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2013

Poster des Fukuoka-Marathon 2013 ©Helmut Winter

Mathathi beendet ersten Marathon mit Sieg – Impressionen vom 67. Fukuoka-Marathon (Japan) am 1. Dezember 2013 – Helmut Winter berichtet

By GRR 0

Mit einem großen Vorsprung gewann der Kenianer Martin Mathathi in 2:07:16 den Marathon in der südjapanischen Hafenstadt Fukuoka, der zu den traditionsreichsten Veranstaltungen seiner Art auf dem Globus gehört. Damit beendete er gleich seinen ersten durchgelaufenen Marathon eindrucksvoll mit einem deutlichen Sieg, nachdem er im letzten Jahr an gleicher Stelle nach 35 km noch aufgab.

Star der Veranstaltung war allerdings das japanische Lauf-Unikum Yuki Kawauchi, der in Fukuoka bereits seinen zehnten Marathon absolvierte, wohlgemerkt in diesem Jahr. Und in Hofu steht in 14 Tagen noch Marathon Nr. 11 für den alle Konventionen sprengenden Japaner an. Die Art und Weise wie Yuki wieder Alles gab und am Ende Platz 3 belegte, war in der Tat spektakulär, der Selfmademan mischt die Laufszene mit seinen unkonventionellen Methoden gewaltig auf.

In Japan ist der junge Mann längst ein Medienstar und seine Präsenz in Fukuoka und der Verlauf des Rennens sicherten dem TV Asahi traumhafte Einschaltquoten. Dass Yuki am Ende „nur" Dritter in 2:09:05 hinter dem Vorjahressieger Joseph Gitau auf Platz 2 in 2:09:00 wurde, war dabei fast nur eine Nebensächlichkeit.

Yuki wurde gefeiert. Und das zu recht!

Dabei hatte im Vorfeld des Laufs das traditionelle Motto Japan gegen den „Rest der Welt" eine gewisse Ironie, als von der Weltelite vor allem durch die Absage des Topstars Gebremariam nicht viel übrig blieb. Die Absagen von Viktor Röthlin oder dem Amerikaner Andrew Carlson waren da schon leichter zu verschmerzen. Was dem Veranstalter blieb, waren hoffnungsvolle Debutanten, solide Könner – wie der Pole Henryk Szost (2:07:39) oder der Spanier Lamdassem (2:09:28) – und nach der Absage des japanischen Topläufers Horibata (2:08:24) ein im Vorfeld hochstilisiertes Duell seiner Landsleute Yuki Kawauchi (2:08:14) gegen Arata Fujiwara (2:07:48). Am Ende eines ereignisreichen Marathonjahrs mit dem Weltrekord in Berlin und vielen Streckenrekorden war der Markt an verfügbaren Topathleten offensichtlich ausgedünnt.

In der Historie war das einmal anders, Fukuoka war bis zum Aufkommen der Stadtmarathons auf breiter Front bis Anfang der 80er-Jahre das Non-plus-Ultra der globalen Marathonszene. Internationale Spitzenläufer wurden eingeladen, um sich mit der (konkurrenzfähigen) japanischen Elite zu messen. Der Australier Derek Clayton lief in Fukuoka 1967 in 2:09:36 als erster Mensch unter 2:10, unerreicht die Serie von vier Siegen in Folge zwischen 1971 und 1974 des legendären Frank Shorters.

Auch deutsche Läufer glänzten in Fukuoka. Eckhard Lesse lief dort 1974 als Zweiter in 2:12:03 deutschen Rekord, 1985 und 1987 wurde der Dresdener Jörg Peter in 2:12:16 und 2:11:22 Vierter und Dritter, 1988 Michael Heilmann in 2:11:59 Siebter oder ein Jahr später Konrad Dobler Sechster in 2:14:07.

Diese Zeiten liegen lange zurück, und während deutsche Läufer aktuell keine Chancen auf gute Platzierungen hätten, ist der „Rest der Welt" den Japanern weitgehend davongerannt. Sowohl mit dem derzeitigen Streckenrekord des Äthiopiers Tsegaye Kebede von 2:05:16 als vor allem auch mit dem Zehnermittel von 2:06:44 liegt man 2 ½ Minuten hinter Spitzenreiter Berlin nur auf Platz 11,3 Sekunden hinter dem vermeintlichen Nobody Eindhoven.

Für die Veranstaltung selbst spielt das aber kaum eine Rolle, die ist großartig organisiert, erreicht insbesondere durch die Fokussierung auf die japanische Szene eine unerhörte Akzeptanz in der Öffentlichkeit und in den Medien und bietet immer wieder tolle Wettkämpfe. Das war auch in diesem Jahr kaum anders.

Am Morgen des traditionell um 12:10 Uhr gestarteten Rennens hatte es noch heftig geregnet, aber pünktlich zum Start war der Regen verschwunden und am Ende zeigte sich sogar die Sonne. Mit Temperaturen um 10°C und für Fukuoka recht moderaten Wind herrschten fast ideale Verhältnisse, die die Spitze zu guten Leistungen nutzen wollte. Allen voran der Pole Henryk Szost, der vor einem Jahr im Regen beim Lake Biwa Marathon großartige 2:07:39 lief und sich am Vortag sogar optimistisch Zeit in die Regionen des Europarekords (2:06:30) vorstellen konnte. Daraus wurde am Ende nichts, Szost will bei den Europameisterschaften in Zürich im kommenden Sommer starten und ist dort trotzdem ein erster Anwärter auf den Titel.

Geführt von den beiden Australiern Collis Birmingham (1:00:56, Halbmarathon) und Ben St. Lawrence als Tempomacher wurde ein Tempo um 3:01 für den km eingeschlagen, was die beiden in großartiger Manier bis zum Halbmarathon vorgaben. 15:06 (5 km), 30:10 (10 km), 45:14 (15 km), 1:00:27 (20 km) waren die Splits, viel gleichmäßiger kann man das kaum machen. Der Halbmarathon wurde nach 1:03:48 passiert, das war fast die Zeit, die im Vorfeld gehandelt wurde und alle Optionen für gute Zeiten eröffnete. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte sich die Spitzengruppe zunehmend ausgedünnt, beim Halbmarathon lagen noch 8 Läufer vorne. Etwas überraschend war dabei, dass schon nach 15 km der große Widersacher von Kawauchi im inner-japanischen Duell, Arata Fujiwara, zunehmend den Kontakt verlor und nach 20 km ausstieg.

Damit ging ein Spannungsbogen verloren, den aber Kawauchi unmittelbar nach dem Halbmarathon durch einen spektakulären Antritt kompensierte, mit dem er sich sofort deutlich von seinen Mitstreitern absetzen konnte. Die Strecke von 21 km nach 22 km lief er in phänomenalen 2:53. Nach dem Lauf meinte er dazu, dass er auf eine schnelle Zeit aus war und das Tempo hoch halten wollte. Diese Aussage ist kaum nachzuvollziehen, da er schon auf Kurs von 2:07:30 war (das war auch sein optimistisches Ziel). Im Rückblick war es dieser Antritt, der ihm eine noch bessere Zeit am Ende kostete und das Rennen maßgeblich beeinflusste. Nur der Pole Szost machte sich auf die Verfolgung des Japaners, schloss bald auf und die beiden Führungen liefen nun ca. 100 m vor einer Sechsergruppe. Mit 14:58 für den 5 km-Abschnitt nach 25 km waren plötzlich auch Zeiten in Regionen des Europarekords möglich.

Doch bereits vor der 25 km-Marke stiegen die km-Splits auf deutlich über 3 Minuten (Splits von 20 km bis 30 km: 3:02, 2:53, 2:58, 3:03; 3:04, 3:01, 3:04, 3:06, 3:06), so dass die Verfolger schnell näher kamen. Bei 29 km waren die zwei Ausreißer eingeholt, und eine Siebenergruppe mit Yuki, Szost, Vorjahressieger Gitau, den Japanern Takayuki Mitsumja und Chiharu Takada sowie den Kenianern Mekubo Mogusu und Martin Mathathi. Letzterem dürfte der Ausstieg an gleicher Stelle im letzten Jahr in schlechter Erinnerung gewesen sein, entsprechend vorsichtig agierte er auf die Temposteigerungen an der Spitze, die nun Moguso immer wieder inszenierte.

Ein erstes Opfer der Tempowechsel war Matsumiya, nach 33 km setzten sich Mathathi und Gitau ab, in der schnell zurückfallenden Vierergruppe hatte Kawauchi nun sichtbar zu kämpfen, hielt aber immer wieder den Kontakt zu dieser Gruppe. Kurz nach 35 km gab Mathathi seine Zurückhaltung auf, zog mit 2:54 für den kommenden km das Tempo spürbar an und war schnell allein. Während seine Verfolger schwächelten, bot er mit sehr schnellen 14:39 von 35 km nach 40 km eine Galavorstellung und hatte bei 40 km eine Minute Vorsprung auf Gitau sowie 1:23 auf Yuki Kawuchi, der den Polen Szost und seinen Landsmann Takada abschütteln konnte.

Dabei war kaum nachzuvollziehen, woher Yuki nach dem New York Marathon (2:12) vor 4 Wochen, zwei Halbmarathons an den vorigen Wochenenden in 1:03 und 1:04 diese Kräfte nimmt. Gepaart mit seinen eigenwilligen Methoden und seinem Auftreten ist er längst ein Star der japanischen Laufszene mit höchster Akzeptanz in den Medien. Er ist schon heute ein „japanischer Haile".

Auch den Schlusspart von der 40 km-Marke rannte Mathathi in 6:24 noch einmal sehr flott, so dass am Ende eine auch international noch beachtenswerte Zeit heraussprang. Neben seinem Sieg wird ihm vor allen sein Durchkommen beruhigt haben. Der Bann ist nun gebrochen, nach der Vorstellung in Fukuoka hat der nur 52 kg schwere Athlet das Potential für deutlich schnellere Zeiten im Marathon angedeutet. Mit einer Zeit unter 27 Minuten (26:59.88!) über 10000 m hat er das auf der Bahn schon demonstriert.

Es sollte fast zwei Minuten dauern, bis Gitau und Kawauchi ins Ziel kamen. Mit 2:09:00 konnte Gitau nur noch einen kleinen Vorsprung ins Ziel retten. Bis auf 5 Sekunden kam der Japaner unter dem Jubel der Zuschauer noch heran, um im Ziel für kurze Zeit total erschöpft zusammenzubrechen. Er erholt sich aber von diesen Aktionen immer wieder schnell und wurde – wie vor zwei Jahren – sofort zum Siegerinterview vor die Zuschauertribüne geführt. Der Sieger stand derweil abseits und wartete auf seinen Auftritt. Als dann seine Ehrung anstand, war es mit der japanischen Höflichkeit vorbei, die Schar der Fotografen und Medienvertreter folgten ihm zum Athletenzelt. Den Sieger Mathathi schien das kaum zu stören, der machte den Eindruck, gleich noch einen Marathon rennen zu können.

Henryk Szost, der immer wieder in Japan an den Start geht, wurde in 2:09:37 Vierter und führte sein Abschneiden auf die vielen Tempowechsel nach dem Halbmarathon zurück, bis dahin war er der bestimmende Läufer im Feld, der immer direkt hinter den Tempomacher platziert war. Zufrieden war auch der Kanadier Reid Coolsaet auf Platz 6 in 2:11:24, der nach einer Verletzungspause wieder einen Marathon beenden konnte. Ob es ihm noch gelangen kann, den gut eine Minute schnelleren kanadischen Rekord einmal zu unterbieten, ließ der 39jährige allerdings offen.

Weniger erfolgreich lief es für den irischen Topläufer Alistair Cragg, der mit einer Halbmarathonzeit von 1:00:49 ein erhebliches Potential auch für den Marathon andeutet. In Fukuoka lief er zwar zum ersten Mal einen Marathon zu Ende, wobei aber seine Zeit von 2:23:05 auf Platz 6 für ihn kaum diskutabel sein dürfte. Der irische Rekord, den er sich vorgenommen hatte, steht mit 2:09:15 in ganz anderen Dimensionen. Aber mit fast 20 Minuten für die letzten 5 km lief er diesmal am Ende in den Regionen von Breitensportlern.

Am Ende erreichten gut 500 Läufer dieses Elitelaufs das Ziel, der letzte Läufer wurde an nach gut 2:47 registriert, viel langsamer durfte er auch nicht sein, denn mit verbindlich japanischer Höflichkeit werden die Läufer an den Zeitkontrollen gnadenlos aus dem Rennen genommen. Und so wurde auch das Tor ins Stadion für die Läufer nach 2:45 geschlossen … Auch das ist in Fukuoka Tradition.

Aber bei alle Liebe zum Althergebrachten sollten die Veranstalter an manchen Stellen die Dinge doch einmal überdenken. Gerade im Elitesegment ist die Welt in den letzten 50 Jahren nicht stehengeblieben. Ein Blick in Bestenlisten und zu anderen Veranstaltungen belegen das nachdrücklich. Wenn man in der Eliteliga der globalen Marathonszene weiter mitmischen will, kommt man an einigen Modifikationen einfach nicht vorbei.

Und genauso wie Yuki Kawauchi mit seiner unkonventionellen Art die japanische Laufszene aufmischte, wäre das auch in der Lauforganisation durchaus wünschenswert. Etwas vom Spirit eines Yuki wäre da sicher hilfreich.

 

Helmut Winter

 

Resultat  67. Fukuoka Marathon:

 

1.

Martin Mathathi

KEN

2:07:16

2.

Joseph Gitau

KEN

2:09:00

3.

Yuki Kawauchi

JPN

2:09:05

4.

Henryk Szost

POL

2:09:37

5.

Chiharu Takada

JPN

2:10:39

6.

Reid Coolsaet

CAN

2:11:24

7.

Mekubo Mogusu

KEN

2:12:03

8.

Ayad Lamdassem

ESP

2:12:31

9.

Satoru Sasaki

JPN

2:13:12

10.

Robert Curtis

USA

2:13:24

 

5 km-Splits der Siegers:

15:08, 15:05, 15:05, 15:10  HM 1:03:48

15:05, 15:16, 15;24, 14:39  Ziel 2:07:16

 

 

author: GRR

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