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20
09
2012

Alles über die „Welt der Sportzuschauer" ... ein neuer Sammelband des Münsteraners Sportpsychologen Prof. Bernd Strauß (Herausgeber) ©Hogrefe Conculting

Alles über die „Welt der Sportzuschauer“ … ein neuer Sammelband des Münsteraners Sportpsychologen Prof. Bernd Strauß

By GRR 0

Sport kann man treiben. Beim Sport kann man auch zuschauen. Aber nur weil und solange Menschen Sport treiben, lohnt sich auch das Zuschauen.

Im Grunde verdankt der Sport seine weltweite Verbreitung dem zuschauenden Personal. Dazu gehören die Betrachter des Sports vor Ort in den Arenen und erst Recht die Journalisten, die ihre Beobachtungen beim Zuschauen medial verbreiten und so auf Resonanz bei weiteren (indirek-ten) Zuschauern stoßen. Alles, was über Sport kommuniziert wird, hat seinen Ursprung beim Zuschauen.

Jetzt ist endlich ein Sammelband erschienen, der dem „Sportzuschauer" (Titel) gewidmet ist – mehr noch: Das Kompendium, das Anfang dieses Monats in einem Verlag für Psychologie erschienen ist, versammelt 13 Beiträge, in denen sich 19 Experten und Ulrike Korsten-Reck (Freiburg) als Expertin aus ganz unterschied-lichen Wissenschaftsdisziplinen (z.B. Physik) bzw. Perspektiven (z.B. Zuschauergewalt) dem Phänomen Sportzuschauer nähern.

Herausgegeben wird der Sammelband vom renommierten Münsteraner Sportpsychologen Prof. Bernd Strauß, der schon in der Vergangenheit dazu einschlägige Forschungen bzw. Publika-tionen (respektive zu sozialen Prozessen im Sport) vorgelegt und von 2003 bis 2009 als Präsident der Deutschen Vereinigung für Sportwissenschaft (dvs) die Wissenschafts- bzw. Berufsorganisa-tion in Deutschland repräsentiert hat.

In seinem Auftaktbeitrag „Die Welt der Sportzuschauer" unterstreicht Strauß die These, dass „der Sport eine hohe Faszination auf die Sportzuschauer" ausübt und gerade durch die Begleitung des Sporttreibens durch Zuschauer „in den letzten Jahrhunderten zu einem weltumspannenden Phänomen" geworden ist.

Das Zuschauen beim Sport führt Menschen zusammen. Es kommt zu eigenartigen Menschenansammlungen, die es so in anderen Lebensbereichen nicht gibt. Die größte Menschenansamm-lung beim Sport in einem Stadium mit fast 200.000 Menschen soll es am 16. Juli 1950 beim Weltmeisterschaftsspiel im Fußball zwischen Brasilien und Uruguay im (alten) Maracana-Stadion von Rio de Janeiro gegeben haben.

Dadurch, dass immer mehr Menschen die Stadien füllten und füllen, wurden immer mehr Professionalisie-rungsschritte ausgelöst. Mehrere Beiträge gehen dem nach: Die „Erscheinungsformen von Sportzuschauern und ihre Organisation" beleuchtet Prof. Jürgen Schwier (Flensburg), und „Der Sportzuschauer aus ökonomischer Sicht" lautet der Titel des Aufsatzes von Junior-Prof. Henk Erik Meier (Münster), während die Kommunikationswissenschaftler Daniel Nölleke und Prof. Bernd Blöbaum (ebenfalls Münster) sich mit dem „Sportzuschauer als Medienrezipienten" auseinandersetzen: Warum ist Sportberichterstattung so attraktiv?

Um den „Einsatz der Polizei bei Sportveranstaltungen" (so der Titel) geht es dem Rechtswissenschaftler Prof. Martin Nolte von der Deutschen Sporthochschule Köln – schließlich ist die Ge-währleistung der Sicherheit bei Sportgroßveranstaltungen eine verantwortungsvolle Aufgabe, die sich staatliche und private Sicherheits-kräfte teilen (müssen).

Insofern liegt es nahe, wenn im Beitrag direkt danach sich der gerade mit dem Ethikpreis des Deutschen Olympischen Sportbundes ausgezeichnete Sportsoziologe Prof. Gunter A. Pilz (Hannover) der „Zuschauer-gewalt im Fußball – Vorurteile und Diskriminierung: Hooligans, Ultras und Hooltras" widmet. Prof. Andreas Heuer (Münster) überschreibt seinen Beitrag „Zuschauer und Menschenansammlungen aus physikalischer Sicht".

Dabei geht es z.B. um Formen von Massenpanik genauso wie um das Phänomen von Pfiffen und Applaus sowie um die Modellierung von La Ola-Wellen bei Sportevents.

Der Sporthistoriker Prof. Michael Krüger (Münster) gibt einen ausführlichen Ein- und Überblick in die historische Entwicklung des Zuschauens beim Sport vom antiken Griechenland über das Publikum bei mittelalterlichen Turnieren bis zu den Anfängen des modernen Sports in England sowie den Olympischen Spielen und speziell den Turnfesten in Deutschland.

Am Ende zieht er eine kritische Bilanz (Kapitel-Überschrift: „Zuschauersport zwischen Animation und Konsum") und fragt, ob das Zuschauen beim Sport mehr Menschen dazu bringt, selbst aktiv und fair Sport zu treiben, oder ob wir uns eher und noch mehr dem passiven Sportkonsum hingeben. Prinzipiell kann der Sport beides leisten, und letztlich kann nur jeder für sich die Frage im „Selbstversuch" verlässlich beant-worten.

Zu den anderen Beiträgen im Band noch soviel: Prof. Holger Schramm (Würzburg) hinterfragt die interessante These, inwieweit sich die Rezeption von Sport auf die Stimmung und Lebenszufriedenheit während und nach dem Ereignis bei den Zuschauenden auswirken. Um soziale Kognitionen geht es Prof. Henning Plessner (Heidelberg) und Prof. Markus Raab (Köln): Wie werden aktuelle Wettkampfleistungen beurteilt? Wie werden Ursachen für Erfolg und Misserfolg erschlossen? Worauf beruhen Prognosen für den Ausgang eines Spiels?

Eine fünfköpfige Gruppe von Freiburger Sportmedizinern und einer Sportmedizinerin um Prof. Hans-Hermann Dickhuth untersucht den „Sportzuschauer aus medizinischer Sicht". Mit Personenmarketing bzw. Prominenzforschung im Sport beschäftigt sich der Beitrag „Sportzuschauer und ihre Helden" von Prof. Thomas Schierl und Dr. Carsten Möller (beide Köln), mit dem „Sportzuschauer in der Literatur" der Beitrag von Prof. Detlef Kuhlmann (Hannover).

Zum Schluss: Wer das Buch zur Hand nimmt, sollte auf keinen Fall versäumen, den Einführungsbeitrag von Strauß ganz und genau zu lesen: Hier ist an einer Stelle nämlich von einem Sportzuschauer namens Philipp Ozersky die Rede, der plötzlich und unerwartet für seine „Zuschauerleistung" mit 2,7 Millionen US-Dollar belohnt wurde.

Welcher Sportzuschauer wollte dem nicht nacheifern?

Strauß, Bernd (Hrsg.): Sportzuschauer (Band 7 der Reihe Sportpsychologie). Göttingen 2013, 244 Seiten; 29,95 Euro

 

Quelle: DOSB

author: GRR

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