Berti Vogts als Bundestrainer und seine „best-of-Zitate". Wie wäre es mit: „Wir haben ein Abstimmungsproblem – das müssen wir automatisieren" oder mit „Wenn ich übers Wasser laufe, dann sagen meine Kritiker, nicht mal schwimmen kann er."
Marcel Dreykopf: Fußball – das allerletzte. Intrigen und Dummheiten aus der Welt des Fußballs. Reinbek bei Hamburg 2011: Rowohlt Taschenbuch Verlag. 254 S.; 8,99 €
Das dritte Buch ist vermutlich das letzte deutschsprachige, das unmittelbar vor der Europameisterschaft in Polen und der Ukraine erschienen ist. Es wurde nämlich erst in der letzten Woche dort der Öffentlichkeit vorgestellt, wo die Sportkarriere der drei Boateng-Brüder begann: im Berliner Stadtteil Wedding. Michael Horeni, in Berlin lebender Sportredakteur der Frankfurter allgemeinen Zeitung mit Zuständigkeit u. a. für die Fußball-Nationalmann-schaft (u. a. „Vom Hemd zum Helden. Ein Fitnessjahr mit den Profis", 2008) hat den Werdegang von Jerome (heute Bayern München), Kevin-Prince (heute AC Mailand) und George (heute Hundezüchter in Berlin) genau beobachtet und eine höchst bemerkenswerte Mischung aus Familiengeschichte und Gesellschaftspanorama im Fokus des Fußballs vorgelegt.
Michael Horeni: Die Brüder Boateng. Drei deutsche Karrieren. Stuttgart 2012: Klett-Cotta. 268 S.; 19,90 €
Das vierte Buch versteht sich als eine Annäherung: Jessica Kastrop, TV-Moderatorin bei Spartensender Sky, möchte, dass Frauen besser verstehen, warum Männern Fußball so wichtig ist. Aber auch Männer sollen nach der Lektüre besser nachvollziehen können, warum sich Frauen vielleicht zurückgesetzt fühlen, wenn sich bei Männern alles nur das das Runde und das Eckige dreht … Und einen ganz entscheidenden „Beziehungstipp" hält die Autorin gleich im ersten Kapitel bereit: Wo am besten zum ersten date verabreden? Die ultimative Lösung bei ihr lautet: mit dem Auserwählten ein Spiel seiner Lieblingsmannschaft besuchen: „Da wird sich sein wahrer Charakter offenbaren".
Jessica Kastrop: Liebe in Zeiten der Champions League. Die besten Beziehungstipps für fußballgeplagte Frauen. München 2012: Knaur. 232 S.; 8,99 €
Das fünfte Buch beschreibt „Die Kriminalgeschichte des weltgrößten Sportverbandes". So steht es jedenfalls hinten im Einband. Der Autor, im Hauptberuf Redakteur bei der Süddeutschen Zeitung mit Zuständigkeit für Sportpolitik, liefert ein Bild von den Zuständen in der Fifa, die den Titel „FIFAMAFIA" untermauern. Das Buch will dabei Antworten geben auf drei zentrale Fragen, die jeden Fußballinteressierten beschäftigen: Wie und warum wurde die Fußball-Weltmeisterschaft 2018 nach Russland vergeben? Wie und warum wurde die Fußball-Weltmeisterschaft 2022 nach Katar vergeben? Und: Warum erhielten beide am 2. Dezember 2010 in Zürich gleichzeitig den Zuschlag?
Thomas Kistner: FIFAMAFIA. Die schmutzigen Geschäfte mit dem Weltfußball. München 2012: Droemer. 426 S.; 19,99 €
Das sechste Buch widmet sich nicht nur, aber auch dem Fußballspiel, und zwar unter dem Aspekt seiner Lehrwiese. Insofern dürften vor allem Trainer und Übungsleiter im Sportverein, aber auch Sportlehrkräfte in der Schule hier gut fündig werden, um ein attraktives Training bzw. einen attraktiven Fußball-Unterricht zu gestalten. Den Beitrag speziell zum Fußball hat mit Marco Konrad ein ehemaliger Fußballprofi (SSV Ulm 1846) und Fußball-Trainer mit A-Lizenz verfasst. Bei den Spiel- und Übungsformen geht es z. B. um Ballkoordination und Torschüsse genauso wie um Spiele mit reduzierter Spielerzahl und Zusatzaufgaben.
Stefan König/Daniel Memmert/Klaus Moosmann (Hgg.): Das große Limpert-Buch der Sportspiele. Regeln, Technik und Spielformen von Mannschafts- und Rückschlagspielen. Wiebelsheim 2012: Limpert. 388 S.; 39,95 €
Das siebte Buch vereint neue Texte eines Nationalteams, das für die literarisch interessierte Öffentlichkeit schreibt und in aller Regel (nur) abseits der Öffentlichkeit kickt. Die deutsche Autorennationalmannschaft wurde 2005 gegründet und verfügt bereits über mehrere Titel (in Sammelbänden) und als Vizeweltmeister (auf dem Fußballfeld). Der jüngste Band ist aus Anlass der WM der Frauen in Deutschland entstanden. Hier spielen und schreiben u. a. mit: Jan Böttcher (der aktuelle Trainer des Teams!), Thomas Brussig (der Gründer der Mannschaft!), Thomas Klupp (nicht Klopp!) und Albert Ostermaier (der Torwart!). Frauen spielen (noch) nicht mit, kommen aber in den Texten vor: „Der Kuss der Stürmerin" und „Liebesbrief an Lira" und „Lob der Grings" und … und so weiter.
Norbert Krohn, Albert Ostermaier und Klaus Cäsar Zehrer (Hg.): Fußball ist unser Leben. Neue Geschichten der deutschen Autorennationalmannschaft. Frankfurt 2011: Suhrkamp. 302 S.; 8,95 €
Das achte Buch ist ganz nah dran an der Fußball-Nationalmannschaft und doch alles andere als ein Bilderalbum oder Taktik-Lehrbuch. Der Autor Moritz Rinke, Stückeschreiber fürs Theater, ist auf dem besten Wege, zum Lieblingsdichter des DFB-Teams zu werden, zumal sich Kapitän Philipp Lahm schon im hinteren Klappentext eindeutig positiv über „Lauter Liebeserklärungen an den Fußball" äußert, wenn er feststellt: „Man schreibt ja viel über Fußball, aber so etwas habe ich noch nie gelesen". Gemäß Kapitelüberschriften geht es um literarische Einlassungen u. a. zur WM 2006, zur EM 2010 und zur WM 2012, aber auch um „Kleine Texte gegen die großen Feinde des Frauenfußballs" (also um die WM 2011). Moritz Rinke macht das Geschehen auf dem Fußballfeld zu seiner literarischen Spielwiese: mal lustig und listig, mal irre ironisch und liebevoll sowieso.
Moritz Rinke: Also sprach Metzelder zu Mertesacker … Lauter Liebeserklärungen an den Fußball. Köln 2012: Kiepenheuer & Witsch. 202 S.; 7,99 €
Das neunte Buch handelt von dem Schicksal jenes deutschen Fußball-Nationalspielers jüdischen Glaubens, der als einer der besten Stürmer seiner Zeit galt: Julius Hirsch (geboren am 7. April 1892 in Achern) gelang es sogar als erstem deutschen Fußballspieler überhaupt, mit zwei Vereinen (nämlich dem Karlsruher FV 1910 und der SpVgg Fürth 1914) deutscher Meister zu werden. Während der Nazi-Herrschaft sah er sich Diskriminierungen und Drangsalierungen ausgesetzt. Julius Hirsch wurde im Vernichtungslager Auschwitz ermordet. Nach Jahrzehnten des Schweigens verleiht der DFB seit 2005 einen nach ihm benannten Preis. Rund 20 Jahre hat Werner Skrentny an dieser beeindruckenden Biografie gearbeitet.
Werner Skrentny: Julius Hirsch. Nationalspieler. Ermordet. Biografie eines jüdischen Fußballers. Göttingen 2012: Die Werkstatt. 352 S.; 24,90 €
Das zehnte Buch ist ein erster Versuch, die Fankultur der Ultras aus verschiedenen Blickwinkeln umfassend zu beleuchten. Dafür stehen die insgesamt 25 Autoren und mit der (ehemaligen) Polizistin Silke Martin und der Juristin Alexandra Schröder sogar zwei Autorinnen. Es kommen neben Fanbeauftragten von Vereinen aus unterschiedlichen Ligen aber auch Mitglieder von Ultra-Gruppierungen genauso zu Wort wie die Seite, die im Stadion und beim Drumherum in erster Linie für Sicherheit zu sorgen hat – stellvertretend sei das von den beiden Herausgebern geführte Interview erwähnt, in dem der langjährige Sicherheitsbeauftragte des DFB Helmut Spahn eine vorläufige Bilanz zieht: „Ich denke, wir waren auf einem guten Weg!" lautet dazu die Überschrift.
Martin Thein/Jannis Linkelmann (Hrsg.): Ultras im Abseits? Porträt einer verwegenen Fankultur. Göttingen 2012: Die Werkstatt. 272 Seiten; 14,90 €
Das elfte Buch behandelt ein Tabuthema der männlich dominierten Sportwelt unserer Zeit: Homosexualität im Profifußball – gibt es sie wirklich? Tanja Walther-Ahrens, von 1992 bis 1999 selbst in der Frauen-Bundesliga aktiv bei Tennis Borussia Berlin und Turbine Potsdam und heute beim SV Seitenwechsel in der Berliner Landesliga, nähert sich dem verdrängten Thema aus unterschiedlichen Perspektiven (u. a. homophobe Diskriminierung im Sport, Verantwortung der Medien) und möchte damit einen Beitrag für mehr Akzeptanz und Normalität leisten. Das Vorwort hat Dr. Theo Zwanziger noch als DFB-Präsident verfasst; im Buch gibt es weitere Interviews mit u. a. mit Steffi Jones und Fatmire Bajramaj sowie mit der Degenfechterin Imke Duplitzer.
Tanja Walther-Ahrens: Seitenwechsel. Coming-out im Fußball. Gütersloh 2011: Gütersloher Verlagshaus. 176 S.; 14,99 €
Prof. Dr. Detlef Kuhlmann