„Gelbe Karte! Ethische Fragen an den Sport" - Positionsbestimmungen zu Doping, Fairness, Fitnesswahn etc. - die Buchvorstellung aus dem Butzon & Bercker Verlag von Prof. Dr. Detlef Kuhlmann ©Butzon & Bercker Verlag
„Gelbe Karte! Ethische Fragen an den Sport“ – Positionsbestimmungen zu Doping, Fairness, Fitnesswahn etc. – die Buchvorstellung aus dem Butzon & Bercker Verlag von Prof. Dr. Detlef Kuhlmann
„Gelbe Karte" – den Titel dieses neuen Sammelbandes darf man nicht missverstehen: Hier soll weder die Leserschaft noch irgendeine Persönlichkeit des Sports verwarnt werden. Vielmehr behandeln die drei Autorinnen und neun Autoren pointiert gängige Themen wie Kommerz und Doping, wie Fairness und Fitnesswahn etc.
Dabei geht es summarisch um „Ethische Fragen an den Sport". Und dazu bekennen die renommierten Persönlichkeiten aus dem Sport in ihren Texten Farbe. Sie halten quasi dem Sport – genauer gesagt: bestimmten Entwicklungen im Sport – die „Gelbe Karte" vor. Im imaginären Dialog mit einem Schiedsrichter könnte das soviel heißen wie: „Mein lieber Freund, Du schöner Sport … Du bist dabei, wichtige Grundsätze zu verletzen und dabei Grenzen zu überschreiten … besinn Dich auf Deine guten Seiten, verlier bloß nicht das Humane aus den Augen. Komm zurück in die Spur! Es geht auch anders."
Was soll da anders gehen? Ausgangspunkt bzw. verbindende Klammer der zwölf auch unabhängig voneinander gut zu lesenden Beiträge ist die pädagogisch immerzu riskante Ambivalenz des Sports: Der Sport soll einerseits den Menschen Freude machen, ihnen zu Gute kommen und ihnen so ein Stück Lebensqualität bescheren. Auf der anderen Seite kann er dem Menschen auch Schaden zufügen. Im hinteren Klappentext zum Buch liest sich das wörtlich so:
„Sport begeistert die Massen – und doch ist seine Attraktivität für immer mehr Menschen überschattet von Kommerzialisierung, Korruptions- und Dopingaffären, übersteigertem Konkurrenzdenken und maßlosen Erfolgserwartungen". Ist also die „Gelbe Karte" längst überfällig, und müssen wir uns nicht doch alle angesprochen fühlen?
Die beiden Herausgeber Oliver Lücke (Jurist und verantwortlich für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Handball-Bundesliga) und Dietmar Heeg (Theologe und Priester des Bistums Mainz) setzen in ihrem Vorwort bei Entwicklungen im Spitzensport ein, der uns seine Gegensätze Woche für Woche frei Haus liefert.
Da ist von angeblich 620 Mio. Euro die Rede, die bis 2017 durchschnittlich pro Jahr allein für die Übertragungsrechte an die Fußball-Bundesligisten gezahlt werden, während die erfolgreichsten Athletinnen und Athleten in den sog. („medienarmen") Randsportarten, sich häufig finanziellen Engpässen ausgesetzt sehen, um ihr Sportdasein zu bestreiten und für die Zeit danach vorzusorgen. Wenn also – das schlussfolgern Lücke und Heeg daraus – dem System Spitzensport die Gelbe Karte gezeigt werden muss, dann „müssen wir diese Verwarnung auch unserer Gesellschaft aussprechen".
Positiv gewendet lautet ihre Botschaft allerdings so: „Wir brauchen Spitzensportler, denen es gelingt, Leistung mit ethischer Überzeugung in Einklang zu bringen und dies über die Grenzen der Sportwelt hinaus in die Gesellschaft tragen".
Prof. Ingo Froböse, Leiter des Instituts für Bewegungstherapie an der Deutschen Sporthochschule Köln, räumt in seinem Beitrag „Du sollst fit sein! Ein neues Gebot" mit den überzogenen Vorstellungen auf, die uns die Fitness-Bewegung und Fitness-Industrie offerieren und wofür bei ihm der „homo performator" steht, der sportliche Leistung und Schönheit perfekt verkörpert. Aber der Fitnesswahn macht Dauerstress. Froböse sendet am Ende ein Plädoyer für mehr Gelassenheit im Umgang mit der Dosis Sport bzw. mit unserer individuellen Leistungsfähigkeit: „Körperliche Aktivität und Sport sind wichtig, damit wir die Risiken für viele zivilisationsbedingte Erkrankungen einschränken" – doch wer übertreibt, gerät in die Negativspirale. Dann ist die „Gelbe Karte" angezeigt.
Volker Monnerjahn, im Hauptberuf Studiendirektor in Boppard und seit 2004 Präsident des DJK-Sportverbandes, der im Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) zu den Verbänden mit besonderen Aufgaben gehört, nimmt den medialen Sport unter die Lupe, der zwar nur einen ganz geringen Teil der rund 26 Millionen Mitgliedschaften im DOSB ausmacht, aber über eine Macht als Vorbild verfügt. Sein Plädoyer am Ende bezieht sich auf ein humanistisches Menschenbild, das auch im alltäglichen Sport gelten muss, wo „Sportlicher Geist und fairer Umgang" das Miteinander bestimmen. Demnach – so Monnerjahn weiter – verbietet es sich z.B. von selbst, Fouls in Kinder- und Jugendmannschaften trainieren zu lassen.
Die meisten Beiträge sind übrigen im Titel mit einer Frage versehen: So bei Prof. Dietmar Mieth, Emeritus für Theologische Ethik an der Universität Tübingen, der bilanziert: „Fortschritt im Sport – Rückschritt in der Moral?" oder bei Ines Geipel, die einst unfreiwillig in das DDR-Dopingprogramm eingebunden war: „Was ist vom schönen sauberen Sport übrig geblieben?" oder bei dem Gespräch zwischen Dietmar Heeg und dem Frankfurter Bernd Hölzenbein, dem Fußball-Weltmeister von 1974 mit „Elf Freunde sollt ihr sein!? – Wie steht es um den Fußball".
Sylvia Schenk, ehemalige Deutsche Meisterin über 800 m und frühere Präsidentin des Bundes Deutscher Radfahrer, heute internationale Sportbeauftragte bei Transparency International und Vorstandsmitglied der Deutschen Olympischen Akademie, geht es um Wirtschaftsethik und Ausläufer im Sport („Wer Geschenke gibt, hat alle zu Freunden …"), während Fecht-Vizeweltmeisterin Imke Duplitzer über Homophobie im Leistungssport schreibt und der katholische Sport- und Olympiapfarrer Hans-Gerd Schütt Teile seines eigenen Aufgabenbereiches skizziert: „Warum gibt es Pfarrer bei Olympischen Spielen?".
Fazit: Der Sammelband verdient Würdigung und Anerkennung – hoffentlich auch Verbreitung und Resonanz.
Dietmar Heeg/Oliver Lücke (Hrsg.): Gelbe Karte! Ethische Fragen an den Sport. Kevelaer 2012: Butzon & Bercker. 164 S.; 16,95 €
Quelle: DOSB-Presse: Prof. Dr. Detlef Kuhlmann