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30
10
2012

Gestern hatte ich noch alle Ulkrufe: "hier schneit es" usw. erfolgreich abwehren können, aber nun waren sie da, die Eisblumen am Fenster. Cross Challenge in der Döberitzer Heide bei Berlin - Betina Harm berichtet ©Betina Harm

Cross Challenge in der Döberitzer Heide bei Berlin – Betina Harm berichtet

By GRR 0

Der Tag vor der Cross Challenge: Es ist mein erster Lauf dieser Art und ich habe richtig Manschetten davor! Seit 2 Tagen kommen in Denkpausen immer wieder diese Bilder von Hindernissen, vor allem dem Durchwaten eines kleinen Tümpels in eisiger Kälte, auf. Ich glaube das wird die größte Herausforderung.

Geprägt von Hoffnung schaue ich andauernd im Internet nach dem Wetterbericht. Sie steigt, die Hoffnung, denn für den Tag X ist zumindest mal Sonne angesagt. Aber 5 Grad Celsius sind ohnehin eine saukalte Temperatur für ein Bad im Freien.

Vor 2 Tagen habe ich mir meine Kleidungstrategie überlegt: knielange Hose, Kompressionsstrümpfe, ärmelloses Laufshirt, 2 langärmliche Oberteile, Lederhandschuhe.
Heute habe ich mir nochmal Videos vom Strongman angesehen. Alle hatten viel Spaß, sprechen vom Spielplatz für Erwachsene!? und ich hoffe, dass ich das auf mich übertragen kann.

Der Morgen davor:

Ich stehe 4 Stunden vor dem Start auf, um rechtzeitig genug zu frühstücken. Die Zeitumstellung bringt mir eine Stunde mehr Schlaf. Das gibt mir ein kleines bisschen positive Energie. Morgens nun das von allen am Vortag schon angekündigte und von mir erfolgreich verdrängte kalte Wetter: Eisblumen am Fenster! So ein Mist! Nichts mehr mit verdrängen.

Gestern hatte ich noch alle Ulkrufe: "hier schneit es" usw. erfolgreich abwehren können, aber nun waren sie da, die Eisblumen. Der Crossi an sich macht mir keine Probleme, aber die Vorstellung durch eisiges Wasser zu müssen, wenn auch nur mit den Füßen(?), ist das eigentliche Übel. Meine Tochter meinte noch: "Ach Mama, sieh das doch alles mal positiv. Niemand zwingt dich. Du kannst ja jederzeit aufhören"! Recht hat sie, aber wer will das schon? Die Musik heute morgen im Radio bekommt plötzlich eine schwerwiegende Bedeutung: .. es führt kein Weg zurück und so…

07:40 Uhr:

Klärchen kommt durch und gibt für den heutigen Tag alles, welches Glück!!
Nun geht die Aufregung doch gleich wieder ein wenig in Vorfreude über. Dieses positive Gefühl will ich jetzt festhalten, mentales Training nennt man das wohl.

08:00 Uhr:
Ich werde abgeholt, dann bin ich drin im gruppendynamischen Effekt und es gibt kein Kneifen mehr!
Die Dinge nehmen ihren Lauf.

19:00 Uhr:

Der Tag neigt sich dem Ende. Was für ein Tag!
Ich bin rundum zufrieden, fühle mich gut, bin kein bisschen gestresst, kein Muskelkater, keine Blessuren.
Ausschließlich nette Leute haben wir getroffen, die Sonne hat wohl auch einen nicht unerheblichen Teil dazu beigetragen. Viele Helfer an der Strecke, denen wir wünschten, dass sie nicht zu sehr frieren mögen. Aber Klärchen war uns allen, vor allem in der ersten Hälte des Rennens, wohl gesonnen und so war die gute Laune bei allen irgendwie ansteckend.

Nun sitze ich im meinem warmen Wohnzimmer, genieße die Klänge der mal ruhigen, entspannenden Musik, die meine momentane Lage spiegelt, mal rockige Musik, so laut es geht, die mich sofort wieder "in die Erlebnisse der Strecke zurückholt".

Nun aber genug der Vorrede! Wie war' s denn nun?

Und wer hatte heute die bessere Wahl getroffen? Unsere Frankfurt-Marathonis oder wir Cross Challenger? Das Urteil für uns ist eindeutig! Wir natürlich! Sonne, gute Laune, ein Erwachsenspielplatz ohnegleichen und Gruppendynamik vom Feinsten!

Los gings gleich mal im Startbereich mit der Identifikation der Laufstrecken der Läufer. Ich hatte die lange Distanz über 26 km gewählt. Andere die Hälfte der Strecke über 13 km. Die 26 km-Runde war in zwei 13 km-Runden zu laufen. Die Männer neben mir liefen die halbe Distanz , welche sich angemessener Weise auf dem Startnummerschild durch einen fetten, schweinchenrosa Streifen unterschied. Das war der Aufhänger, sich ein bisschen anzufrötzeln und brachte schon mal gleich etliche nette Gespräche und die übliche Überbrückung der Aufregung am Start mit sich. In etwa 4 Wellen ging es dann pünktlich um 10:00 Uhr los.

Die Strecke war im Start- und Zielbereich schon mit zahlreichen Zuschauern gesäumt, so dass man gleich die richtige Motivation mit auf Tour nehmen konnte. Ich war in der 2. Startwelle und hatte beschlossen mit Elke vom Lauftreff ein Team zu bilden und da es unsere erste Cross Challenge war und wir den Lauf vorallem genießen wollten, war klar, dass wir nicht pacen, sondern viele schöne Fotos schießen wollen, also auch den ein oder anderen Foto-Stopp einlegen werden.

Die erste Runde war noch etwas gedrängt. An den Hindernissen gab es vor allem in der Anfangszeit kleine Staus, die vermutlich so manchem Pacer willkommen waren?! Zunächst erwarteten uns etwas steilere, aber kurze Abhänge und Anstiege. Dann ging es gemütlich durch den herrlichen herbstlichen Forst. Ah, endlich, wir sehen ein Hindernis . Aber was für eine " Herausforderung"? Ein aufgerollter Heuballen. Das war ja wohl nix? Na wenn das so weiter geht?! Upps, das war ja doch gar nicht so leicht, wie es aussah, erst recht nicht für die Kleinwüchsigen unter uns.

Und wie würden wir erst in der 2. Runde darüber kommen? Ok, weiter ging's. Das hat zumindest schon mal Spaß gemacht. Weiter gemütlich durch den sonnigen Wald, folgte bald ein Sandberg, der etwas steiler war und die Möglichkeit bot, sich auch am Seil hochzuziehen. Ging immer noch relaxt! Dann folgte schon das erste mal der zuckersüße Strandsand, von dem in der Ankündigungsmail die Rede war: "Wer träumt nicht davon am Strand zu laufen und die Sonne blinzelt einem ins Gesicht? Sonne können wir euch nicht garantieren, aber Strand haben wir auf der Strecke wie Sand am Meer – nur ohne Meer. Träumen werdet ihr noch lange vom Sandberg, nur werden es vielleicht Alpträume werden. Lasst euch überraschen!"

Hier war jetzt eine geschätzte 1 km-Strecke mit anschließendem anspruchvollerem Anstieg im Sand zu bewältigen. Das ging schon gut in die untrainierte Oberschenkelmuskulatur. Dann das wohl erste "richtige" Hindernis. Wieder Stau ohne Ende, aber auch viel Zeit zu witzeln und sich anzuheizen.

Die größte Herausforderung hier, eine künstliche Steigung auf lackiertem Hartholz, mit Seil zu erklimmen und irgendwie rutschig, so dass hier der Spruch: "Wer abrutscht darf nochmal" seine praktische Bedeutung bekam. Die unterwegs noch zahlreich zu erklimmenden, na ich nenne sie mal liebevoll "Holzklettergerüste", zum drüberklettern und durchkriechen, will ich gar nicht alle aufzählen. Die waren easy und haben Spaß gemacht. So manches mal ging es im Wald noch durch kleine, steile Gruben. Eben ein ständiges Auf und Ab. Eines muss man an dieser Stelle auch mal betonen. Die Helfer vom waren super motivierend und gut gelaunt. Das war wirklich ein weiterer und wichtiger Spaßfaktor.

Aber wo blieb denn nun das heißersehnte und ach so gefürchtete Wasserhindernis?

Und wie tief und schwer würde es zu überwinden sein? Das ließ noch ein bisschen auf sich warten! Zuvor hatten wir, aus Mädchensicht! noch ein relativ anspruchsvolles Hindernis zu überwinden. Wieder so ein Loser-Heuballen, diesmal in doppelter Höhe, also erst auf den einen rauf, und dann noch einen oben drüber erklimmen. Aber ohne guten Anlauf war da nix zu holen, jedenfalls nicht für die Kurzen! Die und der ein oder andere waren hier auf die wertvolle Hilfe einer netten Helferin angewiesen, die mit ihrem Oberschenkel als Hühnerleiter ein bisschen Unterstützung gab. Den Oberschenkel möchte ich morgen mal sehen! Der wird wohl sein blaues Wunder erlebt haben! Aber ohne sie und die zahlreichen Hilfestellungen der lieben Jungs, die mit uns auf Strecke waren, hätten wir wohl an so manchem Hindernis unsere Not gehabt?! Irgendwann kam dann das "Baby leicht-Hindernis". Ach war das süß!

Durchrobben im Sand, das war wirklich schön leicht. Aber immer noch kein Wasser in Sicht. Die Spannung stieg, denn wir hatten schon mehr als die Hälfte der ersten Runde hinter uns. Von weitem hörten wir plötzlich Motivationsrufe und lautes Stöhnen. Das musste es sein und tatsächlich, das gefürchtete, ominöse Wasserhindernis tauchte in Form zweier Grobmüllcontainer auf, zur Hälfte mit Wasser gefüllt. Bis dahin hatten wir uns noch ein wenig darauf gefreut, aber das fanden wir jetzt doch ein bisschen übertrieben!

Zunächst war wieder der Heuballen zu erklimmen. Jetzt war die Technik der Vorgänger interessant. Manche setzten sich clever auf den Rand der Container und rutschten rüber zur anderen Seite, wo der zweite Container zu überwinden war. Aber irgendwie war das ja nicht wirklich cool und ein bisschen mädchenhaft, also nix wie rein in das kühle Naß. Ich stand bis zur Hüfte im Wasser!

Bei der zweiten Runde, wo uns ja alle Hindernisse noch einmal erwarteten, wir aber schon etwas gemäßigter unterwegs waren, rutschte ich mit solchem Schwung in den Container, dass ich gleich bis zum Hals im Wasser stand. Das Reinkommen war eine Sache, das wieder Rauskommen die andere, nämlich ungleich schwieriger, weil die Schräge zu steil war. Dank unserer gegenseitigen Hilfe sind wir dabei nicht erfroren. Dann ging's mit reichlich Wasser in den Schuhen und entsprechend schweren, mit Flüssigkeit vollgesaugten Klamotten weiter, teilweise durch Sonne. Ach war die schön!

Eine echte Erfahrung war der plötzlich deutlich spürbare  Kompressionseffekt nach dem Containerwasserbad am gesamten Bein. Unglaublich, das war echt angenehm! Und das war auch kein Placeboeffekt. Meine Laufpartnerin hat mir Gleiches bestätigt und darüber hinaus, dass ihre Schmerzen an der Achillessehne nach dem Bad in der Menge durch den Kühleffekt wie weggeblasen waren?! So hat doch wieder einmal alles seinen tieferen Sinn!

Im Laufe der Zeit hatten Sonne und Wind die gute Funktionskleidung getrocknet und wir liefen die letzten beiden Kilometer der ersten Runde. Es erwarteten uns diverse Steigungen und Sand, wie auch wieder zahlreiche Zuschauer, die uns zum Durchhalten motivierten. Gemein demotivierend war die Ansage des Sprechers, der ja die Ankömmlinge der ersten Runde schon willkommen hieß, während wir uns überlegten auszusteigen oder weiter zu machen.

Und wer glaubte, dass so kurz vor dem Ziel nichts mehr los sei, hatte geirrt. Jetzt gab es eine Ehrenrunde mit Sandsack, gefühlte 5 kg schwer und über ca. 500 Meter, berghoch durch Sand, zu befördern. Für manch Erschöpften der ersten Runde kein Zuckerschlecken. Aber wir waren noch gut drauf, schließlich sind wir relaxt gelaufen und hatten unsere Kräfte gut eingeteilt. Im letzten km tauchten aber noch ein paar fiese Hindernisse auf, alle unter direktem Einblick der Zuschauer.

Zunächst eine Schlammgrube, etwa 5 Meter lang, in der man kniehoch durch Wasser und Schlamm musste. Dann 2-3 Meter normale Strecke und ab ging's in eine Tunnel-Schlammgrube. Das war lecker und kostete einige Überwindung. Aber auch die haben wir mit Bravour durchgerobbt. Anschließend noch kleine Bälle in einer 5-Metergrube, auch nicht von schlechten Eltern war und ein paar Autoreifen.

Naja, die nahmen wir entspannt mit. Letztes Hindernis war wieder eine dieser steilen, glitschigen Holzwände mit Seil, die viele erst im zweiten Anlauf schafften. Aber dann das Ziel in Sicht, welcher Segen?!

Ja aber nicht für uns! Jetzt gings erst richtig los, nämlich in die kräftezehrende zweite Runde. Auch die haben wir mit Lust und Laune genommen, uns die ganze Zeit darüber gefreut, wie toll die Sonne scheint, wie gut die Leute drauf sind und was wir für Heldinnen sind, auch die zweite Runde genommen zu haben. Meine Kinder jedenfalls dürfen mich nun nur noch mit "Heldin" ansprechen, das habe ich mir verdient!

Und nächstes Jahr ist die kurze Runde im Schnelldurchlauf dran. Dann könnte ich ja auch mal ein bisschen dafür trainieren

Allen, die vor haben so einen Lauf mal zu machen, sei gesagt: es ist ein super Erlebnis – muss man haben!

 

Betina Harm
 
PS: Betina Harm ist Mitglied von Bernd Hübners Laufgruppe 

author: GRR

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