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08
05
2013

Wir strahlen bei km 10/11, aber auch hinterher mit Sternchen und “Brilli“. ©Matznick

Spaziergang in Wien – Horst Matznick berichtet

By GRR 0

Der 14. April 2013 und somit der 30. Wien-Marathon sind gleich dem  tatsächlichen Frühlingsbeginn heute  bereits von gestern. Wie sehr hatten sicherlich alle die ersten echten, ungetrübten Sonnenstrahlen nach dem Endloswinter herbeigesehnt. Die Metropole an der Donau legte sich ins Zeug. Zwei Tage pralle Sonne und schon schoss das erste Kastaniengrün.

Wenngleich ich meine  läuferische Premiere vor Ort bereits 2009 hatte und einiges bereits kannte, war jetzt deutlich zu erkennen, wie sehr der Ehrgeiz gebrannt haben muss, eine wirklich erstklassige Laufveranstaltung mit Massenbeteiligung problemlos hinzubekommen und vor allem, um Erhebliches zu verbessern. 

Um es gleich zu sagen, es gab aus der verwöhnten Berlin-Marathon-Sicht nichts, woran zu mäkeln war, obwohl gleich mehrere Teilnehmerfelder am Start waren (Marathon/Halbmarathon/Staffelläufer/Innen). Masse bringt eben auch Kasse. Das haben Großstädte längst erkannt und arbeiten daran.

Wien sollte ein Genusslauf werden. Mein Wiener Freund Georg kündigte mit Startnummer 4820 nach 10jähriger Marathon-Abstinenz ausgerechnet jetzt zum Jubiläumslauf seinen Wiedereinstieg mit 4:15 – 4:25 Std. an. Das lag genau auf meiner Wellenlänge – ein Spaziergang. Gleichwohl Arroganz, besser, Hochmut kommt vor dem Fall, wie sich später herausstellen sollte.

Schon beim Start um 9°° Uhr schien die Sonne ziemlich unverschämt. Kaum ein Wölkchen war auszu-machen. Dennoch blühten im Prater beileibe noch nicht die Bäume, und so gab es auch keinen Schatten. Als mit dem Startschuss der Kaiserwalzer erklang, walzte das Läufervolk frohgemut über die Reichsbrücke, um nach der Lassallestrasse und dem Praterstern gleich links in den legendären Prater einzuschwenken.

Bei km 5 waren Georg und ich schon wieder draußen. Wir fühlten uns gut und beließen es bei 5:20/:30/km. Verheißungsvoll. Als 007 (StartNr. 6007) fühlte ich mich meinem Laufpartner verpflichtet, denn ich musste meinem Drang zu schnellerem  Passieren der km-Marken sehr heftig entgegensteuern, was sich sonst später für mich wahrscheinlich noch viel eher als Desaster erwiesen hätte, als es der spätere Fall war.

Halbmarathon schien verlockend, weil auch Marathonis in die Wertung gekommen wären, wenn Sie anderen Sinnes geworden wären  (meinetwegen auch mit der Begründung „zu viel Sonne ist ungesund“). Wir wollten auch nach den 1:55 bei halber Strecke noch weiter braun werden. Allerdings war der erste Sonnenbrand bei > 4 Stunden vorprogrammiert.

Alle historischen Plätze und Häuser im geschichtsträchtigen Wien entlang der Strecke, die wir beim läuferischen Sightseeing erleben konnten, hier zu erwähnen, sprengt den Rahmen. Nur sovielmal: Sparschwein plündern und selbst überzeugen.

Die Stadt ist nicht nur von immens hoher kultureller Vielfalt geprägt, liebenswert und interessant, sondern auch kulinarisch Extra-Klasse. Dass wir erneut durch unsere Wiener Freunde einen Hauch vom Flair dieser  1,7-Millionen-Stadt abseits der touristischen Trampelpfade genießen konnten, war das Sahnehäubchen. Dem Weaner Schmäh nachempfunden: Aaah, und es geht nix über die Mehlspaisn überhaupt (bitte notieren: Apfel-, Topfenstrudel, Palatschinken, Nockerln und Germ- oder Marillenknödel, uhnd  biittschön, saiens so liab, nicht auch noch Sachertorte, Mozartkugeln und die anderen Süchtigmacher; es ist genug).

Von den Kaffeehäusern ganz zu schweigen. Oder verlangt jemand nach einer Melange, einem Einspänner oder Verlängerten und noch 15 anderen Kaffee-Creationen zur Abgewöhnung der Capuccino-Connessione? Ah, ich könnte richtig ausholen….

Zurück zum Ereignis, das sich hinzog bis nach Schönbrunn und dann wieder zurück ins Innerstädtische. Als die Halbmarathonis (endlich) zum Heldentor einschwenkten, kehrte die gewünschte Platzfreiheit beim Beinschwung ein. Alsbald liefen wir entlang des Donaukanals und das gleich mehrmals, nämlich hin und rück. Hier war der Kurs wellig, mehrere Brückenquerungen erwiesen sich als Gift für Langstreckler. Erneut war bei km 29 der Prater erreicht, der uns beim 2. Mal mit  ca. 8,4 km als Endlosschleife erschien.

Es ist ja immer so wenn die Endphase anbricht, die letzten km scheinen bedeutend länger zu sein, als beim knackigen Beginn. Und ausgerechnet an lauschiger Stelle nach Umrundung des Lusthauses (heißt wirklich so). Als der Zielhauch langsam spürbar wurde, kam Punkt km 34 bei mir das Aus, und zwar so plötzlich, dass ich es gar nicht fassen konnte, was da passierte. Georg hatte sich richtig gut auf ein gleichmäßig ruhiges Tempo von 5:50 eingependelt, was an und für sich auf der 2. Hälfte durchaus meinen Intentionen entsprochen hätte, weil wir uns vom Knackpunkt  < 4 Std. schon verabschiedet hatten.

Meine eine Malaise begann mit blitzschlagartig heftigen Wirbelsäulenbeschwerden, die schmerzhaft signalisierten: „Heute, mein Freund, ist nicht dein Tag, obwohl alles gut begonnen hatte.“ Aufgeben? Wo denkt ihr hin? Es war mein 55. Marathon und die 30. Wiener Auflage. Mir war gewiss, mein Freund würde erfolgreich sein beim Comeback und – es schien die Sonne. Das lud wenigstens für Etappenmomente zum Spazieren ein. Dann wieder ein bisschen Traben, frei nach Galloway, dem amerikanischen Langlaufpapst, der für die Underdogs das Laufen-/Gehensystem propagierte.

Und als der Kärntner-/Opern-Ring auf den letzten  km erreicht war, hatte Georg längst vor mir unsere Göttergattinnen lächelnd passiert. Er kam kurz danach auf der allerletzten Königsmeile im Rechtsknick genau auf die gelbe Einlaufplanche zum Heldentor mit Blick auf die alte Hofburg in 4:05 an. Bravo. Er hatte sich die mit einem Svarowski-„Brillanten“ bestückte, golden schimmernde Sternmedaille mehr als verdient, auf die ich noch 14 Minuten länger warten musste, ehe ich sagen konnte: „So, das war`s.“

Vielleicht kann ich es so begründen: Ein Garten- und Naturfreund traf bei allerfeinstem Wetter eine Taube. Von der Begegnung angetan lud er tags darauf die Taube um 15°° Uhr zum Kaffee ein. Erst um 16°° erschien sie. „Warum kommst du denn erst jetzt?“ fragte der Gärtner. „Oooh, es ist soo schönes Wetter, darum bin ich gelaufen“, sagte die Taube. Ich hätte lieber ein Fahrradtaxi genommen.

Nach Zieleinlauf musste ich noch einmal ca. 4 km zum Hotel laufen, weil ich einen anderen Verabredungspunkt im Kopfe hatte, der natürlich falsch war. Doch alles geht vorüber, das Schönste und auch das Schlimmste. Aber so dramatisch war es nun doch nicht.

Vorbei ist vorbei – wenigstens beim Marathon. Heute am Montag danach, bereits wieder zu Hause, ist die Pein (und Schmach) von gestern längst im Anekdotensack vergraben. Auf ein Neues am 12. Mai in Prag mit anschließendem Relax-Besuch in  –  na?  – jawoll…in Vienna.

Horst Matznick

P.S. Der Clou von`s  Janze (man glaubt es nicht): Meine 4:19:30 reichten für Platz 3 bei den alten Zauseln.

author: GRR

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