Der Start zum Münster-Marathon um 9 Uhr. Ganz vorne mit der Startnummer „9“ Emmanuel Samal und rechts der spätere Sieger Kiprono („7“). ©Helmut Winter
13. Volksbank Münster-Marathon: Der Aufstieg in die „1. Liga“ muss weiter warten. Der Kenianer Josphat Kiprono gewinnt den Marathon in Münster in 2:10:42 – Helmut Winter und Werner Philipp berichten
Nachdem im Vorfeld des Marathons in der westfälischen Metropole die Veranstalter eine deutliche Verbesserung des Streckenrekords der Männer von 2:10:25 aus dem Jahr 2010 und einen Aufstieg in die internationale Eliteliga des Straßenlaufs angekündigt hatten, waren in der Tat die Erwartungen hoch.
Ein starkes Feld kenianischer Spitzenläufer mit Bestzeiten im Bereich von bis zu 2:07 Stunden, die allerdings zu Teil einige Jahre zurücklagen, ließ ein solches Unterfangen durchaus realistisch erscheinen. Nach dem Regenmarathon des letzten Jahres wurde man bei starker Bewölkung diesmal von Niederschlägen verschont, neben idealen Temperaturen um 15°C lag der Taupunkt aber nur ein Grad tiefer, es war also sehr luftfeucht und zusammen mit einem Wind mit Geschwindigkeiten bis zu 10 km/h waren die Bedingungen für eine Rekordjagd keinesfalls optimal.
Dass der Streckenrekord bei den Männern in der Tat lange in Gefahr und sogar eine Weltklassezeit möglich war, ergab sich aus einem Rennverlauf, den im Vorfeld sicherlich niemand erwartet hatte. Während in den Vorjahren insbesondere der recht winkelige Kurs durch die Gassen der Münsteraner Innenstadt stets zu einer Verschleppung des Tempos auf den ersten 10 km führte, legte der Kenianer Emmanuel Samal von Beginn an los, als wolle er den Marathon-Weltrekord nach Münster holen.
Schier aberwitzige 14:24 brauchte der junge Kenianer für die ersten 5 km und lag damit gut eine Minute vor den zahlreichen Verfolgern, die mit 15:27 exakt in den Vorgaben liefen. Samals Split entsprach einer Endzeit von 2:01:31, er war somit auf Kurs zu einer Fabelzeit, fast zwei Minuten unter dem bestehenden Weltrekord von 2:03:23 (Wilson Kipsang, Berlin 2013). Das konnte nicht gutgehen, zumal Samal mit einer Bestzeit von „nur“ 2:10:27 beim Dubai-Marathon 2011 notiert war, wo er als Tempomacher durchlief.
Danach musste man lange auf die Gruppe der besten Frauen mit ihrem Tempomacher warten, die erst nach 18:19 die 5 km-Marke passierten und damit bereits die Basis für Zeiten im Ziel legten, die auf für Münsteraner Ansprüche als enttäuschend einzustufen sind.
An der Spitze wurde Samal etwas ruhiger, passierte aber die 10 km im Herzen der Stadt immer noch in grandiosen 29:23, d.h. auf Kurs zu 2:03:59. War Münster auf den Sprung in die Weltklasse? Zweifel kamen schon auf Grund der Bestzeit des wackeren Kenianers über die 10 km auf der Straße auf; bei Würzburger Residenzlauf 2009 lief Samal gerade einmal 10 Sekunden schneller. Auch seine Vorstellung im Frühjahr beim Zürich-Marathon war mit 2:15:08 im geschlagenen Feld wenig überzeugend.
Die gut zehnköpfige Verfolgergruppe war sichtlich irritiert und sich nicht einig in der Tempogestaltung. Mit einer Durchgangzeit von 31:15 lag man fast zwei Minuten hinter Samal bei 10 km zurück. Man lag auf Kurs von fast 2:12, mit einem Angriff auf Weltklassezeiten hatte das wenig zu tun.
Als es nun aus der Stadt aufs Land ging, änderte sich an dieser Situation wenig, Samal lief bis zur Halbmarathonmarke im Ortsteil Nienberge die km-Abschnitte nun über 3 Minuten von 3:03 bis 3:10 und lag bei 15 km in 44:33 bereits auf Kurs von über 2:05, doch die Verfolgergruppe verlor trotzdem weiter an Boden.
Den Halbmarathon schaffte Samal in 1:03:27, die zweite Gruppe in 1:05:38; während Samal noch weit unter dem Streckenrekord agierte, blieben die Verfolger sehr deutlich hinter den Vorgaben von 64:30 beider Halbdistanz zurück. Ein kritischer Blick aufs Renngeschehen ließ schon hier vermuten, dass aus der groß angekündigten Jagd auf Rekorde und den Sprung in die Weltelite an diesem Tag nichts werden würde.
Auch vom Motto „wie beim Karneval in Rio“ war hier draußen wenig zu spüren. Der Veranstalter hat sich nach Kräften bemüht, durch zusätzliche Attraktionen die Veranstaltung für Zuschauer noch attraktiver zu machen. Während der Zuspruch im Innenstadtbereich und an einigen zentralen Punkten, wie die Wechselzonen der Staffeln, sehr gut war und eine tolle Stimmung herrschte, war das in der Tat auf diese Bereiche beschränkt. Ansonsten herrschte an der Strecke weitgehend „tote Hose“, nicht nur in Münster bleiben die Zuschauer dem Marathon zunehmend fern.
Somit vollzog sich weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit der weitere Leistungsabfall des Spitzenläufers, der nach 1:15:30 für die 25 km (Ziel: 2:07:26) und 1:31:25 für 30 km (2:08:35), bei 35 km nach 1:48:06 auf Kurs von 2:10:19 war. An einen neuen Streckenrekord war da schon nicht mehr zu denken.
Auch von den Verfolgern konnte man keine Bestmarken erwarten, mit km-Abschnitten von 3:10 bis 3:15 verloren die sogar zunehmend an Boden und lagen bei den Matten für die 30 km-Zeitnahme im Ortsteil Roxel 2:20 Minuten hinter Samal.
Doch dann änderte sich das Renngeschehen unerwartet schnell. Samal schwächelte sichtlich, die km-Splits rutschten bis auf 3:30 Minuten herauf und die Verfolger stürmten von hinten heran. Und dies war vor allem Josphat Kiprono, der mit einer Bestzeit vom 2:09:34 beim Enschede-Marathon 2013 an den Start gegangen war.
Der vom erfolgreichsten Manager der Szene, dem Holländer Gerard van de Veen, betreuten Athlet setzte sich leicht aus der Verfolgergruppe ab, die nun zunehmend auseinanderfiel.
Noch bevor man den Ortsteil Gievenbeck wieder verließ, holte Kiprono den so mutig angelaufenen Samal zwischen 36 und 37 km ein und setzte sich sofort von diesem ab. Mit km-Abschnitten um 3 Minuten hatte er sogar noch bescheidene Chancen auf den Kursrekord, doch das Defizit aus dem ersten Teil war nicht mehr ganz aufzuholen.
Unangefochten siegte er in 2:10:42 (netto: 2:10:40) deutlich vor seinem Landsmann Duncan Koech in 2:12:05. Den Schlusspart von der 40 km-Marke lief der Sieger in beachtlichen 6:35, das war noch einmal ein 3 Minutenschnitt pro km. Dritter wurde Evans Taiget in 2:12:17. Und auch Vierte David Taurus in 2:12:40 blieb noch unter 2:13.
Dies sind alles beachtliche Zeiten für eine Veranstaltung dieser Kragenweite, aber den erhofften Schritt in Richtung internationaler Klasse konnte man nicht vollziehen. Wenn ab der übernächsten Woche Berlin, Chicago, Eindhoven, Amsterdam oder Frankfurt an den Ablauf gehen, wird es dort in ganz andere Dimensionen gehen. Da hilft es leider wenig, dass man in Münster dies schon einmal auf den ersten 10 km getestet hat. Aber es ist eine Binsenweisheit, dass ein Marathon eben erst nach 42.195 m zu Ende ist.
Emmanuel Samal musste für seinen forschen Ritt im ersten Teil stark büßen. Nach 2:16:21 lief er als Neunter ins Ziel auf dem Prinzipalmarkt ein und legte damit den zweiten Teil fast 10 Minuten langsamer zurück als die erste Hälfte; ein in der Tat miserables Timing.
Enttäuschend waren die Leistungen der Frauen, bei denen spätestens beim Halbmarathon nach 1:18:03 klar war, dass es diesmal in Regionen weit über dem Streckenrekord von knapp unter 2:30 Stunden aus dem Vorjahr ging.
Die junge Äthiopierin Yenealem Bule lief zwar den zweiten Part noch über vier Minuten langsamer, siegte aber unangefochten in international mehr als schwachen 2:40:42. Damit lag die Siegerin exakt eine halbe Stunde hinter dem Sieger, das ist im Vergleich der Geschlechter einfach zu viel. Wenig berauschend waren auch die Leistungen der Nächstplatzierten. Joan Rotich, vor zwei Jahren in Münster noch vorne, belegte Platz 2 in 2:42:30 und Rosina Kiboino brauchte sogar 2:49:02 als Dritte.
Bescheiden war auch das Leistungsniveau der engagierten Freizeitläufer. Ganze 48 Männer und 4 Frauen (incl. Afrikanern) blieben von 2.138 Finishern unter der Schallmauer von 3 Stunden.
Damit ging in Münster bereits die 13. Auflage des dortigen Marathons über die Bühne, die von Cheforganisator Michael Brinkmann und seinen vielen Helfer mit liebevollem Einsatz und vielen Ideen organisiert wurde. Keine Frage, nach 13 Auflagen hat sich dieser Lauf fest im Veranstaltungskalender etabliert, wenn diesmal die Koinzidenz mit dem Köln-Marathon als nicht sehr „glücklich“ bezeichnet werden kann und für beide Veranstaltungen kaum förderlich war.
Leistungssportlich scheint der Lauf in Münster in den letzten Jahren augenscheinlich zu stagnieren, was sicherlich an vielen Faktoren liegt. Um Zeiten von internationaler Klasse zu erzielen, bedarf es sicher mehr, als (ostafrikanische) Athleten zu verpflichten und im Vorfeld kaum zu realisierende Hoffnungen auf Spitzenleistungen zu wecken.
Aber auch eine der Topadressen in der internationalen Marathonszene, der Berlin-Marathon, hat mehr als 13 Jahre benötigt, um in die Weltspitze aufzusteigen. Von dieser Veranstaltung könnte man sich aber Anregungen holen, wie man mittlerweile Höchstleistungen am Fließband produziert. Die nächste Gelegenheit dazu gibt es bereits am 28. September 2014.
Helmut Winter und Werner Philipp
Ergebnisse 13. Volksbank Münster Marathon – Männer
1. |
Josphat Kiprono |
KEN |
2:10:42 |
2:10:40 (netto) |
2. |
Duncan Koech |
KEN |
2:12:05 |
2:12:04 |
3. |
Evans Taiget |
KEN |
2:12:17 |
2:12:15 |
4. |
David Taurus |
KEN |
2:12:40 |
2:12:39 |
5. |
Hassan Mokaya |
KEN |
2:13:15 |
2:13:14 |
Ergebnisse 13. Volksbank Münster Marathon – Frauen
1. |
Yenealem Bule |
ETH |
2:40:42 |
2:40:40 (netto) |
2. |
Joan Rotich |
KEN |
2:42:30 |
2:42:28 |
3. |
Rosina Kiboino |
KEN |
2:49:02 |
2:49:00 |
Splits der Männerspitze
5 km |
14:24 |
Samal |
|
15:27 |
Verfolger |
10 km |
29:23 |
Samal |
|
31:15 |
Verfolger |
15 km |
44:33 |
Samal |
20 km |
1:00:03 |
Samal |
HM |
1:03:27 |
Samal |
|
1:05:38 |
Verfolger |
25 km |
1:15:27 |
Samal |
|
1:18:13 |
Verfolger |
30 km |
1:31:25 |
Samal |
|
1:33:46 |
Verfolger |
35 km |
1:48:06 |
Samal |
|
1:48:58 |
Kiprono |
40 km |
2:04:07 |
Kiprono |
Ziel |
2:10:42 |
Kiprono |
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