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06
01
2013

Dr. Anne Jakob-Milicia - Nahrungsergänzungsmittel - Risiko: Positiv! ©Horst Milde

Nahrungsergänzungsmittel – Risiko: Positiv! Dr. Anne Jakob-Milicia

By GRR 0

Dr. Anne Jakob-Milicia war Referentin bei der GRR-Jahresmitgliederversammlung 2012 in Bräunlingen im Schwarzwald.

Nahrungsergänzungsmittel (NEM) werden von vielen Leichtathleten konsumiert. Obwohl eine ausgewogene Ernährung für Leistungs- und Hochleistungssportler, auch Ausdauersportler, ausreichend ist, glauben viele Athleten, ihren Energie- und Nährstoffbedarf zusätzlich decken zu müssen.

NEM sind Lebensmitteln, die einen oder mehrere Nährstoffe in konzentrierter Form enthalten, aber kaum Energie liefern. Bei der Anwendung von NEM unterscheidet man zwischen Substitution und Einnahme von Supplementen. Bei der Substitution werden durch körperliche Anstrengung verloren gegangene Substanzen ersetzt, um die Regeneration des Körpers zu beschleunigen. Die Einnahme von Supplementen dient der Leistungssteigerung und geht über den reinen Ersatz hinaus.

Persönliche Gründe für die Anwendung von NEM sind unterschiedlicher Art, dürften jedoch in erster Linie psychischer Natur sein. Oft wird die eigene Ernährungsqualität unterschätzt oder der Empfehlung von Eltern, Trainer oder Mannschaftskameraden ohne Hintergrundwissen gefolgt. Ein leistungssteigernder Effekt durch die Einnahme von NEM konnte bisher in keiner Studie nachgewiesen werden, unabhängig von der Dosierung. Die Ansprüche der Konsumenten zielen in erster Linie auf eine schnellere Regeneration, spätere Ermüdung und weniger Infekte, aber auch verbesserte Leistungsfähigkeit und Muskelaufbau.

Die Breite der Anbieter der Kapseln, Pulver, Tabletten, Dragees usw. reicht von der Apotheke bis zum Supermarkt, vom Versandhandel bis zum Internetshop. Gegen die Einnahme von Nahrungsergänzungs- mitteln in physiologischer Dosierung ist prinzipiell nichts einzuwenden. Dennoch wird mit der Einnahme isolierter Wirkstoffe häufig ein Vielfaches der empfohlenen Tagesmenge des entsprechenden Nährstoffs aufgenommen. Dies belastet den Körper erheblich, insbesondere Nieren und Leber, müssen die aufgenommenen Stoffe doch vom Körper verarbeitet und ausgeschieden werden. Zudem kann bereits die einseitige Aufnahme eines oder mehrere Nährstoffe in das komplexe System von Resorption, Metabolismus und Wirkung der Substanzen im Körper eingreifen.

Fehler in der Ernährung werden durch die Einnahme von NEM nicht ausgeglichen, im Gegenteil, ungesundes Ernährungsverhalten könnte sich verfestigen. Der Gebrauch von NEM kann sogar mit Nebenwirkungen verbunden sein. So kann die Einnahme von Kreatin zu Durchfall, Muskelkrämpfen und Zunahme des Körpergewichts aufgrund von Wassereinlagerungen führen. Durch den erhöhten Zelldruck erhöht sich außerdem das Verletzungsrisiko. Zu bedenken ist auch, dass die Einnahme oder Injektion von Vitaminen zu einer Tablettenmentalität führen kann, von der es nur ein kleiner Schritt zum Einstieg in die Dopingmentalität ist.

Was daneben jeder Sportler aber immer bedenken sollte ist, dass er mit dem Konsum von NEM vor allem eines riskiert: einen positiven Dopingtest. Der Grund hierfür ist, dass zahlreiche NEM verunreinigt sind und bereits kleinste Verunreinigungen bei Dopingtests nachgewiesen werden. NEM können dem Dopingverbot unterliegende Steroidhormone bzw. deren Vorläufersubstanzen enthalten. Gefährlich daran ist, dass dies aus den Herstellerangaben auf Beipackzettel oder Verpackung nicht hervorgeht.

Weltweite Studien haben belegt, dass rund 15 Prozent aller geprüften NEM verbotene anabol-androgene Steroide (so genannte Prohormone) aufwiesen, die der Hersteller nicht deklariert hatte!

NEM fallen nicht unter das Arzneimittelgesetz. Daher sind für ihre Herstellung nicht die strengen Maßstäbe an wissenschaftlichen Studien in der Probephase, Überwachung der Produktion oder beim Verfassen der Packungsbeilage einzuhalten. Dies führt dazu, dass nicht alle Inhaltsstoffe deklariert werden, die Ausgangsstoffe bereits kontaminiert sind oder eine Kontaminierung des Produktes während der Produktion eintritt. Präparate mit Spuren von Prohormonen oder Hormonen sind nach dem Arzneimittelgesetz eigentlich keine NEM, sondern Arzneimittel. Für diese ist jedoch ein langer, kostenintensiver Zulassungsprozess zu durchlaufen. Vielfach scheuen den gerade ausländische Hersteller, weshalb sie die entsprechenden Inhaltsstoffe nicht deklarieren.

Während deutsche Hersteller bei der Produktion von NEM immerhin noch die Anforderungen des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes erfüllen müssen, ist häufig gerade bei osteuropäischen oder asiatischen Produkten nicht klar, wie der Produktionsprozess verläuft, welche Ausgangsstoffe verwendet werden und ob tatsächlich alle Inhaltsstoffe auf der Verpackung deklariert sind.

Beispielsweise können asiatische Tees Beimengen von Ephedrin enthalten. Die Chance, dass in ausländischen Präparaten oder in Präparaten, die über das Internet angeboten werden, oft von kleinen, unbekannten Herstellern ohne pharmazeutische Erfahrung, Spurenbeimengungen von auf der Verpackung nicht deklarierten Hormonen oder Prohormonen enthalten sind, ist daher relativ hoch. Da kann in den meisten Fällen auch der Apotheker oder die Apothekerin nicht weiterhelfen.

Die gezielte Prüfung und Kontrolle eines bestimmten Präparates, etwa durch den Hersteller oder ein Labor, kann das Risiko beim Konsum von NEM nicht beseitigen. Das Ergebnis gilt nämlich lediglich für das jeweilige Produkt und könnte bei der nächsten Charge desselben Produkts bereits wieder anders ausfallen.

Konsumieren Athleten kontaminierte NEM, kann eine im Rahmen von Dopingkontrollen abgegebene Urinprobe positiv analysiert werden, etwa auf den Nandrolonmetaboliten Norandrosteron. Nach den geltenden IAAF- und DLV-Dopingreglements erfüllt ein solch positiver Test den Tatbestand des Dopings. Die rechtlichen Folgen sind gemeinhin bekannt: es folgt eine Sperre von zwei Jahren.

Weist der betroffene Sportler zweifelsfrei nach, dass der positive Befund eindeutig auf die Einnahme des NEM zurück zu führen ist, dann wird keine Sperre verhängt. Der Sportler hat zudem einen Schadenersatzanspruch gegen den Hersteller, weil ein NEM mit Hormonen oder Prohormonen eben kein NEM sondern ein Arzneimittel ist und deshalb einer Zulassung bedurft hätte. In der Realität ist der erforderliche Nachweis freilich selten gelungen. Oftmals erfolgt der positive Test nach dem vollständigen Verbrauch des verunreinigten Präparates, so dass man dieses keiner Prüfung auf Verunreinigung mehr unterziehen kann.

Wer dennoch meint, NEM zu benötigen, sollte eine Fachperson aufsuchen und sicherstellen, dass eine professionelle Beratung und Betreuung erfolgt. Es sollte dann auf Präparate zurückgegriffen werden, die in der Roten Liste stehen. Dort sind die nach dem Arzneimittelgesetz zugelassenen Präparate mit allen Inhaltsstoffen aufgeführt. Sie können somit als relativ risikoarm eingestuft werden.

Und noch etwas sollte man beim Kauf und Konsum von NEM beachten: Die Wirksamkeit von Nahrungsergänzungsmitteln muss nicht nachgewiesen werden. Internationale Studien ergaben, dass ca. 50 Prozent aller untersuchter Nahrungsergänzungsmittel keinerlei physiologische Wirkung zeigten! Bei den oftmals recht hohen Preisen, die Hersteller und Vertreiber für ihre gepriesenen Mittel verlangen, ein bedenklicher Umstand.

Dr. Anne Jakob-Milicia, LL.M., Rechtsanwältin, Frankfurt

 

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author: GRR

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