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2012

2011 BMW Frankfurt Marathon Frankfurt, Germany October 30, 2011 Photo: Victah Sailer@PhotoRun Victah1111@aol.com 631-741-1865 www.photorun.NET

Kritik nach später Absage des New York-Marathons

By GRR 0

Sabrina Mockenhaupt war enttäuscht, zeigte zugleich aber volles Verständnis für die Absage des 43. New York-Marathons. Doch die Läuferin der LG Sieg, die am heutigen Sonntag ihren ersten Marathon im Ausland rennen wollte, verstand nicht, warum das Rennen erst am Freitag und nicht schon eher abgesagt wurde.

Damit lag sie auf einer Linie mit vielen anderen Läufern – Spitzen- und Breitensportlern –, die nach New York gereist waren, nachdem es von Dienstag bis Donnerstag noch geheißen hatte, der Marathon würde stattfinden.

Am Montagabend war der Hurrikan „Sandy“ im Bereich New York auf die US-Ostküste gestoßen und hatte schwere Verwüstungen angerichtet. Man verglich die Situation mit dem Jahr 2001. Vor elf Jahren wurde der New York-Marathon zu einem Symbol der Stärke und Willenskraft der Menschen dieser Metropole. Im November 2001, knapp zwei Monate nach den verheerenden Terroranschlägen, fand das Rennen statt. Nun sollte New York zeigen, dass man sich auch von einem vernichtenden Hurrikan nicht unterkriegen lässt – obwohl der zeitliche Abstand zur Katastrophe natürlich ein ganz anderer war.

„2001 hat der Marathon die Stadt vereint, der Lauf brachte die Menschen zurück auf die Straßen. Es ging damals gar nicht um die Läufer, es ging um die Stadt. An diesem Tag waren nicht die Zuschauer für die Läufer da, sondern die Läufer waren für die Stadt da. Und dieser Marathon jetzt löst bereits ähnliche Gefühle aus“, hatte Mary Wittenberg, die Race-Direktorin des New York-Marathons, am Mittwoch erklärt.

Einen Tag später erhielten die Veranstalter der New York Road Runners die vermeintlich definitive Zusage vom Bürgermeister der Metropole, Michael Rubens Bloomberg, dass das Rennen stattfinden würde. Der Bürgermeister argumentierte auch mit der wirtschaftlichen Bedeutung des Marathons für die Stadt. Rund die Hälfte der Teilnehmer des größten Marathonrennens der Welt, bei dem vor einem Jahr 47.323 Läufer im Ziel registriert wurden, kommen aus dem Ausland. Viele tausend weitere reisen aus anderen Teilen der USA an.

Doch Mary Wittenberg und Michael Rubens Bloomberg haben die Lage und die Stimmung falsch eingeschätzt. Während sie für das Rennen planten, wurde das wahre Ausmaß der Katastrophe vor allem in Staten Island offensichtlich.

Mindestens 19 Menschen starben dort, wo der Marathon gestartet werden sollte. „Wir ziehen hier Tote aus dem Wasser und der Bürgermeister ist besorgt um Marathonläufer und darum, wie die Stadt wieder zur Normalität zurückkehrt“, sagte Michael Grimm, der US-Abgeordnete für Staten Island, gegenüber CNN. Bürger und Politiker aus Staten Island reagierten entsetzt, als sie hörten, dass der Marathon stattfinden soll.

Wie CNN berichtete, standen im Startbereich bereits Strom-Generatoren für das Rennen bereit – genau dort, wo in Staten Island vieles verwüstet war und man diese Geräte dringend für humanitäre Zwecke gebraucht hätte. Menschen, die obdachlos wurden, konnten zudem nicht in Hotels, da diese aufgrund der anreisenden Läufermassen ausgebucht waren.

Sabrina Mockenhaupt: „Es gibt Wichtigeres als von A nach B zu laufen“

Die Topathleten, deren Hotel in Manhattan in der Nähe des Central Parks liegt, bekamen direkt nichts von der Katastrophe mit. „Für mich war alles gut. Man hat in unserer Umgebung gar nichts von dem Sturm gemerkt. Hier klappte alles reibungslos. Allerdings waren wir natürlich nicht in den betroffenen Gebieten untergebracht“, erklärte Sabrina Mockenhaupt und fügte hinzu: „Die Stadt war voll mit Läufern, und der Marathon sollte ja eigentlich ein Signal der New Yorker sein: Wir sind da, wir lassen uns nicht unterkriegen. Bürgermeister Bloomberg hat ja gesagt, New York ist speziell und deswegen muss der Marathon stattfinden. Denn er gibt den Menschen Hoffnung und Mut.“

Auf die Frage, wie sie die Absage am Freitagnachmittag aufgenommen hat, erklärte Sabrina Mockenhaupt: „Natürlich war ich enttäuscht, denn ich bin ja angereist weil es hieß, der Marathon findet statt – aber die Absage ist nachvollziehbar. Es gibt ja jetzt weitaus wichtigere Dinge als von A nach B zu laufen. Allerdings hätte man früher absagen können, spätestens am Mittwoch. Dies hatte ich eigentlich erwartet. Aber als der Veranstalter am Dienstag anrief und sagte, das Rennen findet statt und wir sollen auf jeden Fall kommen, haben wir uns natürlich dafür entschieden.“

„Jeder einzelne Athlet muss jetzt das Richtige für sich entscheiden. Das Rennen nachzuholen, ist eine unrealistische Alternative“, sagte Sabrina Mockenhaupt. Kurzzeitig hatten die New Yorker Veranstalter überlegt, einen reinen Elite-Marathon mit den eingeladenen Topathleten zu veranstalten, der auf dem früheren Kurs des Rennens (vier Runden im Central Park) hätte stattfinden können. Doch diese Idee wurde schnell wieder verworfen.

„Ich denke, Sabrina wird in diesem Jahr keinen Marathon mehr laufen sondern die Pause verkürzen und dann früh in das neue Jahr starten. Aber dies ist eine Entscheidung, die Trainer Carsten Eich zusammen mit Sabrina treffen wird“, sagte Manager Oliver Mintzlaff.

Kassieren die New York Road Runners das komplette Startgeld?

Noch nicht absehbar sind die finanziellen Folgen für den Veranstalter. Offenbar gibt es eine Versicherung für einen wetterbedingten Ausfall. Geklärt werden muss, ob und inwieweit Sponsorengelder fließen und welchen Anteil des Startgeldes die Topläufer erhalten können. Den Breitensportlern soll ein Startplatz beim nächsten New York-Marathon zugesichert werden – was allerdings heißen könnte, dass dieses Rennen fast schon ausgebucht ist.

Das Startgeld müssten die Läufer allerdings neu entrichten. Und die New York Road Runners erklärten zunächst, dass den Läufern für das ausgefallene Rennen nichts erstattet wird. Hierüber wollen die Veranstalter aber noch einmal beraten. Erhalten die Breitensportler, die bereits umsonst nach New York gereist sind und als Ausländer Startgelder von über 300 Dollar entrichtet haben, nichts zurück, dürfte

Race-Direktorin Mary Wittenberg der nächste Sturm ins Gesicht wehen. Zum Vergleich: Vor dem Boston-Marathon hatten die Veranstalter im April aufgrund ungewöhnlich hoher Temperaturen allen Läufern angeboten, ihren Start auf das nächste Jahr verschieben zu können – kostenfrei.

Es sind schwere Zeiten für Mary Wittenberg, die vor kurzem bei einer Laufveranstaltung von den Teilnehmern ausgepfiffen worden war. Zuvor hatte sie entschieden, dass beim New York-Marathon der Transport der Kleidung der Läufer vom Start zum Ziel entfallen würde. Nach den Protesten wurde diese Regelung wieder rückgängig gemacht.

New York Road Runners unterstützen Rettungsarbeiten

Unabhängig von der Absage unterstützen die New York Road Runners allerdings die Rettungs- und Aufbauarbeiten in der Metropole. Eine Million US-Dollar hat der Veranstalter umgehend zur Verfügung gestellt, weitere 1,6 Millionen Dollar wurden inzwischen gesammelt. Auch freiwillige Helfer werden von den New York Road Runners vermittelt, um bei den Aufräumarbeiten zu helfen. Das Motto lautet dabei: „Race to Recover“.

Mary Keitany gewinnt World Marathon Majors-Serie

Angesichts der Situation in New York verzichteten die World Marathon Majors (WMM), zu denen die Marathonrennen von Boston, London, Berlin, Chicago und New York gehören, auf die traditionelle Siegerehrung am Montag.

Während der Kenianer Geoffrey Mutai bereits vor dem New York-Marathon als Sieger der WMM-Serie 2011-2012 feststand, wurde seine Landsfrau Mary Keitany zur Gewinnerin erklärt. Die London-Marathon-Siegerin hat in der nun abgeschlossenen Serie 65 Punkte und lag 15 Punkte vor Edna Kiplagat (Kenia). Die beiden Sieger teilen sich ein Preisgeld von einer Million US-Dollar.

race-news-service.com
 

author: GRR

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