Grete Waitz - 1988 im Ziel des New York City Marathon ©Victah Sailer
Grete Waitz – die erste Marathon Weltmeisterin – Helsinki 1983 – Robert Hartmann berichtet – Edna Kiplagat (KEN) siegt beim WM Marathon in Daegu 2011 – HEUTE: MARATHON der Frauen
Wie sich die Zeiten doch ändern. Noch 1956 traute die Welt der Funktionäre, selbstverständlich männlich, dem schwachen Geschlecht nur Starts über eine Strecke von bis zu höchstens 200 Meter Länge zu. In Helsinki wanden sie den Marathonläuferinnen dagegen einen Lorbeerkranz und ihnen war höflich sogar das Recht auf den ersten Titel mit der damit verbundenen Publizität zugestanden worden.
Ladies first – die Gewöhnung schreitet rasch voran.
Doch hinter der nun so glänzend herausgeputzten Fassade lag ein 42,195 Kilometer langes fürchterlich welliges Asphaltband, das vorbeiführte an Parks, Nadelhölzern und silbrig in der Sonne glänzenden Seen. Diese Idylle ging in die Beine. »Es war kein Laufen, es war ein Durchbeißen von Anfang an«, beschrieb
später Monika Lövenich, als 15. die beste Deutsche, ihre Schritt für Schritt erlittene Mühsal.
Es war heiß, 25 Grad Celsius, und windig. Vögel, die morgens singen, frißt abends die Katz"! Die Kanadierin Jacqueline Gareau und die Irin Regina Joyce zwitscherten so lang, wie der Atemvorrat hielt; auf den ersten
15 und 30 Kilometern hatten sie nacheinander einen Vorsprung von fünfzig bis zu zweihundert Meter herausgeholt.
Die Katz hieß Grete Waitz, die bei Kilometer 34 ihre Bremsen lockerte und im Nu alle Mitstreiterinnen hinter sich ließ. Die Norwegerin benötigte für den Abschnitt 35 bis 38 Kilometer nur 9:36 Minuten, die Anstrengung
schien ihr nichts auszumachen, nur ihr nicht. Im Ziel betrug nach 2:28:09 Stunden ihr Vorsprung vor der Amerikanerin Marianne Dickerson — sie bezeichnete sich als eine Marathonistin mit nur neunmonatiger
Erfahrung — und Raisa Smeknowa drei Minuten.
Dahinter folgte die Europameisterin Rosa Mota, die Namensliste führte als zweitbeste Deutsche Christa Vahlensieck als 19. auf, und sie endete mit der Zahl 51.
Charlotte Teske, deren Name in keiner Vorausschau fehlte, stieg nach 32 Kilometern aus. Die 33 Jahre alte Kinderkrankenschwester, Siebte der »ewigen« Weltrangliste, trug zentnerschwer an ihrer Enttäuschung. Sie
nahm am nächsten Tag die erste Frühmaschine nach Frankfurt und Pressechef Lutz D. Nebenthal ließ ein Statement zirkulieren:
»Bei Kilometer 20 habe ich mein Getränk erhalten, kurz nach dem Trinken war mein Magen wie zu, und ich bekam starke Seitenstiche … Ich bin unheimlich bedrückt, daß ich hier nicht mehr bringen konnte.«
Robert Hartmann in Leichtathletik WM 1983 – Copress
Ergebnisse – 1. WM Helsinki 1983
1. Grete Waitz (NOR) 2.28:09 – 2. Marianne Dickerson (USA) 2:31:09 – 3. Raisa Smeknowa (URS) 2:31:13 – 4. Rosa Mota (POR) 2:31:50 – 5. Jacqueline Gareau (CAN) 2:32:35 – 6. Laura Fogli (ITA) 2:33:31 – 7. Regina Joyce (IRL) 2:33:52 – 8. Tulja Toivonen (FIN) 2:34:14 – 15. Monika Lövenich (D) 2:39:19 – 19. Christa Vahlensieck (D) 2:40:43 – Charlotte Teska (D) aufgegeben.
Grete Waitz
»Bitterlich schluchzend versuchte ein 17-jähriges Mädchen, in die Damen-Toilette des Olympiastadions von Helsinki zu flüchten. Das war 1971 anläßlich der Europameisterschaften: Grete Andersen war eben in einem 800-m- Vorlauf ausgeschieden.
« Es ist der Beginn eines im Zürcher »Sport« erschienenen Artikels aus dem Juni 1975. Das Mädchen besaß ihren Ehrgeiz. Sie trainierte verbissen weiter und die ersten Erfolge stellten sich bald ein.
Vier Jahre später lief sie über 3000 Meter einen Weltrekord in 8:46,6 M i nuten, den sie 1976 noch einmal auf 8:45,4 verbesserte. Die Norwegerin rannte sich freilich bald den Kopf gegen die sowjetische Armada ein.
Zwischendurch wunderte sie sich: »Alle zwei Jahre bringt die Sowjetunion neue Läuferinnen. Im Cross im Frühjahr liegen sie noch weit hinter mir, oft eine halbe Minute. Aber im Sommer kann ich sie im Endspurt nicht mehr halten.«
Grete Waitz, wie sie inzwischen hieß, brachte es auf fünf Weltmeisterschaften im Querfeldeinlauf, wohingegen ein dritter Platz über 3000 Meter in 8:34,2 bei den Europameisterschaften 1978 in Prag ihre bisher einzige Medaille geblieben war.
Als der Marathonlauf die westliche Welt zu faszinieren begann, fand die Sportlehrerin endlich ihre Mitte, und bei vier Läufen in New York über die 42,195 Kilometer stellte sie drei phantastische Weltbestzeiten auf.
Im vorigen Jahr zollte Grete Waitz den Anstrengungen ihren Tribut, als sie einen Ermüdungsbruch erlitt. Die erzwungene Pause hinterließ jedoch bei »marathon woman« keine Spuren. Mit 2:25:29 stellte sie am 17. April in London die inzwischen aufgebesserte Höchstmarke der Neuseeländerin Allison Roe ein.
Da Marathon ein Volkssport ist, der seine Werbeträger in den Himmel hebt, ist Grete Waitz erst recht seit dem Nachmittag des 7. August ein materiell sorgenfreies Auskommen garantiert.
Robert Hartmann in Leichtathletik WM 1983 – Copress
DAEGU 2011 – WM-Aktuell: Einmaliger Marathon-Triumph für Kenia – Edna Kiplagat in 2:28:43 Stunden vor Priscah Jeptoo (2:29:14) und Sharon Cherop
Mit ihrer Bestzeit war Edna Kiplagat die schnellste Läuferin im Feld und gehörte somit von vornherein zu den Favoritinnen
Im Kampf der beiden großen Lauf-Nationen hat Kenia den Äthiopiern gleich im ersten Wettbewerb der Leichtathletik-Weltmeisterschaften in Daegu einen Schock versetzt. Die Kenianerinnen gewannen alle drei Medaillen im Marathon und sorgten damit für ein Novum in der Geschichte globaler Titelkämpfe. Weder bei Weltmeisterschaften noch bei Olympischen Spielen gab es einen derartigen Dreifach-Triumph bisher, auch nicht bei den Männern.
Den Titel sicherte sich Edna Kiplagat in 2:28:43 Stunden vor Priscah Jeptoo (2:29:14) und Sharon Cherop (2:29:14). Als Vierte kam die Äthiopierin Bezunesh Bekele mit 2:29:21 ins Ziel. Beste nicht-afrikanische Läuferin war in Daegu die Japanerin Yukiko Akaba, die nach 2:29:35 als Fünfte im Ziel war. Die in die WM integrierte Weltcup-Team-Wertung entschieden die Kenianerinnen vor China und Äthiopien für sich. Deutsche Läuferinnen waren beim Marathon nicht am Start.
Um ein Haar hätten sich die Kenianerinnen allerdings selbst geschlagen. Denn an einer Getränkestation stellte Sharon Cherop der späteren Weltmeisterin Edna Kiplagat vier Kilometer vor dem Ziel versehentlich ein Bein. Doch trotz dieses Sturzes lief die 31-Jährige bei ihrem ersten Meisterschafts-Marathon auf Anhieb zum Sieg. „Ich werde nach diesem Sieg einkaufen gehen und auf diese Weise feiern", erklärte Edna Kiplagat, die im vergangenen Jahr den New York-Marathon gewonnen hatte und sich im April in London als Dritte auf die Weltklassezeit von 2:20:46 Stunden gesteigert hatte.
Mit ihrer Bestzeit war Edna Kiplagat die schnellste Läuferin im Feld und gehörte somit von vornherein zu den Favoritinnen. Lange Zeit hielt sich die Kenianerin während des Rennens zurück. Taktisch klug lief sie bei schwierigen Bedingungen mit Temperaturen um 25 Grad und einer sehr hohen Luftfeuchtigkeit von gut 80 Prozent ganz am Ende der großen Spitzengruppe. Das Tempo auf dem dreimal zu durchlaufenden Rundkurs war dabei zunächst mäßig. Eine knapp 30-köpfige Spitzengruppe passierte die Halbmarathonmarke nach 1:16:46 Stunden.
Es war schließlich Edna Kiplagat, die nach vorne ging, die Initiative ergriff und die Spitzengruppe damit auseinander riss. Nach 33 Kilometern waren nur noch die spätere Siegerin, Jeptoo und Cherop sowie Aberu Kebede (Äthiopien), die Berlin-Marathon-Siegerin des vergangenen Jahres, im Rennen um Gold. Bald darauf hatten die Kenianerinnen dann auch die letzte äthiopische Gegnerin hinter sich gelassen.
Doch auf dem Weg zum Dreifach-Triumph standen sich die Kenianerinnen noch einmal selbst im Weg. Am letzten Verpflegungspunkt machte Sharon Cherop plötzlich einen Schritt zur Seite, um ein Getränk zu greifen. Dabei stellte sie der schräg hinter ihr laufenden Edna Kiplagat ein Bein. „Ich hatte im ersten Augenblick Angst, dass ich mich verletzt haben könnte, aber es war in Ordnung", erklärte Edna Kiplagat später. Cherop blieb vor Schreck kurz stehen, um ihrer Landsfrau wieder auf die Beine zu helfen.
Unbeeinträchtigt von dem Sturz setzte sich Kiplagat kurz darauf von ihren Landsfrauen ab. Am Sieg der Kenianerin, die die zweite Streckenhälfte deutlich schneller lief als die erste (1:11:57), hat übrigens auch Trainer Dieter Hogen einen kleinen Anteil. Der frühere Coach der Berliner Weltklasse-Marathonläuferin Uta Pippig betreute Edna Kiplagat zeitweise in den USA und in Kenia.
„Das ist ein großer Tag für uns. Ich hoffe, dass unsere Landsleute weiter erfolgreich sein werden", erklärte Sharon Cherop. Dass Kenia noch etliche Medaillen in den Läufen gewinnen und voraussichtlich den Äthiopiern den Rang ablaufen wird, damit ist in Daegu zu rechnen.
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Ergebnisse – Marathon/Frauen 2011 in Daegu