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Berlino 29/09/2013 BMW Berlin Marathon-Maratona di Berlino2013 -nella foto: Wilson Kipsang Kiprotich vincitore della Maratona di Berlino 2013 con il nuovo record del mondo di 2:03:23 -foto di Victor Sailer/A.G.Giancarlo Colombo

Berlin-Marathon – Langer Anlauf zum Weltrekord – Michael Reinsch, Berlin in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung

By GRR 0

29.09.2013 ·  Der 31 Jahre alte Kenianer Wilson Kipsang verbessert in Berlin den Marathon-Weltrekord seines Landsmanns Patrick Makau – und glaubt, dass er noch schneller laufen kann.
 
Selten ist jemand so lange dem Marathon-Weltrekord hinterhergelaufen wie Wilson Kipsang. Und noch nie war jemand so schnell am Ziel wie er am Sonntag. Auf 2:03:23 Stunden verbesserte der 31 Jahre alte Kenianer aus der Lauf-Hochburg Iten beim Berlin-Marathon den Weltrekord.

Er war 15 Sekunden schneller als sein Landsmann Patrick Makau vor zwei Jahren auf dieser Strecke. Makau, wegen einer Knieverletzung nicht am Start, erlebte im Ziel mit, wie er seinen Weltrekord verlor.

Zehn Jahre ist es her, dass Wilson Kipsang sich entschied, aus seinem Talent einen Broterwerb zu machen
. Er gab seinen Beruf als Händler auf und zog nach Iten im kenianischen Hochland. Im Herbst jenes Jahres erlebte er, 21 Jahre alt, vor dem Fernsehgerät mit, wie Paul Tergat in Berlin den Marathon-Weltrekord auf 2:04,55 Stunden verbesserte – der Erste, der 125 Minuten auf dieser Strecke unterbot. „Seitdem hatte ich den Traum, das auch einmal zu schaffen“, erzählte er in Berlin. Er arbeitete hart daran. Und er war besessen von der Jagd auf die Bestzeit.

Als ihn vor zwei Jahren der Frankfurt-Marathon verpflichtete, lief Kipsang beinahe so schnell wie niemand zuvor: 2:03,42 Stunden. Ein einziger war schneller gewesen, vier Wochen zuvor, vier Sekunden: Makau in Berlin. Im Frühjahr darauf gewann Kipsang den London-Marathon mit dem größten Vorsprung der Geschichte, zwei Minuten. Und doch hatte der Sieg in 2:04:40 für ihn wieder einen bitteren Beigeschmack: Er verpasste den Streckenrekord – wieder um vier Sekunden.
 
Fünf Monate später verspielte Kipsang in London sogar den Olympiasieg, weil er einer Bestzeit nachjagte: dem olympischen Rekord seines Landsmannes Sammy Wanjiru, der in Peking in 2:06:32 Stunden die Goldmedaille gewonnen hatte. Viel zu früh griff er an, viel zu lange lief er alleine – und wurde Dritter. „Meisterschaftsrennen sind schwieriger zu laufen als solche Rennen wie dieses hier“, sagte er am Sonntag.

Allein in Berlin, so scheint es, ist der Marathon-Weltrekord zu knacken. Seit Ronaldo da Costa 1999 seinen Berliner Weltrekord von 2:06:05 an den in Chicago siegenden Khalid Khannouchi verlor (2: 05:42), ist die Bestmarke ausschließlich auf den Straßen der deutschen Hauptstadt verbessert worden: 2007 (2:04:26) und 2008 (2:03:59) von Haile Gebrselassie, 2011 von Patrick Makau und nun von Kipsang. „Es ist ein schönes Gefühl, schneller zu sein als all diese großen Läufer“, sagte er.
 

Der hoch aufgeschossene Athlet war nicht zu bremsen, als am Sonntag die Uhr auf dem Begleitwagen anzeigte, dass er und seine kenianischen Konkurrenten Eliud Kipchoge (Zweiter in 2:04:05) und Geoffrey Kipsang (Dritter in 2:06:26) bei Kilometer 35 außerhalb der Rekord-Marschtabelle waren. Drei Kilometer spurtete er in jeweils 2:50 Minuten, jenseits von 40 Kilometer stürzte er mit aller Macht und in der inoffiziellen Rekordzeit von 6:11 Minuten für 2195 Meter dem Ziel am Brandenburger Tor entgegen. „Ich wusste, dass ich dicht dran war“, sagte er später, „ich wollte es nicht noch einmal versauen.“

Daran ließ er sich auch nicht von einem notorischen Störer hindern, der vor ihm auf die Strecke rannte und das Zielband durchriss. Er wurde von den Veranstaltern der Polizei übergeben. „Ich dachte, vielleicht gehört das zur Veranstaltung“, sagte Kipsang.

 

Kipsang: „Ich weiß, dass ich schneller laufen kann“

 

Mit seinem unglaublichen Lauf erkämpfte sich Wilson Kipsang nicht nur 120.000 Euro Sieg- und Zeitprämien – zusätzlich zu einem substantiellen Antrittsgeld sowie Boni seiner Sponsoren – sondern trieb auch seinen Marktwert auf die Spitze. Kein anderer Marathonläufer der Welt ist zwei Mal unter 2:04 Stunden gelaufen, kein anderer vier Mal unter 2:05.

Welch unglaublicher Lauf dieses neunte Weltrekordrennen von Berlin war, das sechste bei den Männern, zeigte Eliud Kipchoge. Trotz 42 Sekunden Rückstands ist der auf Straßenrennen umgeschulte 5000-Meter-Weltmeister von 2003 seit Sonntag der schnellste Zweite, den es je bei einem Marathon gegeben hat. Seine 2:04:05 sind die viertschnellste Marathonzeit der Welt, und sie sind ihm Ansporn.

„Ich weiß nicht, wo meine Grenze ist“, sagte er am Sonntag. „Aber ich weiß, dass ich sie noch nicht erreicht habe.“ Den Weltrekord zu brechen sei selbstverständlich möglich, sagte er, vielleicht auch ihm, auch die 2:03 Stunden könnten bald unterboten werden. „Jeder will in seiner Arbeit einmal der Beste sein“, sagte er vielsagend. Auch Kipsang war sich sicher, dass sein Rekord nicht das letzte Wort im Marathon bedeutet: „Ich weiß, dass ich schneller laufen kann“, versprach er.

 

Mikitenko läuft „Masters“-Weltrekord

 

Auch bei den Frauen herrschte Weltrekordstimmung. Nicht bei Siegerin Florence Kiplagat, die nach 2:21:13 Stunden vor Sharon Cherop (2:22:28/beide Kenia) ins Ziel kam, sondern bei Irina Mikitenko. Die Einundvierzigjährige lief fünf Jahre nach dem deutschen Rekord, den sie mit 2:19:19 Stunden – selbstverständlich – in Berlin aufstellte, in 2:24:54 Stunden Bestzeit für die Masters-Klasse über vierzig Jahre und damit auf Platz drei.

„Ich habe seit Wochen nur Weltrekord, Weltrekord gedacht“, sagte sie und schwärmte von ihrer anhaltenden Leichtfüßigkeit: „Ich fühle mich wie zwanzig mit zwanzig Jahren Erfahrung.“ Man kann offenbar sehr lange laufen und dennoch Rekorde brechen.

 

Michael Reinsch, Berlin in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Montag, dem 30. September 2013

 

author: GRR

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