Michael Reinsch, Berlin in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung - Amerikanische Anti-Doping-Agentur Gut finanziert und unabhängig ©privat
Amerikanische Anti-Doping-Agentur Gut finanziert und unabhängig – Michael Reinsch, Berlin in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung
30.01.2013 · Travis Tygart ist der erste Star der Dopingbekämpfung. Trotz Todesdrohungen brachte er Lance Armstrong zu Fall. Tygart erklärte nun dem Bundestag, warum die amerikanische Anti-Doping-Agentur der deutschen überlegen ist.
Er sei geschockt, sagte Travis Tygart, zu erfahren, dass in Deutschland manche Verbände Doping-Kontrollen ihrer Athleten immer noch selbst vornähmen. Der Fußball zum Beispiel. „Das geht nicht“, sagte der Vorstandsvorsitzende der amerikanischen Anti-Doping-Agentur (Usada).
In jahrelangem Kampf hat er trotz politischen, publizistischen und juristischen Widerstands und sogar Todesdrohungen Lance Armstrong zu Fall gebracht und die Aberkennung von dessen sieben Siegen bei der Tour de France erreicht. So ist er zum Star der Doping-Bekämpfung geworden.
Und deshalb hatte der Sportausschuss des Deutschen Bundestages ihn zu seiner ersten öffentlichen Sitzung seit langer Zeit eingeladen. Tygart sollte verraten, wie es geht.
Die Usada erscheine wie ein mächtiger Löwe und ein schlauer Fuchs, sagte der SPD-Abgeordnete Martin Gerster, während die deutsche Nada als handzahmes Kätzchen daherkomme. Doch auch wie es nicht geht, schrieb Tygart den Abgeordneten ins Stammbuch. Ein Verband sei auch für die Vermarktung seiner Sportart, seiner Veranstaltung und seiner Athleten zuständig; dies passe nicht zu dem Bestreben, Sportler am Doping zu hindern.
Am Beispiel des Welt-Radsportverbandes UCI beschrieb Tygart diese handfeste Kollision von Interessen. Bei der Kalifornien-Rundfahrt habe die UCI die Doping-Kontrollen vorgenommen. Auf Epo-Tests verzichtete sie und machte dies auch den Fahrern bekannt. Wer also mit Epo dopte, konnte sicher sein, nicht erwischt zu werden. Auch im Fall Armstrong versuche die UCI, sagte Tygart, der Affäre einen Ausgang in ihrem eigenen Interesse zu geben. Damit spielte er auf die Weigerung an, eine Art Wahrheits- und Versöhnungskom-mission für den Radsport einzurichten und für Aussagen und Geständnisse Straffreiheit zu versprechen.
„Doping berührt den Kern unserer gemeinsamen Werte“
Tygart gab aber auch gern, was er sollte: ein Beispiel für die Doping-Bekämpfung in Deutschland. Er verwies auf sein Budget von 14,4 Millionen Dollar – reichlich doppelt so viel, wie der prekäre Etat des deutschen Pendants Nada von rund fünf Millionen Euro. Neun Millionen Dollar erhält die Usada vom Staat; auch Resourcen im privaten Sektor stabilisieren die Doping-Bekämpfung.
Tygart betonte auch die Unabhängigkeit seines Aufsichtsrats, der keinerlei Einfluss aufs Tagesgeschäft nähme und dessen zehn Mitglieder unter strenger Vermeidung von Interessenkonflikten keinerlei Interessen im Sport und in der Politik verfolgen dürften. Der Amerikaner kommentierte nicht, dass auch dies in Deutschland anders ist. Er vertrete Millionen von sauberen Athleten in Amerika, die von der Arbeit der Usada abhingen. Doping und dessen Bekämpfung bestimmten die Zukunft des Sports, gewiss, doch Tygart fasste die Aufgabe viel weiter: „Doping berührt den Kern unserer gemeinsamen Werte.“
Keine „saubere“ Generation?
Vor 41 Jahren in Jacksonville in Florida geboren und dort aufgewachsen, studierte der Basketball- und Baseballspieler Tygart zunächst Philosophie. Vier Jahre später entschloss er sich, Jurist zu werden. Auch in dieser Profession blieb er beim Sport: beim Nationalen Olympischen Komitee, bei Verbänden und in einer Kanzlei, die Athleten vertrat. Seit Gründung der Usada 2002 ist er bei ihr beschäftigt. 2007 übernahm er die Leitung. „Wir vertreten die Opfer“, sagte Tygart.
Im Kampf für einen fairen, sauberen Sport kooperiere er intensiv mit staatlichen Ermittlungsorganen, da er bei seiner Arbeit auch auf Hersteller, Schmuggler und Dealer von Doping-Mitteln stoße. Doping allerdings ist auch in den Vereinigten Staaten nicht gesetzlich verboten. Tygart führte mehrmals aus, dass ihm im Fall Armstrong keinerlei Ergebnisse des vor einem Jahr eingestellten staatlichen Verfahrens zur Verfügung standen. Er befragte jeden der bereits vernommenen elf Rennfahrer und 13 weitere Insider.
Dabei saßen aber Fahnder mit im Raum, die prüften, ob die Befragten von ihren Aussagen gegenüber der Staatsanwaltschaft abwichen.
Michael Reinsch, Berlin in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Mittwoch, dem 30. Januar 2013