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05
2013

©swiss runners

Die Vorstellung der schönsten Schweizer Läufe aus dem Heft „Swiss Runners 2013“ – Adolf Ogi als „Köfferliträger“ – Grand-Prix von Bern am 18.5.2013

By GRR 0

Niemand holt Filbert Bayi am Flughafen ab. Warum auch? Das Empfangskomitee des 20. Grand-Prix von Bern hat den Weltrekordhalter über 1500 Meter schon zwei Tage früher in Kloten erwartet. Leider habe Bayi den Flug von Dar es Salaam nach Zürich verpasst, teilt Suleiman Nyambui nach seiner Ankunft in Bern Athletenbetreuer Markus Ryffel mit.

Nyambui stammt wie Bayi aus Tansania. Ryffel ist enttäuscht – er hätte den Olympia-Zweiten im 3000-Meter-Hindernislauf von Moskau gerne beim Jubiläum 2001 als eine der Attraktionen präsentiert. So wie alle eingeladenen ehemaligen Sieger des Grand-Prix von Bern.

Aargauer Stalden im Anzug

Bayi macht sich an diesem Samstag also allein auf den Weg in die Bundesstadt. Müde vom langen Nachtflug, sitzt er im Zug und schwitzt vor sich hin. 87 Kilogramm wiegt der füllig gewordene Gentleman inzwischen – bei seinem Sieg am Grand-Prix von Bern 1984 brachte er bloss 60 Kilogramm auf die Waage. Er ist adrett gekleidet, als Schulleiter legt er Wert auf ein gepflegtes Äusseres. Bayi trägt ein Jackett, darunter ein buntes afrikanisches Buschhemd.

In Bern steigt er aus. Im Bahnhof meldet sich der 48-jährige Afrikaner bei der Polizei. Diese führt ihn samt Gepäck an den Bärengraben statt an den Start. Bayi hat sich falsch ausgedrückt. Das Thermometer zeigt 23 Grad an, über ganz Bern wolkenloser Himmel. Schweissperlen bilden sich auf Bayis Stirn, als er am Nachmittag mit zwei Rollköfferchen den Heartbreak-Hill am Aargauer Stalden in zügigem Tempo hochmarschiert. Die Zeit drängt, überall sieht er Athleten beim Warmlaufen.

Endlich erblickt der Mann im schicken Anzug das Startgelände beim Wankdorfstadion. Bayi fragt aufgeregt nach dem Speaker; Heinz Schild ist gerade unpässlich, denn er steht auf dem Turm, mitten im Startprozedere. Schild, Gründer des Klassikers über die 10 Meilen, delegiert die Sache kurzerhand an den neben ihm stehenden Ehrenstarter, Adolf Ogi. Der ehemalige Bundesrat und erste OK-Präsident des Berner Stadtlaufs begrüsst den prominenten Gast aus dem Land am Kilimandscharo in seiner unnachahmlichen jovialen Art.

Er nimmt ihm die Koffer ab und führt Bayi zu den Ehrengästen. Bayi staunt: Nicht er wird dauernd um Autogramme gefragt, sondern sein Köfferliträger. «Für mich war das nichts Aussergewöhnliches», sagt Ogi. «Auch älteren Damen habe ich gerne die Koffer getragen. So zum Beispiel der Ehefrau von alt Bundesrat Ernst Brugger auf dem Weg vom Bundeshaus zum Bahnhof.»

Überraschung am TV

Vier Tage später ist Filbert Bayi Gast bei den Ryffels in Allmendingen bei Bern. Es gibt Kaffee und Kuchen, im Fernsehen läuft die Sendung «10 vor 10». Berichtet wird aus New York; neben UNO-Generalsekretär Kofi Annan steht auf einmal der Köfferliträger – Adolf Ogi, Sonderbotschafter für Sport im Dienste von Entwicklung und Frieden. Filbert Bayi ist ausser sich, ruft: «Stopp, stopp! Das ist unglaublich! Ich kenne diesen Mann. Er hat meine Koffer getragen.» Nun wusste Bayi, weshalb Ogi und nicht er am
20. Grand-Prix von Bern Autogramme verteilen musste.

Dass Adolf Ogis Popularität ungebrochen ist, wurde Matthias Aebischer im vergangenen Jahr am 31. Grand-Prix von Bern vor Augen geführt. Der neue OK-Präsident weilte mit Ogi an der Strecke. «Es ist eindrücklich, wie beliebt der Magistrat im Volk ist. Überall winkten die Menschen Ogi zu», sagt der ehemalige TV-Journalist. Als Präsident will der Nationalrat den hohen Standard wahren und für eine tadellose Organisation sorgen. «Natürlich hoffen wir, in absehbarer Zeit die Schallmauer von 30 000 Teilnehmern zu knacken – aber nicht um jeden Preis.

Unser Motto heisst: «Qualität statt Quantität». »Letztes Jahr gab es mit 29.107 Anmeldungen einen Teilnehmerrekord. Innerhalb der Organisation habe man Pläne entwickelt, um auf neue Rekordzahlen zu reagieren», sagt der 45 Jahre alte Aebischer, der 18-mal selbst am GP teilgenommen hat und dessen Bestzeit aus dem Jahr 2002 bei 1:05:18 Stunden liegt.

«Bis 40 000 Läuferinnen und Läufer sind wir gewappnet.» Aebischer ist sich bewusst, was das bedeuten würde: «Der Engpass ist das Start-Ziel-Gelände. Dort müssen wir ab 35 000 Läufern ernsthafte Änderungen vornehmen.»

Mehr zum Grand Prix von Bern finden Sie hier.

 

Thomas Wälti (Berner Zeitung)

author: GRR

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