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13
10
2012

Das erste Sportfest der vierAlliierten im Olympiastadion am 23. September 1945 - Die Russen beteiligten sich dann nicht. ©Alliierten Museum- Chodan

„Fair Play – Die Alliierten und der Sport“ – Ausstellung in Berlin – „Umerziehung durch Sport“ – Impulse für die Sportentwicklung – Prof. Dr. Detlef Kuhlmann stellt vor.

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Das Alliierten Museum in Berlin-Dahlem („Outpost“, Clayallee 135) zeigt noch bis zum 8. April 2013 eine bemerkenswerte Ausstellung über „Fair Play – Die Alliierten und der Sport“, die viele Einblicke in die sportliche Nach-kriegsgeschichte im damals geteilten Berlin gibt und den Einfluss vor allem der westlichen Schutzmächte auf die Wiederbefestigung sportlichen Lebens in der Berliner Bevölkerung gibt: „Fair Play“ stand so gesehen auch für De-militarisierung und Demokratieaufbau – nicht nur, aber auch im Sport.

Vie-es von dem, was die amerikanischen, englischen und französischen Militärs damals angestoßen haben, wirkt heute noch nach. Solche zunächst geografisch auf die sektoriell geteilte Stadt begrenzten Impulse für den Sport strah-len mitunter bis heute bundesweit nach. Doch erstmal der Reihe nach:

Wer das Hauptgebäude des ehemaligen amerikanischen Kinos „Outpost Theater“ betritt und sich geradeaus dem Vortragssaal nähert, findet in einer kleinen Vitrine zum Thema „Der Umgang mit der Jugend“ erste sportbezogene Spuren: Im Jahre 1948 gab es die ersten Allgemeinen Berliner Jugendspiele im Rahmen der sog. „Umerziehung durch Sport“.

Die Urkunde und Medaille von Inge Riek zusammen mit ihren abgetragenen Spikes (nur mit zwei Streifen!) sind Zeugnisse ihrer leichtathletischen Leistungen, während junge Berliner Sportler als Bestandteil eines Jugendförderprogramms („Columbus Club“) beispielsweise zum Boxtraining in den Berliner „Madison Square Garden“ auf das Kasernengelände der Amerikaner nach Lichterfelde eingeladen wurden – die ebenfalls ausgestellten Boxhandschuhe wurden gratis gestellt. Aber diese „sportive“ Vitrine gehört gar nicht zur Sonder-, sondern (nur) zur Dauerausstellung, die die militärische und politische Geschichte Berlins und Deutschlands aus der Perspektive der drei Westmächte von 1945 bis 1994 aus Sammlungen mit mehreren tausend Objekten, Dokumenten, Fotos etc. veranschaulicht.

Wer die Sonderausstellung über „Fair Play – Die Alliierten und der Sport“ besuchen will, der findet diese beim Rundgang über das Freigelände vorbei an dem Flugzeug Hastings TG 503 und Segmenten der Berliner Mauer im Erdgeschoss der Nicholsen-Gedenkbibliothek und wird vermutlich zuerst an der großen geschlossenen Pokalregalwand halt machen, die 36 verschiedene Trophäen als Zeichen sportlicher Erfolge der Alliierten präsentiert, deren Bedeutung noch dadurch optisch erhöht wird, weil die Exponante vor einer Spiegelfläche aufgebaut sind.

Diese Pokale sind zugleich Relikte eines auf Wettkampf und Vergleich basierenden sportlichen Lebens in den Garnisonen und außerhalb: Diese sportlichen Veranstaltungen (der Begriff „Event“ taucht hier noch nicht auf) taugten allemal in schwieriger Zeit als identitätsstiftende Begegnungen für die eigene Einheit und schufen Verbindungen zu der Berliner Bevölkerung. Bereits im September 1945 hatten sich Soldaten der drei westlichen Besatzungsmächte zum ersten Mal zu einem leichtathletischen Vergleichswettkampf im Olympiastadion getroffen. Das sowjetische Militär hatte seine Teilnahme jedoch ohne offizielle Begründung kurzfristig abgesagt.

Polo, Rugby, Hockey, Basketball, Badminton oder American Football – das waren weder bei den Frauen und Männern im Nachkriegsdeutschland und in Berlin noch in den Sportvereinen überhaupt bekannte und verbreitete Sportarten. Sie wurden allerdings damals schon von den Alliierten ausgeübt. Diese Sportarten zu betreiben, bedeutete für viele Soldaten auch, ein Stück Heimat in das Militärdasein nach Berlin zu holen:

„A link with home“ beschreibt diese Verbindung treffend. Auch wenn die Besatzer hier eher unter sich blieben, gab es damals auch hier und da schon Öffnungsschneisen – sei es bei offiziellen Freundschaftsspielen bzw. im Zuge der „Reeducation“ der Jugend. Viele Soldaten meldeten sich seinerzeit sogar freiwillig, um Berliner Jugendlichen einzelne Sportarten zu vermitteln. Damit wurden sie gleichsam zu leibhaftigen Botschaftern des Fair Play Gedankens im Sport – denn: Ausgestellt ist auch ein Exemplar des kleinen Büchlein „Fair Play. Ein Sportalmanach für die Jugend“ von Helmut Nitzsche und herausgegeben vom „RIAS“ (Rundfunk im amerikanischen Sektor), das den sportinteressierten Jungen und Mädchen in Berlin etwas von dem olympischen Geist und der darin aufgehenden Idee des Fair Play näher bringen sollte – wie würden wohl Jugendliche von heute dieses Büchlein lesen?

Auch rund 20 Jahre nach dem Abzug der Alliierten aus Berlin sind deren sportliche Spuren immer noch sichtbar – ein besonders markantes Beispiel kommt aus der Laufbewegung: Die Ausstellung zeigt ein Plakat über einen Straßenlauf über 22 km mit der Überschrift „Im Dauerlauf durch Berlin“ am 19. April 1980, aus dem ein Jahr später der „Französische Sektor“ als Veranstalter den 25 km-Lauf „Running trough Berlin bzw. „La Traversée de Berlin“ kreierte. Jener 3. Mai 1981 gilt als die Geburtstunde der Straßenläufe in Deutschland. Den Lauf in Berlin (wenn auch mit anderem Veranstalter) gibt es immer noch – und ihm sind kurze Zeit später etliche City-Marathonläufe gefolgt, zuerst in Frankfurt, dann in Berlin und mittlerweile in vielen großen deutschen Städten.

Ein Fazit: Welche verbindende Kraft der Sport innehat, das haben die unter der „Schirmherrschaft“ der Alliierten damals sportlich aktiven Berlinerinnen und Berliner wohl am besten spüren können – aber: Alle Besucherinnen und -besucher können dies nun sehr gut konserviert beim Rundgang durch die großartige Ausstellung nachempfinden und sich womöglich sogar in bewegten Bildern (bei einer Videoinstallation) als Zeitzeugen wiederfinden.

Geöffnet ist die Sonderausstellung täglich außer mittwochs von 10 bis 18 Uhr. Der Eintritt ist frei. Am Sonntag, 27. Oktober gibt es von 14 bis 17 Uhr in Zusammenarbeit mit dem Sportmuseum Berlin eine Führung durch die Sonderausstellung mit anschließender Bustour zum Olympiapark Berlin und einer exklusiven Führung durch den sonst nicht zugänglichen Kuppelsaal im Haus des Deutschen Sports (u. a. Austragungsort der Fechtwettkämpfe bei Olympia 1936) sowie über das Maifeld des ehemaligen britischen Hauptquartiers in Berlin. Die Kosten hierfür betragen zehn Euro.

Anmeldungen unter Tel. 030/818199-o oder per E-Mail info@alliiertenmuseum.de. Weitere Informationen auch im Internet unter www.alliiertenmuseum.de.

Prof. Dr. Detlef Kuhlmann            

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