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11
09
2012

Der frühere Reckweltmeister Eberhard Gienger aus Künzelsau flog mit dem Gleitschirm ein und gab den Startschuss. ©Helmut Winter

Westfälische Hitzeschlacht – Anmerkungen zum 11. Volksbank Münster Marathon am 9. September 2012 – Helmut Winter und Werner Philipp berichten

By GRR 0

Wie im Vorjahr meinte es der Wettergott viel zu gut mit den Marathonläufern in der westfälischen Metropole und schickte einen wolkenlosen Himmel und Rekordtemperaturen, die in den Mittagstunden 30°C erreichten. Solche Bedingungen mögen für die etwa 100000 Zuschauer am Streckenrand noch annehmbar gewesen sein, für eine sportliche Dauerleistung über mehrere Stunden, weitgehend auch noch in der vollen Sonne, sind diese jedoch eher grenzwertig.

Ca. 18°C betrugen die Temperaturen bereits zur Startzeit um 9 Uhr, zu der sich insgesamt 5000 Teilnehmer am Schlossplatz (ob der wieder in Hindenburgplatz zurückbenannt wird, wird in einer Bürgerabstimmung am kommenden Sonntag entschieden) einfanden. Schon die Organisation des Starts zeigte, wie souverän das Team um Michael Brinkmann die Veranstaltung wieder über die Bühne brachte. Verantwortliche und Helfer legten eine Hilfsbereitschaft und ein Augenmaß für das Nötige an den Tag, das man sich bei vielen Events dieser Größenordnung wünschen würde.

Münster setzt diesbezüglich Standards. Aber auch ansonsten herrschte wieder in der Innenstadt und den Außenbezirken Partystimmung mit vielen Attraktionen, die man von den „drögen" Westfalen kaum erwarten sollte.

Dass aber die Organisation nicht alle Begleiterscheinungen beeinflussen kann, zeigt ein Blick in die medizinische Abteilung, wo das extreme Wetter nichts Gutes erwarten ließ. 130 leichtere Fälle, 37 Krankenhauseinweisungen und eine erfolgreiche Reanimation belegen dies. Die medizinische Betreuung in Münster zeigte sich solchen extremen Anforderungen aber bestens gewachsen ist. Trotzdem bleibt ein Marathon unter metereologischen Bedingungen wie am Sonntag eine grenzwertige Angelegenheit.

Aber nicht nur die Breitensportsportler, die nach vier oder fünf Stunden in der vollen Mittagshitze von 30 °C liefen, hatten unter den Bedingungen zu leiden. Auch für die Eliteläufer waren die Bedingungen mit ca. 18°C am Start und 25°C in der Schlussphase äußerst ungünstig. Bei dem sehr lichten Kurs in die Nachbar-gemeinden Münsters bleibt anzumerken, dass dies gemessene Schattentemperaturen waren.

Entsprechend lief auch die Elite bald am Limit, und ein im Vorfeld erhoffter neuer Streckenrekord (2:10:25 aus dem Jahr 2010) war schon beim Startschuss Illusion. Und auch der Vorfall einer vermeintlichen Übergabe eines Getränks auf der Strecke an einen Athleten war den extremen Bedingungen geschuldet. Dieses Problem erregte zwar nach dem Lauf die Gemüter, wurde aber salomonisch mit der Ablehnung eines Protests gelöst.

Zumal dann auch die Aktion von besorgten Anwohnern, die das Wasser aus ihren Gartenschläuchen auf die Strecke spritzten, als Leistungsförderung zu diskutieren wäre. Und einiges mehr! Wie dem auch sei, die Veranstalter behandelten und lösten dieses Problem sehr professionell.

Der schnellste Läufer war am Ende auf der Sieger des Laufs, besser: der Empfänger des Preisgeldes von 3000 Euro.

Erhebliche Ressourcen hatten die Veranstalter in ein umfangreiches Elitefeld investiert, das nach dem Start flott loslegte und mit den Zwischenzeiten von 15:28 bei 5 km und 31:11 bei 10 km nur unwesentlich langsamer anlief als geplant (65 Minuten für die erste Hälfte). Nach 15 km in 46:34 lagen noch 13 Läufer (incl. zwei Tempomacher) eng beisammen, darunter auch die zwei erstmals in Münster startenden Japaner Makato Fukui und Ryosuke Fukuyama, die zusammen mit Coach, Manager Brett Larner und Bestzeiten von 2:14:15 und 2:13:55 angereist waren. Für Fukuyama war aber eine Topplatzierung schon bei 15 km vorbei, als er an einer Getränkestation kurz zuvor mit einem anderen Läufer kollidierte und Rückenprobleme bekam. Er lief aber tapfer durch und belegte im Ziel Platz 6.

Auf dem folgenden Abschnitt durch den Ortsteil Gievenbeck konnte man mit 15:35 für die 5 km zur 20 km-Marke (1:02:08) keinen Boden auf einen Rekord gutmachen, und sieben Läufer an der Spitze passierten die Halbmarathondistanz am Ortseingang von Nienberge in 1:02:33, der andere Japaner Fukui lag 15 Sekunden zurück. Hier befand sich auch der zweite Wechsel für den Staffelwettbewerb, wo durch die vielen Staffelläufer (2176 Teilnehmer starteten im Rahmen von Marathon-Staffeln) eine großartige Stimmung herrschte.

Die Spitze passierte danach das bekannte Rüschhaus (ehem. Wohnhaus von Annette von Droste-Hülshoff) und steigerte auf den Wirtschaftswegen der ländlichen Außenbezirke nach 22 km das Tempo deutlich. Nach km-Abschnitten von 3:02, 3:05 und 3:04 dünnte die Spitze aus, noch 6 Läufer lagen bei 25 km in 1:17:35 vorne, nach einem 5 km Abschnitt in 15:27. Und das waren der Titelverteidiger aus dem Vorjahr (Startnummer 1) Elijah Yator aus Kenia, der 2011 ebenfalls bei Hitze 2:13:10 lief, zudem seine Landsleute Paul Kimugul, Pharis Kimani und Martin Kiprugut. Ferner waren noch dabei der Ätiopier Atsebha Kahsay und der Marokkaner Ahmed Nasef, der im Frühjahr 2:10:59 beim Chongqing-Marathon in China lief. Alle zusammen lagen hier auf Kurs zu einer Endzeit von 2:11.

Doch bevor weitere Hoffnungen auf eine Fortsetzung der Jagd Richtung Streckenrekord aufkamen, brach in den Weiten des Münsterlands Richtung Ortsteil Roxel das Tempo deutlich ein. Die km-Abschnitte nach 25 km von 3:07, 3:10, 3:12, 3:18 und 3:14 belegen dies deutlich. Nach 16:08 wurden von den sechs führenden Läufern bei 30 km die Matten der Zeitnahme in Roxel mit 1:33:43 überlaufen. Durch das nachlassende Tempo hatte der Japaner Fukui die Spitzengruppe immer in Sichtweite und hatte konstant einen Rückstand von etwa 10 Sekunden.

Es ging für die Läufer wieder zurück nach Münster, zunächst in den Stadtteil Gievenbeck, wo sie der Sonneneinstrahlung voll ausgesetzt waren. Entsprechend brach das Tempo weiter ein. 3:07 lief man noch einmal auf dem abfallenden Stück der Roxelerstraße von 31 km nach 32 km, dann folgten 3:25, 3:13, 3:16 und nach schwachen 16:18 für die letzten 5 km war man nach 1:50:01 bei 35 km.

Nun begann der Kampf um den Sieg. Aus der Spitzengruppe fiel zunächst Pharis Kimani und dann Kahsay zurück. Durch einen Zwischenspurt nach 38 km in 3:01 blieben auch Kiprogut und dann der Vorjahressieger Yator auf der Strecke. Um den Sieg kämpften nach 40 km in 2:05:39 nur noch Kimugul und Ahmed Nasef. Und die legten trotz der äußeren Bedingungen noch einmal mächtig los. Sie liefen den km zur 40 km Marke in 3:00, dann setzte sich Kimugul vom Marokkaner in sogar 2:56 nach 41 km etwas ab. Nasef konnte aber kontern und lief den Schlusspart von den 40 km bis ins Ziel auf dem Prinzipalmarkt in beeindruckenden 6:40.

Er siegte in angesichts der Hitze exzellenten 2:12:21 („brutto" Chipzeit 2:12:22) mit einem Vorsprung von 5 Sekunden vor Kimugul. Dies war die fünftschnellste Zeit in der Geschichte des Müsteraner Marathons. Yator als Dritter in 2:13:11 brachte das Kunststück fertig, bis auf eine Sekunde an seine Siegerzeit des Vorjahres zu heranzukommen. Dann lief in 2:13:35 Martin Kiprugut ein, und Fünfter wurde Makato Fukui in 2:13:57 vor seinem Landsmann Fukuyama in 2:15:48. Für Fukui bedeutet dies sogar eine neue persönliche Bestzeit, die durch das heiße Wetter bei seinen Vorbereitungen auf Hakkaido aber nicht ganz überraschend kommt.

Bei den Frauen ging man das Rennen sehr vorsichtig an und war bei 5 km in 19:08 bereits 1 ½ Minuten langsamer als im Vorjahr. Bei diesem Tempo konnte sogar die Deutsche Christl Viebahn von der LAZ Rhein-Sieg mithalten. Drei kenianische und eine äthiopische Läuferinnen hatten sich nach 10 km in 38:25 abgesetzt und passierten so auch den Halbmarathon in 1:21:23. Dann wurde das Rennen deutlich schneller, mit einer zweiten Hälfte von 1:16:50 setzten sich Joan Rotich, Abiyot Deme und Caroline Kwambai ab und hatten nach 30 km in 1:53:29 schon einen Vorsprung von 1:30 auf die erste Verfolgerin.

In der Schlussphase gab es einen ähnlichen Verlauf wie bei den Männern. Zunächst setzte sich Kwambai ab, wurde aber ca. einen km vor dem Ziel von Rotich eingeholt, die dann den Lauf in 2:38:12 vor Kwambai in 2:38:26 gewann. Dritte wurde Deme in 2:41:26.

Erwähnenswert bleibt noch, dass trotz des warmen Wetters die beiden besten Deutschen bei Frauen und Männern Bestmarken für die Münsteraner Veranstaltung aufstellten. Christl Viebahn schaffte als Gesamtsechste 2:47:52, und Elias Sansar von der TG Lage-Detmold wurde in 2:26:35 immerhin noch Gesamtzehnter.

Bei den Staffeln siegte das Team von den Münsteraner Laufsportfreunden LSF1 in 2:28:16. Auch hier zeigte das Wetter Wirkung.

Zusammenfassend hat Münster wieder ein tolles Laufspektakel erlebt, auf dessen Fortsetzung im kommenden Jahr man sich schon heute freuen darf. Dann aber hoffentlich einmal mit „normalen" Wetterbedingungen, denn die letzten beiden Ausgaben waren diesbezüglich schon am Limit. Das zeigt sich auch im Leistungsniveau der Veranstaltung: 11 Männer unter 2:30 und 8 Frauen sowie 53 Männer unter 3 Stunden ist für einen Marathon dieser Kategorie eigentlich sehr mager.

Man muss fairerweise diese Zahlen aber mit den äußeren Bedingungen gewichten. Und da wird Münster in den kommenden Jahren zeigen, was es leistungssportlich kann, falls einmal wieder „typisches" Münsterländer Wetter Anfang September herrscht.

Ob der Start dann noch am „Schlossplatz" erfolgen wird, dass wird schon am Sonntag entschieden; aktuell stehen die Chancen dafür nicht schlecht.

 

Helmut Winter und Werner Philipp

 

Resultate:  Männer

 

1.

Ahmed Nasef

MAR

2:12:21

2.

Paul Kimugul

KEN

2:12:26

3.

Elijah Yator

KEN

2:13:11

4.

Martin Kiprugut

KEN

2:13:35

5.

Makato Fukui

JPN

2:13:57

6.

Ryosuke Fukuyama

JPN

2:15:48

7.

Pharis Kimani

KEN

2:17:21

8.

Atsebha Kahsay

ETH

2:17:51

   

Zwischenzeiten der Spitze:

 

5 km

15:28

 

10 km

31:11

15:33

15 km

46:34

15:23

20 km

1:02:08

15:34

HM

1:05:33

 

25 km

1:17:35

15:27

30 km

1:33:43

16:08

35 km

1:50:01

16:18

40 km

2:05:39

15:38

Ziel

2:12:21

6:42

  

Resultate:  Frauen

 

1.

Joan Rotich

KEN

2:38:12

2.

Caroline Kwambai

KEN

2:38:

3.

Abiyot Deme

ETH

2:41:26

4.

Desso Keba

ETH

2:43:56

5.

Lilian Koech

KEN

2:47:31

6.

Christl Viehbahn

GER

2:47:52

7.

Charity Chepkorir

KEN

2:51:55

8.

Rike Westermann

GER

2:59:29

 

    Zwischenzeiten der Spitze:

 

5 km

19:08

 

10 km

38:25

19:17

HM

1:21:33

 

30 km

1:53:29

 

Ziel

2:38:12

 

author: GRR

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