Blog
16
09
2014

2014 Stockholm Diamond League Stockholm, Sweden August 21, 2014 Photo: Victah Sailer@PhotoRun Victah1111@aol.com 631-291-3409 www.photorun.NET

Leichtathletik-Kommentar – Falscher Glanz – Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung

By GRR 0

Die Leichtathletik begeht ihren Kehraus in Marrakesch: Beim von Europa gewonnenen Continental Cup gibt es Millionen-Gagen, aber kein Interesse von Zuschauern und Stars.

Bravo, David Storl, und vielen Dank. Der Kugelstoßer aus Chemnitz, Weltmeister und Europameister, war nicht nur einer der wenigen namhaften Leichtathleten, die zum Kehraus ihrer Sportart am Wochenende nach Marrakesch geflogen waren. Er gehörte zu den wenigen, die beim neuen Continental Cup erstklassige Leistung zeigten.

Seine 21,55 Meter brachten dem Team Europa acht Punkte und Storl 30.000 Dollar ein. Ein letztlich von Europa mit 447,5 Punkten vor Amerika (390) gewonnener Mannschaftswettbewerb zwischen den Kontinenten wirkt gewollt; da ruft keine patriotische Pflicht, da lockt keine Identifikation. Für üppigen Lohn aber, sollte man meinen, würde mancher gern den Urlaub verschieben.

Von wegen. Abgesehen von Storl und Stabhochsprung-Überflieger Renaud Lavillenie, von Speerwerferin Barbora Spotakova und Läuferin Genzebe Dibaba und vor allem von den unglaublichen Hochspringern Mutaz Essa Barshim, Bohdan Bondarenko und Iwan Uchow, fehlten fast alle Spitzenkräfte des Gewerbes.

Gerade von den langen Kerls erwarteten die Interessierten gut eine Woche nach den 2,43 Metern des Qatarers Barshim zumindest den Angriff auf den Weltrekord von Javier Sotomayor (2,45 Meter).

Doch dann besiegte der erschöpfte Ukrainer Bondarenko seine noch müderen Konkurrenten mit 2,37 Meter. Im Weitsprung übertraf ein einziger Athlet, der Niederländer Ignisious Gaisah, acht Meter.

Die überragende Hürdenläuferin des Jahres, Kaliese Spencer aus Jamaika, stürmte wieder deutlich unter 54 Sekunden ins Ziel. Eine karibisch-amerikanische Sprint-Staffel mit Kim Collins, Mike Rodgers, Nesta Carter and Richard Thompson beeindruckte in 37,97 Sekunden.

Versammlung der zu kurz Gekommenen

Ansonsten wirkte die Veranstaltung in Marrakesch wie eine Versammlung der zu kurz Gekommenen der Leichtathletik. Viele Stars hatten die Saison ohnehin zu einer Auszeit zwischen zwei Weltmeisterschaften genutzt, zum Luftholen vor dem Aufgalopp zu Olympia 2016. Für die meisten anderen war die Saison mit den Finals der Diamond League in Zürich und Brüssel beendet.

Nur der Internationale Leichtathletik-Verband bestand auf einer Verlängerung des Sportsommers in den Frühherbst. Dafür ließ er die Geldbündel nur so flattern. In Marrakesch lobte er knapp drei Millionen Dollar Preisgeld aus – ein Luxus, von dem selbst Veranstalter der Diamond League träumen. Noch den Achten eines jeden Wettbewerbs wurden tausend Dollar zugesteckt.

Wer zugriff, brauchte sich nicht zu schämen. Vor wem auch? Das Riesenstadion von Marrakesch mit 41.000 Zuschauerplätzen erschien an beiden Tagen menschenleer. Das war schon bei der Afrika-Meisterschaft vor vier Wochen so gewesen.

Vielleicht sollte Entwicklungshilfe weiterhin an der Basis ansetzen und nicht bei der Promotion von aufgeblasenen Events.

Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Sonntag, dem 14. September 2014

 

author: GRR

Comment
0

Leave a reply