Ommo Grupe: Tübinger Texte zum Sport mit einem Nachwort von Michael Krüger. Tübingen 2012: Hofmann. 192 S.; 19,90 € ©Hofmann Verlag
Elf „Tübinger Texte“ von Ommo Grupe zum Kulturgut Sport – Prof. Dr. Detlef Kuhlmann stellt vor
Das Institut für Sportwissenschaft an der Eberhard Karls Universität Tübingen galt über viele Jahrzehnte als das Zentrum der Sportwissenschaft in der Bundesrepublik Deutschland. Seit dieser Zeit ist das Sportinstitut wesentlich mit dem Namen Ommo Grupe verbunden.
Der emeritierte Prof. Dr. Dr. h. c. Ommo Grupe gilt als der Nestor der Sportpädagogik und Sportwissen-schaft in Deutschland. Der gebürtige Ostfriese Grupe, der Anfang November dieses Jahres sein 82. Lebensjahr vollendet, kam nach dem Studium an der Deutschen Sporthochschule Köln 1958 als wissenschaftlicher Assistent an das damals noch sog. Institut für Leibesübungen, wurde ein Jahr später dessen Direktor und im Jahre 1967 dort zum ersten ordentlichen Professor auf einen Lehrstuhl für die „Theorie der Leibeserziehung“ überhaupt in Deutschland berufen.
Aus dem großen Schaffensfundus von Ommo Grupe ist jetzt ein schmales Buch mit dem Titel „Tübinger Texte zum Sport“ als Band elf in der Wissenschaftlichen Schriftenreihe des Instituts für Sportgeschichte Baden-Württemberg e.V. entstanden.
Der lokale Titel deutet die akademische Verwurzelung Grupes zu „seinem“ Institut und zu Wissenschaftlern benachbarter Disziplinen bereits an. Die Verbindung kommt in den Texten selbst hier und da (vorzugsweise in den Anmerkungen) zum Ausdruck, wird erst recht aber verdeutlicht im Vorwort des Autors und im Nachwort des Herausgebers der Schriftenreihe, Prof. Dr. Michael Krüger (Münster), der selbst jahrelang bei Grupe in Tübingen gearbeitet hat: „Ommo Grupe verstand und versteht den Sport in erster Linie als eine pädagogische und kulturelle Aufgabe und Herausforderung“, schreibt Krüger im Nachwort. Grupe wollte den Sport ge-stalten und ihm „kulturellen Sinn und Wert geben, durch aktives, engagiertes und überlegtes Handeln“ (S. 188).
Der Band enthält insgesamt elf Texte, die allesamt der olympischen Idee des Sports im Besonderen verpflichtet sind. Die meisten von ihnen wurden zwar früher schon anderswo publiziert (einige sogar in der Zs. „Olympisches Feuer“ der Deutschen Olympischen Gesellschaft), sind nun nochmals bearbeitet oder erweitert bzw. aktualisiert worden. Einige Texte hat Ommo Grupe sogar für diese Edition neu geschrieben – der Autor dazu in seinem Vorwort wörtlich: „Am Ende dieses Bandes mag sich dann auch ein Bild von einer bun-ten, keineswegs aber geradlinigen oder langfristig geplanten, allerdings auch nicht zufälligen Entwicklung der Sportwissenschaft in Tübingen und über die Tübinger Universität hinaus in Baden-Württemberg ergeben. Fünfzig Jahre bieten natürlich viel mehr Stoff, als in die ausgewählten Texten aufge-nommen werden konnte, manches bleibt deswegen unvollständig, manches auch ungesagt.“
Versucht man das breite Spektrum der Themenfelder knapp zu umreißen, dann gehören die ersten beiden zum Thema Olympia: „Ist Coubertin heute überholt? Olympische Grundsätze und Ziele“ sowie „Olympia in Deutschland – Willi Daumes Vermächtnis“. Die drei dann folgenden Texte sind dem verbandlichen bzw. vereinsbezogenen Sport im engeren Sinne gewidmet und geben einen Einblick in die Entwicklung der Sportorganisationen in Deutschland: „Sport nach 1945 – Vereine und Verbände organisieren sich neu“ lautet ein Titel, ein anderer handelt von der alten „Vereinskultur“ und der neuen „Sportlichkeit“ unserer Gesellschaft.
Vier Beiträge befassen sich in pädagogischer Perspektive mit dem Schulsport und den Kindern im Leistungsport, der vorletzte Beitrag zeichnet die Entwicklung der Sportwissenschaft als akademisches Fach an den Universitäten in Deutschland nach, bevor „Sportkultur und Sport als Kultur“ den feinen Band beschließt.
Als sechster Text steht (gewollt?) damit im numerischen Zentrum jener mit dem Titel „Leistungssport: Doping zerstört seine Idee“:
Das Dopingproblem berührt die Glaubwürdigkeit des Sports, beschädigt seinen Sinn und sein Selbstverständnis. Grupe hatte seinerzeit für eine vom DSB und NOK eingesetzte Kommission an der Erklärung zum Dopingproblem mitgewirkt, die in mehrere Sprache übersetzt wurde und als Vorbild für andere Länder galt: „Zweifel an der erhofften Wirkung sind angebracht“, schreibt er kritisch als Anmerkung in der Einleitung zum Text. Grupe mahnt erneut an, dass es „zu den unabdingbaren Prinzipien sportlichen Handelns“ gehört, dass sich die Aktiven an die geschriebenen und ungeschriebenen Regeln halten, „unter denen sie gemeinsam ihre sportlichen Leistungen anstreben und erbringen“.
Was Prävention, Bekämpfung und Aufarbeitung des Doping in Deutschland anbelangt, resümiert er an einer Stelle: „Während der Deutsche Olympische Sportbund den Anti-Dopingkampf seiner Vorgängerorgani-sationen fortsetzt und die Deutsche Sportjugend zusammen mit einer Arbeitsgruppe Heidelberger Sportpädagogen eigene Vorschläge zur Dopingbekämpfung vorgelegt hat, wurden bisher kaum Konsequenzen aus der noch keineswegs erschöpfend geleisteten historischen Aufarbeitung des systematischen Dopings in der DDR und des eher unsystematischen Dopings in der Bundesrepublik gezogen.“
Prof. Dr. Detlef Kuhlmann