Zu Besuch in Bielefeld: Der gelernte Konditormeister Horst Milde mit Hang zum Ausdauerlauf. ©Andreas Frücht
„Die Vereine müssen Druck auf den DLV ausüben“ – INTERVIEW: Horst Milde, Vater des Berlin-Marathons, äußert sich zu den höheren Verbandsabgaben – Wolfgang Horstmann in der Neuen Westfälischen
Bielefeld. Der Berlin-Marathon ist untrennbar mit dem Namen Horst Milde verbunden. 1974 organisierte der gelernte Konditormeister den ersten Marathon quer durch Berlin. Milde, der vor einigen Jahren die Aufgabe des Renndirektors an seinen Sohn übergeben hat, steckt noch voller Ideen,um denPopularitäts- und Verbreitungsgrad des Laufsports zu steigern.
Mit ihm sprach unser Mitarbeiter Wolfgang Horstmann.
Herr Milde, Sie sind gelernter Konditormeister, welche Torte haben sie bei ihrer Abschlussprüfung erstellen müssen?
HORST MILDE: Das war eine Baumtorte mit Dekoration. Meine Ausbildung selbst habe ich in der Hofkonditorei Schilling gemacht, die es aber leider nicht mehr gibt.
Wagen wir jetzt bildlich gesprochen einen Blick über den Tortenrand hinaus. Wie stellt sich Ihrer Meinung nach die Laufszene in Deutschland aktuell da?
MILDE: Die Beantwortung dieser Frage muss differenziert erfolgen und sich auf die unterschiedlichen Streckenlängen beziehen. Die Teilnehmerzahlen bei den Marathonläufen sind leicht fallend. Eine Ausnahme bildet der Berlin-Marathon. Viele Läufer möchten einfach auf der Weltrekordstrecke in der Bundeshauptstadt laufen. Steigende Teilnehmerzahlen sind dagegen bei den Wettbewerben über die Halbmarathondistanz und bei Staffelwettbewerben über die Marathonstrecke zu verzeichnen. Generell ist die Diversifizierung positiv zu bewerten.
Auf Unmut stößt in der Laufszene die Erhöhung der Verbandsabgaben auf einen Euro für jeden Finisher ab der U 20. Wie ist Ihre Meinung dazu?
MILDE: Wenn keine nachweisbaren Gegenleistungen des DLV zu erkennen sind, dann ist die Erhöhung nicht gerechtfertigt.
Was wären für Sie nachweisbare Gegenleistungen?
MILDE: Eine Erhöhung der Zuschüsse für zentrale und dezentrale Nachwuchsfördermaßnahmen, die ausbildungsbegleitende Förderung für junge Athleten, stärkere Unterstützung im Laufleistungssport und finanzielle Anreize bei Meisterschaften nach dem Muster der USA – das sind einige der Maßnahmen, die man sich als nachweisbare Gegenleistung vorstellen kann.
Was sollten die Vereine machen, um ihren an den Verband gerichteten Forderungen Nachdruck zu verleihen?
MILDE: Die Vereine müssen über ihre Landesverbände Druck auf den DLV ausüben. Die Landesverbände müssen zudem dahinkommen, dass die Höhe der Vereinsgebühren einheitlich ist.
Große Laufveranstaltungen benötigen kein Sprachrohr. Galt diese Aussage auch für die Anfänge des Berlin-Marathons, den sie 1974 aus der Taufe gehoben haben?
MILDE: In den Anfangsjahren war die Zusammenarbeit mit der Polizei nicht ganz unproblematisch. Dort war man der Meinung, dass die Straßen für Autos da sind. Mittlerweile ist die Berliner Polizei stolz darauf, den Marathon mitzuorganisieren, da kommen Beamte aus vielen anderen Städten nach Berlin, um von den Erfahrungen der Berliner Polizei zu profitieren.
Heute steigt der „1. Berliner Knästelauf“, ein 10-km-Lauf für Inhaftierte der sieben Berliner Gefängnisse. Wie kamen sie auf diese Idee?
MILDE: In habe von einer Lauftherapeutin gehört, die in der JVA Plötzensee eine Laufgruppe trainiert. Für die Insassen ist das Laufen ein Ventil und gleichzeitig Therapeutikum. Nach mehreren Gesprächen konnte ich an einer Trainingseinheit teilnehmen. Als die Idee eines Gefängnislaufes aufkam, gab es weitere Gespräche und einen Brief an den Justizsenator, der der Durchführung des Laufes positiv gegenübersteht. Heute wird die einstige Idee in die Praxis umgesetzt. Der Name für den Lauf stammt übrigens von den Inhaftierten.
Wolfgang Horstmann in der Neuen Westfälischen, Freitag, dem 10. Oktober 2014
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