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2014

Was er hier vorlegt, ist eine akribische Dokumentation jener Laufdisziplin, die sehr alt ist, aber bei uns erst seit rund 30 Jahren (also nach van Aaken) so richtig zu boomen begonnen hat. Karl Lennartz: Marathonlauf. Von den Anfängen bis van Aaken. Teil 1. Erkrath: Spiridon Verlag 2005. 278 S.; 14, 80 € ©SPIRIDON

Leseempfehlungen für die Zeit zwischen den Läufen – Laufliteratur-Experte Prof. Dr. Detlef Kuhlmann gibt Lektüre-Tipps in LAUFZEIT & CONDITION

By GRR 0

Weihnachtszeit ist Lesezeit. Laufzeit & Condition bietet eine Übersicht mit Leseempfehlungen zwischen den Jahren und zwischen den Läufen. Jedes Jahr erscheinen Laufbücher in zweistelliger Höhe. Die thematischen Zugänge bleiben immer gleich: Es geht in den Texten um das Laufen.

Trotzdem ist jedes Buch zugleich irgendwie anders. Das Laufen bietet offensichtlich unendlich viel Stoff zur Verarbeitung als Buch. Ganz einfach: Wer läuft, hat immer was zu erzählen. Manche schreiben das auf, damit es andere lesen …

Unser Laufliteratur-Experte Prof. Dr. Detlef Kuhlmann, im Hauptberuf Sportpädagoge am Institut für Sportwissenschaft der Leibniz Universität Hannover und ehrenamtlich als Ressortleiter „Kultur“ beim Berlin-Marathon u.a. für den „Literatur-Marathon“ zuständig, stellt einige lesenswerte Werke vor.

Darunter sind bekannte Bücher, die aber bei manchem schon in Vergessenheit geraten sein könnten. Darunter sind aber auch ganz neue, die gerade eben erst erschienen und vielen deshalb vielleicht noch unbekannt sind. Detlef Kuhlmann, der der Zs. Laufzeit seit den Anfängen im Redaktionskollegium verbunden ist, beschränkt sich bei seinen Bücher-Tipps au solche, die jenseits der allgemeinen Ratgeber- und Trainingsanleitungsbücher zum sog. laufliterarischen Genre zählen.

Die Übersicht besteht aus „nur“ zwölf Titeln – also für jeden Monat des Jahres 2015 ein Werk … zu lesen immer schön zwischen den Läufen oder noch genauer:

Zwischen Bronx und Rocky Mountains

Donnerwetter – hier kann man eine Läuferkarriere bestaunen, die ihresgleichen sucht. Björn war ein bekannter Musiker in der DDR, hat sich 1988 in einem waghalsigen Unternehmen nach West-Berlin „rübergemacht“ und ist dann für den Verein „Non Stop Ultra Brakel“ bei Bad Driburg (Nordrhein-Westfalen) an den Start gegangen.

Auf Seite 219 im Buch wird sein 250. Gesamtsieg bei einem Laufwettbewerb gefeiert. Davor liegen Stationen bzw. Siege in den Rocky Mountains, durch die Bronx in New York im Himalaya, in Indien und in Thailand, wo Björn besonders gerne läuft. Das Bild von der Überholspur passt da schon – zumal, wenn man weiß, dass das Erstlingswerk als Auftakt einer Trilogie angekündigt ist …

Björn Grass: Laufen und Leben auf der Überholspur. Hamburg: Tredition 2014. 230 S.; 14,90 €

Zwischen Geschichte und Medizin

Über die moderne Laufbewegung in Deutschland gibt es immer noch keine umfassende zeithistorische Gesamtbetrachtung. Einige Puzzles dafür bietet diese populärwissenschaftlich geschriebene Aufsatzsammlung, die zurückgeht auf eine Vortragsreihe an der Universität Münster.

Die insgesamt 17 Beiträge widmen sich dem Phänomen des Laufens in ganz unterschiedlichen Perspektiven (z.B. Geschichte, Medizin, Ökonomie, aber auch der Lauf-Literatur). Sie versuchen allesamt, aber in je spezifischer Weise die These zu unterstreichen, dass die Laufbewegung hierzulande längst zu einem selbstverständlichen und unübersehbaren Bestandteil der sportiven Alltagskultur geworden ist. Der Sammelband sucht seinesgleichen.

Dieter H. Jütting (Hrsg.): Die Laufbewegung in Deutschland – interdisziplinär betrachtet. Münster: Waxmann 2004. 291 S.; 25,50 €

Zwischen Spiridon und van Aaken

Der Autor ist Anfang des Jahres leider verstorben. Schon allein um sein Lebenswerk als Sporthistoriker zu würdigen und im Gedächtnis zu behalten, verdient dieses Buch Erwähnung: Die Geschichte des Marathonlaufes hat in Deutschland wohl kaum ein anderer so gründlich beforscht wie der Kölner Prof. Dr. Karl Lennartz, der langjährige Leiter des Carl- und Lieselott-Diem-Archivs, der olympischen Forschungsstätte der Deutschen Sporthochschule Köln.

Was er hier vorlegt, ist eine akribische Dokumentation jener Laufdisziplin, die sehr alt ist, aber bei uns erst seit rund 30 Jahren (also nach van Aaken) so richtig zu boomen begonnen hat.

Karl Lennartz: Marathonlauf. Von den Anfängen bis van Aaken. Teil 1. Erkrath: Spiridon Verlag 2005. 278 S.; 14, 80 €

Zwischen Achilles und seinen Versen

Keine Leseliste ohne Achim Achilles – ein Achilles im Jahr muss ein. Wie wäre es mal wieder (oder erstmals?) mit seinem Klassiker, mit dem bei Spiegel online alles begann: Daraus ist nämlich seinerzeit ein super witziges Taschenbuch entstanden: 49 „Achilles` Verse“ wechseln sich jeweils mit „Achilles` Tipps“ zum Laufen ab.

Die Verse sind in aller Regel zwei bis vier Seiten lang, die Tipps zum andauernden Laufen fallen deutlich kürzer aus. Während die Tipps durchaus ernst zu nehmen sind, zeichnen sich die Verse vollends durch Heiterkeit aus.

Und wer es immer noch nicht weiß: Achim Achilles ist Dr. Hajo Schumacher aus Berlin.

Achim Achilles: Achilles´ Verse. Mein Leben als Läufer. München: Wilhelm Heyne Verlag 2006. 222 S.; 7,95 €

Zwischen drüben und drüben

25 Jahre nach dem Fall der Mauer darf ein Buch nicht fehlen, wo es um das Leben „Drüben und Drüben geht“ – genauer um zwei deutsche Kindheiten in Ost und West. Und das soll ein Laufbuch sein? Nein, ganz offensichtlich nicht, aber mindestens in einem Kapitel bei David (15) aus Andernach am Rhein geht es um das Laufen … um das Joggen mit Ursula (fast 18), zumal David nur ihretwegen überhaupt damit anfängt, wie es danach zu ihr geht, wo sie joggingverschwitzt da sitzen und Tee trinken und Platten hören … und?

Selber nachlesen!

Jochen Schmidt & David Wagner: Drüben und Drüben. Zwei deutsche Kindheiten. Reinbek: Rowohlt 2014. 336 S.; 19,95 €

Zwischen Therapie und Selbsthilfe

Das (erste) Deutsche Lauftherapiezentrum in Bad Lippspringe bei Paderborn (Nordrhein-Westfalen) ist im Sommer letzten Jahres 25 Jahre alt geworden. Aus diesem Anlass haben die drei Protagonisten Prof. Dr. Alexander Weber, Klaus Richter und Wolfgang W. Schüler einen Jubiläumsband erstellt, der auch einen Gastbeitrag von Dr. Raphael Richter („Lauftherapeutische Fallstudie mit einer Beispiellösung“) enthält.

Wer noch nie etwas über das Konzept und die Methode des einzigartigen „Paderborner Modells der Lauftherapie“ gehört hat, wird hier fündig und alle, die es im letzten Vierteljahrhundert schon laufend durchlaufen haben, werden sich irgendwo darin wiederfinden. Der Ansatz versteht sich generell als beiläufiger Beitrag zur individuellen Gesundheitsförderung und zur Krankheitsprävention.

Wer wollte dem nicht ausdauernd nacheifern – in Bad Lippspringe oder daheim?

Alexander Weber & Klaus Richter & Wolfgang W. Schüler: Lauftherapie nach dem Paderborner Modell – ein Königsweg zur Selbsthilfe. Bad Lippspringe: Eigenverlag 2013. 118 S.; 9,80 €

Zwischen Gedichten und Geschichten

Lauflyrik ist ein Nischengenre. Wer sich jedoch auf die schönen Texte von Siegfried R. Schmidt einlässt, dessen „Pulsschlag“ geht garantiert höher … oder er sinkt tief, weil die Texte einen Weg zur inneren Entspannung bieten. Auf jeden Fall steht fest: Dieses kleine Büchlein bringt Lauflyrik auf einem hohen Niveau.

Siegfried R. Schmidt, pensionierter Berufsschullehrer aus Berlin, hat hier weit über 50 „Gedichte und Geschichten zum Ausdauersport“ gebündelt, die es in sich haben – egal, ob beim „Marathonsonntag“ oder in der „Läuferballade“ oder …

Siegfried R. Schmidt: Pulsschlag. Gedichte und Geschichten zum Ausdauersport. Willebadessen: Zwiebelzwerg Verlag 2009. 64 S.; 8,50 €

Zwischen westlich und fernöstlich

Wer ist Haruki Murakami? Eine erste sehr schlichte Antwort könnte lauten: Er ist der Günter Herburger von Japan? Aber wer ist denn Herburger noch mal? Genug der Fragen: Beide bekannte Schriftsteller eint, dass sie das regelmäßige ausdauernde Laufen für sich entdeckt haben und dass es ihre künstlerische Arbeit am Schreibtisch irgendwie beflügelt. Beide haben darüber sogar eigens Bücher geschrieben.

Wer also das Buch von Haruki Murakami liest, der erhält Einblicke in die langlebige Lauf- und Schreibkarriere des bekannten japanischen Schriftstellers und kann am Ende selbst entscheiden, was die Laufkarriere dieses Haruki Murakami von der eigenen unterscheidet und was ihm dabei besonders japanisch vorkommt …

Haruki Murakami: Wovon ich rede, wenn ich vom Laufen rede. Köln: Dumont 2008. 168 S.; 16,90 €

Zwischen Nacht und Tag

Wer hat nicht irgendwann schon einmal den Spruch „Irgendwann musst du nach Biel“ gehört? Er stammt von Werner Sonntag, dem Laufliteratur-Nestor, der neulich in Berlin mit dm erstmals vergebenen Horst-Milde-Award für sein Lebenswerk ausgezeichnet wurde. Werner Sonntag kennt Biel wie kein anderer. Er hat über diesen besonders dunklen Lauf über 100 km durch die Nacht ein wunderbares Buch geschrieben, das auch als „Ein Ratgeber für Erststarter“ taucht.

Bei der Lektüre merkt man sofort, dass hier jemand schreibt, der seine persönlichen Erfahrungen wiedergibt – einzig und allein deswegen, damit wir es ihm nachmachen und noch besser machen können, wenn wir denn wollen. Sonntag ist Laufpädagoge.

Werner Sonntag: Bieler Juni-Nächte. Facetten eines Laufjubiläums. Ein Ratgeber für Erststarter. Ostfildern: Verlag Laufen und Leben 2008. 152 S.; 14,- €

Zwischen Leben und Tod

Wenn es bei Laufen um Leben und Tod geht, dann ist meistens von einem Krimi die Rede. Alles nur erfunden – keine Angst, wenn da plötzlich auf der Originalstrecke beim Berlin-Marathon ein Läufer zusammenbricht und am Ende sterben muss. Dieser Krimi spielt tatsächlich am 28. September 2008 (wer erinnert sich?) auf der Originalstrecke des Berlin-Marathons, und zwar exakt bei km 25,1 an der Kaisereiche im beschaulichen Stadtteil Friedenau, wo es danach Richtung Dahlem und wilder Eber geht.

Dort kommt es zu dem tödlichen Sturz eines Läufers namens Walter Wilhelm Wachter. Die Spur führt dann jedoch fernab von Berlin ins Schwabenland, wo der Autor selbst lebt.

Der Tod kommt flüssig daher: ein Energy-Drink, der keiner war.

Das wird dann schließlich aufgeklärt.

Klaus Eckardt: Der Lauf des Todes. Oberschwaben-Krimi. Tübingen: Silberburg-Verlag 2010. 200 S.; 9,90 €

Zwischen Berlin und Addis Abeba

Wer hat dem Berlin-Marathon im letzen Jahrzehnt ein Gesicht gegeben? Mag sein, dass manchen da mehrere Namen einfallen – einer ist bestimmt darunter, weil er Deutschlands größten Marathon mit seinen Leistungen ganz besonders geprägt hat: Haile Gebrselassie ist mittlerweile zur Lauflegende geworden.

Klaus Weidt ist „intimer“ Kenner der Lauflegende, ihm seit vielen Jahren freundschaftlich verbunden, er hat ihn mehrmals schon „vor Ort“ in Addis Abeba (Äthiopien) besucht. Sein Buch zeichnet die einzigartige Laufkarriere von Haile nach … mit vielen großartigen Bildern und äußerst kenntnisreichen Texten;

Klaus Weidt ist einer der renommierten Berliner Sportjournalisten, derzeit Leiter der REISEZEIT, er war Begründer und langjähriger Chefredakteur von LAUFZEIT.

Klaus Weidt: Haile Gebrselassie. Auf den Spuren einer Lauflegende. Aachen: Meyer & Meyer 2011. 174 S.; 16,95 €

Zwischen Start und Ziel

Sorry – wenn ganz am Schluss noch ein Buch von Kuhlmann als Herausgeber vorgestellt wird. Geschrieben haben darin 37 bekannte und weniger bekannte Autorinnen und Autoren – alle über den („ihren“) Berlin-Marathon.

Das Büchlein ist eine Anthologie, kam im letzten Jahr zum 40. Berlin-Marathon heraus und wurde der Öffentlichkeit eine Woche vorher beim 25. Literatur-Marathon in der Kunstfabrik „Schlot“ (bei John Kunkeler) präsentiert. Wenn man so will, wird damit dem Berlin-Marathon ein laufliterarisches Denkmal gesetzt. Die Texte aus den (ersten) 40 Jahren des Berlin-Marathons sind zugleich eine Zeitreise durch das alte Westberlin, bevor ab 1990 (welch Freude!) alles anders wurde – auch die Strecke.

Lauflegende Bernd Hübner erinnert sich im Buch an „sein erstes Mal“ – genauer an den 13. Oktober 1974, als der Berlin-Marathon noch als Berliner Volksmarathon im Grunewald stattfand.

Andere Autorinnen (wie Susanne Mahlstedt und Andrea Wechsler) und Autoren (wie Günter Herburger und Arno Surminski) schreiben über ihre Eindrücke auf der Citystrecke, als das Ziel noch am Kurfürstendamm war. Das Vorwort hat Volker Schlöndorff geschrieben.

Detlef Kuhlmann (Hrsg.): Lit. BERLIN-MARATHON. Texte von der Strecke. Eine Anthologie. Hildesheim: Arete Verlag 2013. 184 S.; 19,90 €

Prof. Dr. Detlef Kuhlmann

Quelle: LAUFZEIT & CONDITION  Dezember 2014

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