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2013

2012 London Olympic Games London, England Aug03-12 2012 Photo: JeanPierre Durand@Photo Run Victah1111@aol.com 631-741-1865 www.photorun.NET

29. Indoor Meeting/ Weltklasse in Karlsruhe: 5 Weltjahresbestleistungen unter dem Europahalle-Dach – Wilfried Raatz berichtet

By GRR 0

Die reine Zahlenbilanz des 29. Indoor Meeting/ Weltklasse in Karlsruhe ist beeindruckend: 5 Weltjahres-bestleistungen, 2 nationale Rekorde, 5 Europajahresbestleistungen, 2 Deutsche Jahresbestleistungen – und das vor 4.200 Zuschauern in der offiziell ausverkauften Karlsruher Europahalle (auch wenn auch einige Plätze am überaus unterhaltsamen Nachmittag frei blieben).

Sie sind aber keineswegs das, was unter dem Strich vorrangige Beachtung finden sollte. Es ist wohl auch die nachhaltig gute Unterhaltung, die den Leichtathletikfans unter der Regie von Meeting-Direktor Klaus Hoffmann und Athleten-Direktor Alain Blondel in knapp zwei Stunden angeboten wurde. Die großen Knaller jedenfalls fehlten, allerdings wäre es falsch, ein Meeting vorrangig an Rekorden und Bestmarken festzumachen.

Vielmehr kommt es auf das Gesamtpaket an – und das stimmt offensichtlich im Badischen. Wenngleich der frühere Zehnkampfstar Alain Blondel vielleicht vom topbesetzten Stabhochsprung-wettbewerb eher unterkühlt bilanzierte: „Man kann schon erwarten, wenn man zum Beispiel den Stabhochsprung (Anm. der Redaktion: …mit den drei Medaillengewinnern der Olympischen Spiele 2012) betrachtet, dass der Meetingrekord von Sergey Bubka fallen wird, der schließlich schon über 20 Jahre alt ist“.

Oder Verena Seiler über das eine oder andere Tausendstelsekunden sinnierte, die die 100 m-Europameisterin bei Zeitgleichheit von 7,19 Sekunden hinter der bulgarischen Olympiavierten Ivet Lalova in einem überaus spannenden 60 m-Sprintfinale zurücklag. Unter dem Strich ein feines Indoor-Meeting, das schon unmittelbar nach Ende der Veranstaltung Lust auf die 30. Auflage Anfang Februar 2014 macht.

Hier das Duell der stärksten europäischen Sprinterinnen Ivet Lalova und Verena Seiler, das deutsch-französische Kräftemessen der Stabartisten mit dem Sieg des Olympiasiegers Renauld Lavillenie (5,83 m) vor Björn Otto (5,73 m), Hendrik Gruber (5,55 m) und Raphael Holzdeppe (5,55 m) bei einem Saltonullo von Malte Mohr (bei der Einstiegshöhe von 5,45 m), dort der starke Auftritt des neuen 60 m-Hürden-Weltjahresbesten Orlando Ortega (im Halbfinale 7,54, im Finale 7,60 Sekunden) oder der 8,01 m-Weitsprungsieg von Christian Reif – die Highlights setzten jedenfalls die Mittelstrecken unter dem Hallendach.

Bei durchweg exzellenten Besetzungen setzten Kevin Lopez (Spanien) über 800 m (1:46,72), Bernard Lagat (USA) über 3000 m (7:34.71), Genzebe Dibaba (Äthiopien) über 1500 m (4:02,25) und Meseret Defar (Äthiopien) über 3000 m (8:35,28) neue Weltjahresbestmarken, zudem der französische Hindernisläufer Mahiedine Mekhissi mit der europäischen Jahresbestmarke von 3:36,95 Minuten über 1500 m neue Maßstäbe.

Ob diese allerdings in der allmählich erst auf Touren kommenden Indoor-Saison lange Bestand haben werden, das wird von der Qualität der im Wochentakt folgenden Meetings ab. Karlsruhe jedenfalls hat einem kräftig vorgelegt…

Beginnen wir unseren Blick auf die Laufwettbewerbe gemäß dem Zeitplan. Nach einem flotten Beginn im 1500 m-Lauf der Männer durch den Kenianer Cornelius Ndiwa profitierte alleine der Franzose Mahiedine Mekhissi mit einer Flucht nach vorne nach der 1000 m-Marke. Der zweimalige Olympiazweite und Europameister im 3000 m-Hindernislauf zeigte sich der 1500 m-Konkurrenz klar überlegen und lief in 3:36,95 Minuten die bislang schnellste Zeit in Europa, weltweit liegt die Messlatte von Galen Rupp (USA) auf 3:34,78 Minuten.

„Der Tempomacher lief anfangs viel zu schnell, deshalb war es sehr hart am Ende. Das war heute mein drittes Hallenrennen überhaupt“, gestand der gebürtige Marokkaner. Der Äthiopier Teshome Dirirsa kam als erster Verfolger zwar in der Schlussrunde zwar etwas näher, aber ernsthaft konnte der U 18-Weltmeister das Hindernisass nicht mehr gefährden. Für den 18jährigen blieb die Elektronik bei 3:37,64 stehen. Dritte wurde übrigens der 800 m-Europameister von Barcelona (2010) in 3:38:58 Minuten.

Für Florian Orth (LG Telis Finanz Regensburg) erfüllten sich die Hoffnungen auf ein schnelles Resultat hingegen in diesem Rennen nicht. „Ich hatte gehofft, dass das Rennen für uns etwas schneller werden würde. Aber das ist immer, wenn zu viele gleichstarke Läufer im Feld sind!“ Im dichten Gedränge schoben sich in der Schlussrunde noch zwei Läufer an dem Regensburger vorbei, so blieb für den eigentlich Spurtstarken nur Rang fünf in 3:39,97 Minuten. „Das wird natürlich bei der Hallen-EM ähnlich werden, denn dort dürfte ebenso taktisch gelaufen werden. Deshalb werde ich im Trainingslager an meinem Spurt arbeiten müssen!“

Für Florian Orth, der bereits beim Länderkampf in Glasgow die EM-Norm abhaken konnte, geht es bereits am Montag mit dem LG Telis-Team nach Monte Gordo nach Portugal, bevor die Saisonhöhepunkte mit den deutschen Meisterschaften und der Hallen-Europameisterschaften anstehen werden.

Zehn Minuten später war mit Corinna Harrer ein weiterer Topathlet der LG Telis Finanz Regensburg an der Reihe – im 3000 m-Lauf der Frauen. Irgendwie jedoch drehte sich rundenlang das Rennen für die Hallenmoderatoren nur um die zweifache Olympiasiegerin und 3000 m-Hallen-Weltrekordlerin Meseret Defar, die sich im Schlepp ihrer Tempomacherin Gete Dima mehr und mehr vom „Rest“ des starken Feldes entfernen konnte. Ihr eigener Weltrekord von 8:23,72 (gelaufen in Stuttgart 2007) war in keiner Phase des Rennens in Griffweite – und dennoch schien sich alles nur um die 30jährige Äthiopierin zu drehen.

Kein Wort über die zweifache Cross-Europameisterin Finnuala Britton, über die U 23-Europameisterin Layes Abdullayeva oder gar über Corinna Harrer, der deutschen 3000 m-Hallenmeisterin und 1500 m-Freiluftmeisterin des Vorjahres.

Dies sollte sich erst gegen Ende des Rennens ändern, als sich die 22jährige Studentin für Internationales Management in einem überaus gleichmäßig vorgetragenen Rennen sowohl von Layes als auch von Finnuala lösen konnte – und als letztlich umjubelte Zweite in der europäischen Jahresbestzeit von 8:51,04 Minuten hinter Meseret Defar (8:35,28) über die Ziellinie lief.

„Cool. Damit habe ich auch die EM-Norm über 3000 m von 9:02 klar unterboten! Das war ein ideales Rennen für mich, nachdem ich anfangs sogar Angst hatte, von Meseret Defar überrundet zu werden!“ Ein super Auftakt in das WM-Jahr 2013 für „Coco“, die gerne als Zwischenetappe bei den Hallen-Europameister-schaften in Göteborg über eben diese 3000 m-Distanz starten möchte. „In Monte Gordo kann ich nun an den Feinschliff gehen, mein Ziel ist in Göteborg eine Zeit unter 8:50! Voraussetzung ist natürlich, dass das Finale auch so schnell werden wird!“

Natürlich stand die sympathische Regensburgerin im Mittelpunkt der vielen kleinen Autogrammjäger in der Europahalle. Sie konnte das Hallenmeeting letztlich Minute um Minute genießen, denn bislang war sie noch nie bei einem reinen Hallenmeeting gestartet, sondern nur bei Meisterschaften in der Halle.
          
Wie ihre Landsfrau Meseret Defar sorgte auch deren Landsfrau Genzebe Dibaba im 1500 m-Lauf der Frauen für eine furiose Tempojagd, die zunächst durch die amerikanische Tempomacherin Bethany Praska geführt wurde. Mit 4:02,25 Minuten gab es für die Hallenweltmeisterin und Vorjahressiegerin in der Europahalle keine ernsthafte Konkurrenz. Im dichten Zieleinlauf der Verfolgerinnen konnte sich die routinierte Polin Angelika Cichocka in 4:11,79 gegen die Spanierin Isabel Macias (4:12,06) durchsetzen.

Und Elina Sujew, seit 2013 im Dress des LT Haspa Marathon Hamburg? Die Potsdamerin lief ein gutes Rennen – bis in die letzte Runde hinein, wurde abgehängt und lief mit 4:14,27 ebenso deutlich über der EM-Norm von 4:11 Minuten ins Ziel wie Annett Horna (LC Rehlingen/ 4:14,95). „Bis 300 m vor dem Ziel habe ich mich auch gut gefühlt, den Einbruch in der Schlussrunde müssen wir erst analysieren!“ so die enttäuschte frühere U 20-EM-Dritte. „In Hamburg war ich im Januar schon im Alleingang eine 4:17 gelaufen. Vom Training her hatte sich eine ganz andere Endzeit angedeutet….!“

Gerne wäre Arne Gabius nach seinem furiosen Rennen im vergangenen Jahr von 7:38,13 Minuten heuer wieder im Klassefeld über 3000 m der Männer am Start gewesen, doch gesundheitliche Probleme ließen alleine eine Zuschauerrolle auf den Rängen der Europahalle zu. Und der Tübinger Arzt wurde Zeuge, wie der fünffache Weltmeister Bernard Lagat seiner Favoritenrolle gerecht wurde und in der Schlussphase des lange Zeit ausgeglichenen Rennens unwiderstehlich auf und davon ziehen konnte.

Mit 7:34:71 lag der bereits 39(!)jährige US-Amerikaner mit kenianischen Wurzeln im Generationenduell klar vor dem 22jährigen Äthiopier Yenew Alamirew, dem viertschnellsten 3000 m-Hallenläufer aller Zeiten (!) und Hayle Ibrahimov, der mit 7:41:46 nationalen Rekord für Aserbaidschan sogar laufen konnte, offensichtlich aber ostafrikanische Wurzeln hat.

Und Augustine Kiprono Choge, der Vizeweltmeister der Titelkämpfe 2012 von Istanbul? Der Kenianer landete mit einem schwachen Schlusskilometer letztlich nur auf Rang fünf mit 7:48,64 Minuten – zwanzig Sekunden langsamer als bei seinem Vorjahressieg in der Europahalle. „Ja, ich war wirklich überrascht, dass niemand mehr vor mir lief. Normalerweise bin ich jemand, der gerne die anderen jagt!“ zeigte sich Bernard Lagat überrascht über seine ungewohnte Rolle, kann aber nach seiner aktuellen Weltjahresbestzeit die weiteren Saisonziele angehen, die ihm am 16. Februar in New York einen neuen US-Rekord über zwei Meilen bescheren soll.      

In einem Fotofinish überraschte der Spanier Kevin Lopez im 800 m-Lauf der Männer sich und die Konkurrenz mit dem Polen Adam Kszczot, dem Hallen-WM-Vierten 2012 und Olympia-Semifinalist, an der Spitze. In 1:46,72 Minuten gab es für den Hallen-EM-Dritten 2011 einen überraschenden Zieleinlauf, der mit der aktuellen Weltjahresbestzeit eine unverhoffte Krönung erhielt. Vier Hundertstelsekunden folgte dann der eigentliche Rennfavorit, der schon in der Schlussrunde nach einem furiosen Zwischenspurt wie die der sichere Sieger ausgesehen hatte.

Im Duell der Landesmeister setzte sich im Kampf um Rang drei der Italiener Giordano Benedetti (1:48,01) ebenso hauchdünn gegen den Briten Joe Thomas mit drei Hundertstelsekunden durch. Deutsche Mittelstreckler machten bis auf Florian Orth leider um das Karlsruher Indoor Meeting einen weiten Bogen herum.

Im Vorprogramm durften viele regionale Leichtathleten „internationales Hallenflair“ schnuppern. Wir werfen gerne einen Blick auf die Nachwuchsläufe.

Einen erfrischenden Auftritt absolvierte dabei Marie Fee Breyer im 1000 m-Lauf der U 18 Frauen. Der 16jährigen vom TV Munzingen gelang dabei ein eindrucksvoller Start-Ziel-Sieg mit einer schnellen Endzeit von 2:57,27 Minuten. „Ein wahnsinniges Erlebnis vor so einer Kulisse“, gestand Marie Fee, die im vergangenen Jahr bei den deutschen B-Jugendmeisterschaften über 1500 m zur Bronzemedaille gelaufen war. „Unter 4:30“, so ist ihre kurze und knappe Einschätzung, wie sie ihre weiteren Wettkämpfe plant und diese geht in Richtung Jugend-Hallenmeisterschaften. Sechs Sekunden dahinter folgten nahezu gleichauf Jana Reinert (SV Langensteinbach) und die aus dem Elsaß stammenden Lisa Zimmermann mit 3:03,13 bzw. 3:03,55 Minuten.

Im 800 m-Rennen der U 23-Frauen gewann Felizitas Müller das Duell gegen ihre Zwillingsschwester Ester in 2:13,63 gegen 2:13,75 Minuten. Die beiden 21jährigen Ottersdörferinnen ließen der Konkurrenz nicht die Spur einer Chance.

Sehr zur Freude von Dieter Baumann, der das Patronat des Indoor Meeting Jugend-Cup übernommen hatte, gewann mit Jan Hoffmann ein Talent des LAV Stadtwerke Tübingen das 1000 m-Rennen der U 18 Männer. „Heute wurde ich nicht richtig gefordert“ freute sich der Schützling von Isabelle Baumann, der gerne im Sommer die WM-Norm von 1:51,5 Minuten packen möchte. In 2:32,24 Minuten setzte sich der 800 m-BaWü-Hallenmeister sicher gegen Rudolf Sämann (TV Plochingen/ 2:33,80) durch.

Einen Heimsieg gab es für LG Region Karlsruhe im 1500 m-Lauf der U 23 Männer. Mit einem „Turbo-Sprint“ überraschte letztlich auch sich selbst der 21jährige Jannik Arbogast nach 3:55,81 Minuten gegen Sebastian Karl (TV Lahr/ 3:55,88) und Boris Rein (LV Pliezhausen/ 3:56,12). „Ich weiß selbst nicht, wo ich das hergeholt habe“ freute sich der Schützling von Günther Scheefer.

 

Wilfried Raatz

author: GRR

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