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28
02
2013

Eine imposante Szenerie: Der Start auf dem Columbus Drive im Grant Park. Bis zum 13. Oktober werden auch die noch 15000 freien Startnummern ihre Träger oder Trägerinnen finden. ©Helmut Winter

Die World Marathon Majors (WMM): “Chicago Moves!” Das Anmeldeverfahren zum 36. Bank of America Chicago-Marathon macht Probleme – Helmut Winter berichtet

By GRR 0

Bezeichnenderweise lautete das Motto des letztjährigen Chicago-Marathons am 7. Oktober 2012 „Chicago Moves!“. Aktuell müsste der Leitspruch eher „Chicago Stops!“ lauten, denn etwas überraschend macht das Anmeldeverfahren für die diesjährige Ausgabe am 13. Oktober erhebliche Probleme.

Die Schwierigkeiten mit der Erfassung der Daten in den ersten vier Stunden der Anmeldung waren am Ende so groß, dass man nach etwa 30.000 Anmeldungen das Verfahren aussetzte und erst am heutigen Donnerstag (28.2.) um 15 Uhr Ortszeit mitteilen wird, wann und wie es mit der Vergabe der noch verbliebenen 15.000 Startplätzen weitergeht.

Wenn man um die Perfektion der Organisation in Chicago weiß und die gehörige Portion an Selbstvertrauen des rührigen Race-Directors Carey Pinkowski (lief selbst einmal den Marathon unter 2:20), nach dem man in der Nähe des Starts sogar eine Straße benannt hat, kennt, dann ist das schon eine Peinlichkeit, die äußerst ungelegen kommt. Denn nach den Rückschlägen, die die gleichfalls umtriebige Renndirektorin aus New York City, Mary Wittenberg, einstecken musste, traf nun ein weiteres Missgeschick das Mitglied der World Marathon Majors, der selbsternannten Eliteliga globaler Marathonevents.

Durch die Posse mit der Abschaffung des Kleidertransports geriet die gute Mary in New York City  in die Schlagzeilen, die sie zum Rückrudern zwang, und kurz danach kam es dann mit Wirbelsturm Sandy noch dicker, mit der berechtigten Kritik über den viel zu späten Zeitpunkt der Absage des Marathons.

Jetzt steht Chicago im Fokus der Öffentlichkeit und die Angelegenheit ist in der Tat peinlich.
In Zeiten, in denen die Organisation der großen Stadtmarathons im industriellen Maßstab über die Bühne geht, weitereifern die Topveranstaltungen – so eine Teilnahme nicht wie ein Glücksspiel organisiert wird – darum, möglichst schnell ausverkauft zu sein. Und dabei funktioniert der Trick der Kontingentierung fabelhaft, was die Anmeldeprozedur ungemein beschleunigt. Jeder will schließlich möglichst kostengünstig, d.h. sehr frühzeitig, dabei sein, auch wenn der Lauf erst über ein halbes Jahr später gestartet wird.

Wie dramatisch sich die Dinge diesbezüglich entwickeln, zeigte sich bei einem weiteren Marathon Majors Mitglied, dem Berlin-Marathon, wo sich vor zwei Jahren die Auffüllung der 40.000 Startplätze über 4 Monate hinzog, und selbst 2011 dauerte es noch 1 ½ Monate bis der Lauf ausgebucht war.

Am 25. Oktober 2012 gab es dann fast einen „Anmelde-Tsunami“: Nach nur 2 ½ Minuten waren bereits 10.000 Plätze gebucht. 3 ½ Stunden später lief in Berlin nichts mehr, nur noch die Computer-Server, die diesen immensen Datenstrom klaglos verarbeiteten; zumindest sich keine Klagen über die Anmeldung bekannt geworden.

Auf die Macher in Chicago ist offensichtlich ein ähnlicher „An-Sturm“ eingebrochen, der dort aber die Server, deren Software oder was immer in die Knie zwang. 45.000 Startplätze sind am Ufer des Lake Michigan zu vergeben. 51 Tage dauerte das 2010, 31 Tage 2011 und 6 Tage 2012. Man hätte nach den Ereignissen in Berlin vorgewarnt sein müssen. Und so kam es dann auch.

Innerhalb von Minuten wurden die Server des Daten-Providers in Chicago sprichwörtlich überrollt, nach schon wenigen Minuten lief es schleppend und nach gut einer Stunde gehörig daneben. Während immer mehr Laufbegeisterte keine Reaktion mehr auf ihren Bildschirm bekamen und nicht wussten, ob sie angemeldet waren, hatten andere gleich doppeltes „Glück“ und fanden sich sogar zweimal in den Anmeldelisten, allerdings wurde auch doppelt vom Konto abgebucht.

Die Sache schaukelte sich dann so auf, dass man nach 4 Stunden die Notbremse zog, das Verfahren anhielt und auf unbestimmte Zeit vertagte. Und dass das Problem viel gravierender ist, als zunächst vermutet, zeigt die Tatsache, dass trotz fieberhafter Arbeit erst am heutigen Donnerstag bekannt gegeben wird, wie es in Chicago weitergeht.

15.000 Startplätze sollen für den Lauf am 13. Oktober noch zu vergeben sein. Durch den Ausfall des New York City Marathons hatte Chicago im letzten Jahr mit 38.375 die meisten Finisher im weltweiten Vergleich. Diese Zahl überraschte im letzten Jahr selbst die Organisatoren, so dass nach 6 Stunden die Medaillen ausgingen.

Auch die Siegerzeit mit dem neuen Streckenrekord von 2:04:38 durch den Äthiopier Tsegaye Kebede war auf höchstem internationalen Niveau, Chicago vollzog endlich den Eintritt in den illustren Klub der sub-2:05 Eliteliga.

Dass es auch 2013 ein schnelles Rennen geben wird, steht außer Frage, dafür sind Ehrgeiz und Tradition in Chicago einfach zu hoch angesiedelt. Die Zeit der Weltrekorde bei Männern UND Frauen ist allerdings lange vorbei.

Verpflichtet wurde bereits der Amerikaner Dathan Ritzenhein, der im letzten Jahr mit 2:07:47 überzeugte und diesmal als ein weiterer „weißer“ Läufer in das Regime von 2:06 vordringen will. Realistisch scheint dieses Ansinnen des exzellenten Bahnläufers allemal, und es darf als sicher gelten, dass dann die 15.000 Plätze auch noch vergeben wurden.

Am 13. Oktober 2013 um 7:30 Uhr fällt der Startschuss zu einem der spektakulärsten Stadtläufe der Erde.

Eigentlich sind Computer ja viel schneller als Läufer. Aber die machen auch nur das, was man ihnen beigebracht hat. Und da ist man wieder bei dem treffenden Vergleich, dass auch Läufer nicht nur mit den Beinen laufen.

Auf die „Software“ kommt es an!

 

Helmut Winter

 

 

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author: GRR

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