Start zum Tiberias-Marathon 2013. (Foto: Veranstalter) ©Veranstalter
36. WINNER Tiberias-Marathon: Die Prämie für den Streckenrekord verpasst – Helmut Winter berichtet
Nachdem in der letzten Woche der Marathon im chinesischen Xiamen einen neuen Streckenrekord verzeichnen konnte, geht die Tempojagd über die Marathondistanz in den kommenden Tagen ohne Pause weiter. Mit der sehr guten Zeit von 2:07:32 gewann am letzten Freitag der Äthiopier Negari Terfa den Marathonlauf in Xiamen, bei dem insgesamt über 70.000 Teilnehmer am Start waren.
Immer wieder setzte das chinesische Fernsehen in eindrucksvollen Einstellungen die Läufermassen in Szene, sehenswert war aber auch das Finale des Äthiopiers, der von der 40 km-Marke bis ins Ziel herausragende 6:13 Minuten benötigte. Durch wenig sinnvolle Zwischenspurts nach 30 km wurde aber eine noch bessere Zeit am Ende verpasst. Mittlerweile auch mit dem Gold Label der IAAF versehen, hat sich der Lauf in Xiamen fest in der internationalen Marathonszene etabliert, liefert in der noch jungen Saison stets beeindruckende erste Bestmarken und hat glänzende Perspektiven.
Und obwohl die Zeit des Siegers auch in diesem Jahr mit gut 2:07 wieder hochwertig ausfällt, dürfte deren Lebensdauer trotz der Wintermonate wieder recht kurz bemessen sein. Mittlerweile hat sich der Januar im Marathon zu einer der leistungsstärksten Monate des Jahres entwickelt. Im letzten Jahr wurde weltweit die Schallmauer zur Weltklasse von 2:08 insgesamt 93mal unterboten, eine in der Tat beeindruckende Zahl. Gleichfalls erstaunlich ist, dass bereits im Januar 2012 dies schon 21mal realisiert wurde, und selbst der Monat April mit allen Frühjahrsklassikern (Rotterdam, Paris, London, Hamburg, Boston, Seoul, etc.) war mit 23 Zeiten nur unwesentlich besser.
Das liegt auch an den Veranstaltungen die aktuell über die Bühne gehen. Noch etwas gewöhnungsbedürftig gehört der Tiberias-Marathon in Israel dazu, wo der Kurs auf einer Wendepunktstrecke am See Genezareth bis zum durch den Sechstagekrieg bekanntgewordenen Kibbuz Ein Gev verläuft. Im letzten Jahr sorgte dieser Lauf durch die Siegerzeit von 2:07:30 durch den Franzosen Patrick Twambe sowie drei weiteren Läufern unter 2:08 für Aufsehen. Dass die Erwartungen auch in diesem Jahr hoch waren, zeigte ein Blick in die Starterliste, die für einen Lauf dieser Kategorie unerwartet hochklassig war.
2 Läufer mit Bestzeiten von unter 2:07, 7 unter 2:08, 15 unter 2:09 und sogar 24 unter 2:10 liegen schon in Dimensionen der Großen der Szene. Nachgeholfen hat dabei sicherlich eine Rekordprämie von 100.000 US$ für eine Verbesserung des Streckenrekords. Übrigens liegt der See Genezareth etwa 200 m unterhalb des Meeresspiegels, womit Tiberias der einzige Spitzenmarathon unter Meeresniveau ist.
Die Aussichten für eine Rekordjagd bei diesem Lauf waren in den letzten Tagen denkbar schlecht, der Norden Israels wird momentan von schweren Unwettern heimgesucht. Straßen sind überschwemmt, in Jerusalem herrscht Schneechaos und Stürme ziehen über das Land. Deshalb war die Begeisterung bei den gut 2000 Startern über die volle Marathondistanz groß, als sie bei optimalen Temperaturen um 10°C von einem kaum bedeckten Himmel begrüßt wurden. Somit auch gute Bedingungen für die Topathleten. Allerdings blies ein strammer Südost-Wind mit bis zu 10 km/h, der bei der Rekordjagd eine nicht unwesentliche Rolle spielen sollte.
Denn als es bis zum Ausfluss des Jordans am südlichen Ende des Sees 10 km in südöstlicher Richtung ging, da zeigte der Wind bei der über 20-köpfigen Spitzengruppe Wirkung. Nach wenig Rekord-trächtigen 16:04 für die ersten 5 km passierte man die 10 km nach 31:41 und lag damit auf Kurs von über 2:13 Stunden, der Rekord war damit schon außer Reichweite.
Mit 5 km Abschnitten von 15:02 und schnellen 14:46 erreichte man die 20 km in 1:01:29 und die Wende beim Halbmarathon in 1:04:46. Damit war immerhin eine Zeit von unter 2:10 Stunden für die etwa 20 Läufer an der Spitze in Reichweite. Nun wieder gegen den Wind wurde man mit 5 km-Abschnitten von 15:18 und 15:36 zwar etwas langsamer, hielt aber bis 30 km das Tempo im Bereich von 2:10.
Als es nun mit dem Wind wieder Richtung Tiberias ging, „explodierte“ das Rennen regelrecht. Sechs Läufer, die Kenianer Ondoro, Larabal und Wahome sowie die Äthiopier Melka, Tadesse und Kasaya sprengten die große Spitzengruppe und legten eine aberwitzige Temposteigerung hin. 14:38 und 14:35 betrugen die 5 km-Abschnitte nach 40 km, die man in 2:01:36 zurücklegte. Im Schlusspart war dann der Kenianer Dominic Ondoro der Schnellste, der sich in 2:08:00 noch von seinem stärksten Kontrahenten Deribe Robi Melka in 2:08:10 absetzen konnte.
Und obwohl er auch den Part von 40 km bis ins Ziel noch einmal in sehr guten 6:24 spurtete, reichte es am Ende nicht mehr zum Streckenrekord aus dem Vorjahr, der um 30 Sekunden verpasst wurde. Diese 30 Sekunden hatten erhebliche Konsequenzen, denn statt der Rekordprämie von 100.000 US$ gab es mit 20000 US$ nur 1/5 dieser Summe. Verpasst wurde der Rekord bereits auf den ersten 10 km, die schnellen Abschnitte belegen aber auch das Potential für deutlich bessere Zeiten.
Dafür verbesserte der Sieger seine Bestzeit erheblich, bisher war der 25jährige Läufer beim Brighton-Marathon 2012 nur 2:12:20 gelaufen, und auch Melka übertraf seinen Hausrekord vom Eindhoven-Marathon 2011 in 2:08:40. Hinter den Beiden sorgten die Nächstplatzierten für ein sehr gutes Ergebnis in der breiteren Spitze. Francis Larabal wurde Dritter in 2:08:31 vor Raya Tadesse in 2:08:46. Am Ende schafften 6 Läufer eine Zeit unter 2:10, 13 blieben unter 2:13. Dabei spielten die Topläufer mit den besten Vorleistungen keine große Rolle.
Im Vergleich dazu war das Leistungsniveau bei den Frauen eher bescheiden, was sich schon in der Zwischenzeit beim Halbmarathon von 1:21:13 andeutete. Es gewann die Äthiopierin Ashere Bekere Dido in 2:40.22.
Die Tempojagden über die Marathondistanz gehen bereits am Sonntag weiter, dann startet der Houston-Marathon mit der vermeintlich besten Besetzung seiner Geschichte. Racedirector Brant Kotch hat in der Tat ein Weltklassefeld verpflichten können. Im Marathon sind das Bazu Worku, Debebe Tolassa und Teferi Balcha, im Halbmarathon planen sogar Atsedu Tesfaye, Wilson Erupe, Deriba Merga sowie Feyisa Lilesa einen Angriff auf den Weltrekord von Tadesse (58:23). Am 20. Januar geht es dann im indischen Mumbai zur Sache, wo der Streckenrekord von 2:09:54 in Gefahr und u. a der Gewinner des Paris-Marathons 2012 in 2:06:24, Girma Assefa, am Start ist. Mit Abraham Girma (2:06:28, Amsterdam 2012) ist dort noch ein weiterer Läufer mit einer Zeit unter 2:07 gemeldet.
Und absolute Höchstleistungen darf man dann wieder am 25. Januar in Dubai erwarten, wo u.a. Moses Mosop (2:03:06, 2:05:05) und Yemane Tsegay (2:04:48) ihre Tempojagd beim Rotterdam-Marathon 2012 fortsetzen wollen. Mit dabei auch Martin Lel (2:05:05) und wieder viele junge Nachwuchsathleten, die wie im Vorjahr (Lauf-)Geschichte im Emirat schreiben wollen. Besonders gespannt darf man dabei auf das Debut von Ali Abdosh sein, der auf den Unterdistanzen hochkarätig ausgewiesen ist.
Helmut Winter
Ergebnis Männer (alle Zeiten noch inoffiziell):
1 |
Dominic Ondoro |
KEN |
2:08:00 |
2 |
Deribe Robi Melka |
ETH |
2:08:10 |
3 |
Francis Kibiwott Larabal |
KEN |
2:08:31 |
4 |
Raya Dereje Tadesse |
ETH |
2:08:46 |
5 |
Sisay Lemma Kasaya |
ETH |
2:09:08 |
6 |
Julius Muriuki Wahome |
KEN |
2:09:08 |
7 |
Edeo Mamo Telo |
ETH |
2:10:31 |
8 |
Senbeto Genteli Guteta |
ETH |
2:11:12 |
9 |
Kiprotich Kirui |
KEN |
2:11:55 |
10 |
Patrick Wachira |
KEN |
2:12:15 |
11 |
Abraba Kiprotich |
FRA |
2:12:29 |
12 |
Joel Kipsang Kositany |
KEN |
2:12:56 |
13 |
Isaac Kipkemboi Kosgei |
KEN |
2:12:59 |
14 |
Berhanu Girma Degefa |
ETH |
2:13:36 |
15 |
Abiyot Guta Duguma |
ETH |
2:14:49
|
Splits der Spitze
5 km |
16:04 |
|
10 km |
31:41 |
15:37 |
15 km |
46:43 |
15:02 |
20 km |
1:01:29 |
14:46 |
HM |
1:04:47 |
|
25 km |
1:16:47 |
15:18 |
30 km |
1:32:23 |
15:36 |
35 km |
1:47:01 |
14:38 |
40 km |
2:01:36 |
14:35 |
Ziel |
2:08:00 |
6:24 |
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