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04
10
2012

Heinz Frei wollte seinen 20. Sieg in Berlin perfekt machen - hier kurz vor dem Start. ©Horst Milde

Die Rollstuhlfahrer beim BERLIN-MARATHON 2012 – Dr. Reiner Pilz berichtet

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Die Sonne stand noch tief als um 8:35 Uhr der Startschuss für die Rollstuhlfahrer fiel. Exakt 3 Wochen nach dem paralympischen Marathon in London waren die Gewinnerin der Bronzemedaille, Sandra Graf (SUI) sowie der Gewinner der Silbermedaille, Marcel Hug (SUI), sein Landsmann Heinz Frei (11. Platz) und der Spanier Rafael Botello Jimenez (9. Platz) auf die Strecke gegangen.

Hier in Berlin waren sie die Favoriten.

Sandra Graf ließ daran auch keinen Zweifel. Gleich auf den ersten Kilometern zog sie unwiderstehlich davon und hatte bei Km. 20 bereits 5 Minuten Vorsprung vor der Italienerin Francesca Porcellato heraus gefahren. Auch die Italienerin war einsam unterwegs, denn Yvonne Sehmisch aus Cottbus konnte das Tempo nicht mitfahren. In dieser Reihenfolge kamen sie  über die Ziellinie, Sandra Graf in beachtlichen 1:46:19h, Francesca Porcellato 1:56:37h und Yvonne Sehmisch 2:06:26h.

Bei den Männern entwickelte sich ein interessantes Rennen, dem man die paralympische Vorgeschichte anmerkte. Besonders Heinz Frei sorgte für ein hohes Tempo, um zeitig die Fähigkeiten seiner Konkurrenten auszureizen. Nach gut 45min. passierte eine vierköpfige Spitzengruppe mit drei Schweizern, Heinz Frei, Marcel Hug und Tobias Lötscher sowie dem Spanier Rafael Botello Jimenez die Halbdistanz. Knapp 10km vor dem Ziel konnte einer erneuten Attacke von Heinz Frei nur noch Marcel Hug folgen. Vor dem Ziel, im Bereich des Brandenburger Tores begann dann ein Finish mit Attacke und Gegenreaktion der beiden Führenden.

Heinz Frei wollte seinen 20. Sieg in Berlin perfekt machen, Marcel Hug mit dem Berliner Sieg vom Vorjahr und seiner Silbermedaille im Rücken, wollte sich seinen Triumph nicht nehmen lassen. Seinen Endspurt konnte Heinz dann nicht mehr kontern und so siegte  der 26jährige Marcel Hug in 1:29:43h vor seinem 54jährigen Landsmann Heinz Frei (1:29:48h).

Dem 54-Jährigen wird das die Freude an der nun 15. Goldmedaille seiner beispiellosen Karriere bei den Paralympics vor wenigenTagen im Handbike beim Zeitfahren nicht trüben. Auch bei den Verfolger entschied ein Spurt Platz 3, den der Spanier Rafael Botello Jimenez in 1:32:54h vor Tobias Lötscher (1:33:00h) für sich entschied.

Abseits der allgemeinen Aufmerksamkeit gab es ein interessantes Rennen in der Klasse T51, den Fahrern mit der stärksten Behinderung. In den Vorjahren war der Saarbrücker Stefan Strobel ohne ernst zu nehmende Konkurrenz in international beachtlichen Zeiten in Berlin stets siegreich. Nun meldete sich ein leistungsstarker Fahrer aus Südafrika, Pieter Du Preez erstmals in Berlin.

Sofort nach dem Start fuhr der Südafrikaner einen Vorsprung heraus. Oft in Sichtweite, gelang es Stefan Strobel nicht, sich an ihn heran zu arbeiten. So siegte Pieter Du Preez in hervorragender Zeit von 2:40:02h vor Stefan Strobel (2:42:43h).

Wer die nun 38jährige Geschichte des Rollstuhlmarathons kennt, die beispielhaft für die in der Öffentlichkeit ausgetragene Emanzipation und die Akzeptanz von Menschen mit Handicap gelten kann, steht fassungslos vor der Ignoranz und fehlenden Sensibilität derjenigen Funktionäre, die Sportler der Klassen T51 und T52 für Weltmeisterschaften und Paralympische Spiele am Marathonwettbewerb ausgrenzen.

Insbesondere gilt für Athleten mit starken körperlichen Behinderungen, dass vor allem der Klassiker Marathon im doppelten Sinne des Wortes zur Bewegung beigetragen hat. Sportliche Inklusion wird hier in ihr Gegenteil verkehrt!

Gut, dass Veranstaltungen wie der BERLIN-MARATHON allen eine faire Plattform bietet und vor allem das Gefühl des Miteinander und der gemeinsamen Freude am aktiven Sport.

 

Dr. Reiner Pilz

author: GRR

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