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„Ich schäme mich für solch mafiöse Strukturen“ – Interview mit Robert Harting – Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung

By GRR 0


07.04.2014  ·  Spitzensportler generös fördern helfen, das will Robert Harting mit einer Privatlotterie. Nicht jedem ist das Recht. Im Interview spricht der Olympiasieger und Weltmeister im Diskuswerfen über Widerstände des organisierten Sports gegen sie.


Sie engagieren sich für die Sportlotterie. Ist das eigentlich Sportgeschäft, oder ist das Sportpolitik?

Es ist sehr, sehr politisch. Die Zukunft des Spitzensports unseres Landes steht auf dem Spiel. Man könnte meinen, das sei für alle Instanzen von enormer Bedeutung. Sicherlich ist es für einen Teil auch so. Der andere Teil wird von Missgunst und Sitzklebern beherrscht.

Welche Erfahrungen machen Sie?

Das ist ein Theater der Dramatik. Die Landessportbünde (LSB), der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) und die Lotto-Landesgesellschaften sind eng miteinander verflochten. Die LSB, weil sie sich unter dem Dach des DOSB befinden, und auch weil die LSB-Fürsten im DOSB ihren Einfluss haben. Die Lotto-Landesgesellschaften sind die Hauptgeldgeber der Landessportbünde. Der Sport erhält um die 500 Millionen Euro (pro Jahr); davon kommen gerade mal vier Millionen bei der Stiftung Deutsche Sporthilfe an. Ein A-Kader-Athlet kann so nur mit rund 620 Euro im Monat gefördert werden. Wie soll er davon leben?

Wenn Sie versprechen, aus Ihrem Lotto etwas für den Spitzensport draufzulegen, sollten sich alle freuen …

Leider nicht. Am Anfang wurden wir belächelt, in der mittleren Phase schickte man uns mit perfektem Politikerdeutsch auf den Heimweg. In der dritten Runde sind wir beschimpft worden – wie wir es wagen könnten, ohne den DOSB solch ein Unternehmen aufzubauen. Der DOSB war von Anfang an informiert über unsere Pläne mit der Deutschen Sportlotterie. Als er erkannte, dass wir es schaffen können, wollte er sich als Lokomotivführer darstellen. Das sehen wir nicht ein. Der Verband hat bewusst die Möglichkeit verstreichen lassen, als Gesellschafter dabei zu sein. Alles, was von diesen Aussagen abweicht, ist gelogen.

Zum Beispiel?

Mit welcher Story die um die Ecke kommen? Natürlich mit der klassischen Nummer Kannibalisierung. Angeblich fehle das Geld, das in die Sportlotterie fließe, dann der Glücksspirale und damit dem Breitensport. Man darf die Lok nicht führen, dann wird gestänkert.

Macht es einen Unterschied, ob das Geld via Sportlotterie oder via Glücksspirale in den Sport fließt?

Wir erreichen neue Zielgruppen, Menschen, die gar nicht bei der Glücksspirale mitmachen. Die Einzigen, die das Argument von der Kannibalisierung mehrmals widerlegt haben, sind wir. Im Übrigen ist die Förderung der Landessportbünde durch die Lottogesellschaften nicht gefährdet, denn sie ist gesetzlich festgelegt. Die Glücksspirale hat nicht darüber zu entscheiden, ob, wann und wieviel Geld sie den Landessportbünden gibt. Das entscheidet allein der Gesetzgeber. Trotzdem wird den Landessportbünden erzählt, ihre Förderung sei in Gefahr. Um den Bogen zur Frage zu schließen: Nein, es ist nicht das Gleiche. Unsere gemeinnützige GmbH fördert den Spitzensport, also Hardcoreperformer, die bei internationalen Titelkämpfen Deutschland mit TV-Endorphinen versorgen sollen.

Wie erleben Sie den Widerstand? Sagen die Funktionäre Ihnen das direkt?

Im Wesentlichen haben wir Informationen, dass Walter Schneeloch und Hans-Peter Krämer aus dem DOSB-Präsidium, ihr Generaldirektor Michael Vesper, der bayrische Lotto-Präsident Erwin Horak und der Geschäftsführer von Westlotto, Theo Goßner, aktiv sind. Die jüngste Aktion: Alle Landessportbünde haben einen gemeinsamen Brief an die Sportminister der Länder geschrieben, in dem sie den Kannibalisierungs-Unsinn wiederholen. Die Sportminister, die überwiegend auch die Innenminister sind, sollen aufgefordert sein, die Lotterie im jeweiligen Bundesland nicht zu unterstützen. Einfach irre!

Woher wissen Sie, was in den Briefen steht?

Wir sind nicht ungeschickt in dem, was wir tun. Die Glücksspirale hat – so sehen wir das – auf, sagen wir mal, bevorteilte Institutionen Druck ausgeübt, die Zusammenarbeit mit uns zu unterbinden. Wir haben Informationen darüber, dass auch jetzt wieder der DOSB und die Lottoverbände Druck auf die LSB machen. Die Gruppe um Vesper hat sich vorgenommen, wenn sie schon nicht dabei sein können, das Sportlotto zu verhindern. Der große Verlierer, neben dem Spitzensport, könnte Alfons Hörmann sein, seit Dezember DOSB-Präsident, den ich übrigens sehr schätze. Meiner Meinung nach hätte er anders entschieden, wenn er früher da gewesen wäre.

Ist das, was Sie erleben, Sportpolitik oder Intrige?

Beides. Ich schäme mich als Leistungssportler und Olympiasieger für solche mafiosen Strukturen. Ein Beispiel: Die WDR-Sendung „Sport inside“, sehr renommiert, hat sich mit der Sportlotterie beschäftigt, und die ist gut dabei weggekommen. Wir haben belastbare Informationen, dass Schneeloch, ein Multi-Funktionär, der auch im Rundfunkrat des WDR sitzt, diesen animiert hat, eine Beschwerde zu der Sendung zu machen. Die Sportlotterie sei zu positiv dargestellt worden. Um Klartext zu reden: Schneeloch missbraucht sein Amt beim WDR, um seine Interessen beim DOSB zu fördern. Er nimmt dazu Einfluss auf eine Sendung, die von den Bürgern über die Rundfunkabgabe finanziert wird, gerade damit sie inhaltlich von politischen und wirtschaftlichen Interessen frei bleibt.

Warum gibt es diesen Widerstand?

Ich vermute, die Grundlage ist Neid. Angst spielt eine Rolle, Angst, die Steuerung zu verlieren.

Verfolgen Sie und Ihr Partner Wagener weiter Ihre Pläne?

Zunächst ist der Plan, unter deutscher Erlaubnis eine Lizenz zu erhalten. Alles andere wäre peinlich für unseren Staat. Diese Lizenz wird darüber entscheiden, ob und wie wir am Markt performen können, und davon hängt auch die Performance unserer Topathleten ab. Wir sind ein großes Team über Wagener und Harting hinaus. Das möchte ich noch einmal dankend betonen. Zurzeit stecke ich in der wichtigsten Trainings- und auch Studienabschlussphase. Schade, dass mich manche Menschen soenttäuschen und mir Kraft rauben.

 

Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Dienstag, dem 8. April 2014

author: GRR

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