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02
12
2014

Fragliche Arztbesuche - Der Dopingfall Rita Jeptoo - Jürg Wirz, Eldoret in der Neuen Zürcher Zeitung ©Helmut Winter

Fragliche Arztbesuche – Der Dopingfall Rita Jeptoo – Jürg Wirz, Eldoret in der Neuen Zürcher Zeitung

By GRR 0

Dass sich Rita Jeptoo, eine der weltbesten Marathonläuferinnen, aus sportlichen oder wirtschaftlichen Gründen das Blutdopingmittel EPO spritzen liess (NZZ 6. 11. 14), scheint unwahrscheinlich.

Die Kenyanerin stand zum Zeitpunkt der Dopingkontrolle bereits als Gewinnerin der Serie World Marathon Majors fest und hatte damit auch die halbe Million Dollar Preisgeld auf sicher.
Die positive Probe könnte indes von Arztbesuchen herrühren. Wie Recherchen zeigen, hatte die 33-jährige Läuferin in den Wochen und Monaten vor der Trainingskontrolle aus verschiedenen Gründen mehrmals einen Arzt aufgesucht.

Irgendwie müde und krank

Rund zwei Monate vor dem Chicago-Marathon, den Jeptoo am 12. Oktober überlegen gewann, war die Athletin während eines Trainingslaufs von einem Auto angefahren worden. Sie erlitt Prellungen und musste eine Woche lang mit dem Training aussetzen. Zur Behandlung war Jeptoo in einer Klinik in Kapsabet, rund 40 Kilometer südwestlich von Eldoret.

Auch ein paar Tage vor der Dopingkontrolle suchte sie wieder eine Klinik auf. Claudio Berardelli, der Coach von Jeptoo, sagt: «Sie informierte mich, sie habe sich müde und irgendwie krank gefühlt und sich untersuchen lassen. Der Arzt habe festgestellt, dass sie Malaria und eine Form von Typhus habe.»

Berardelli schickte die Läuferin deshalb zu seinem Vertrauensarzt Mauro Saio nach Nairobi. Dieser aber konnte weder Anzeichen für die eine noch welche für die andere Krankheit finden.

Nach dem positiven Dopingbefund führte der Coach in Diensten der Managementfirma Rosa Associati ein längeres Gespräch mit Jeptoo. Heraus kam das Übliche: «Sie sagte mir, sie
habe keine Ahnung, wie die EPO-Spuren in ihren Urin gekommen seien», erzählt Berardelli und lässt offen, ob er seine Topläuferin für ein Opfer oder für die Täterin hält. Er will erst dann nach den Schuldigen suchen, wenn Mitte Dezember die B-Probe das Ergebnis bestätigt.

Zur weiten Verbreitung von Nahrungsergänzungen, die in Kenya ein grundsätzliches Problem darstellt, sagt Berardelli: «Supplements erleben einen richtigen Boom. Viele Ärzte und Apotheker bessern ihr Einkommen mit legalen und illegalen Mitteln auf. Und die heutige Athletengeneration denkt immer mehr, diese Zusätze seien für gute Leistungen unabdingbar.»

Drohungen des Ehemanns

Eine dubiose Rolle spielt in der ganzen Angelegenheit freilich auch Jeptoos Ehemann Noah Busienei, von dem sie getrennt lebt und der jahrelang ihr Trainer war. Laut Berardelli hat sich Busienei nie mit der Situation abgefunden, dass jetzt andere das Sagen haben.

Hinzu kamen immer mehr auch finanzielle Forderungen. «Wir haben ihm im Februar des letzten Jahres nochmals 2500 Dollar bezahlt; er unterschrieb, dass er auf weitere Forderungen verzichten werde», erzählt Berardelli. Doch stattdessen setzte Busienei den Italiener immer mehr unter Druck. Wenn er nicht fünf Prozent all ihrer Einkünfte erhalte, werde er ihn kaltmachen, habe Busienei gedroht, und er habe gesagt: «Rita gehört mir, ich habe als Brautpreis mehrere Kühe für sie bezahlt.»

Busienei liess sogar von einem Anwalt einen Brief an Jeptoo schicken: Er wisse, dass sie dope. Ob er die Karriere seiner Frau zerstörte?

Jürg Wirz, Eldoret in der Neuen Zürcher Zeitung, Donnerstag, dem 27. November 2014

author: GRR

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