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2014

Ob hier der Sport die Wirtschaft beflügelt oder der Kommerz sich des Marathons bedient, ist da letztlich zweitrangig. Der Dollar und vor allem der Yen rollen. Nach wie vor erlebt Honolulu zum Marathon eine Invasion japanischer Teilnehmer, die mehrheitlich eine perfekte Rundumbetreuung genießen. ©HONOLULU Marathon

42. Honolulu-Marathon 2014: Kenianische Dominanz – Wilson Chebet und Joyce Chepkirui gewinnen den Marathon auf Hawaii. Helmut Winter berichtet

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Das von den Vorleistungen her beste Elitefeld der Geschichte sowie günstige äußere Bedingungen ließen für die 42. Ausgabe der Traditionsveranstaltung auf der Hauptinsel Oahu der Inselgruppe Hawaii einiges erwarten.

Was aber am Ende im Ziel im wunderschönen Kapiolani-Park an der Wakiki-Beach leistungssportlich herauskam, war allerdings weniger berauschend.

Pünktlich um 5 Uhr früh waren gut 22.000 Teilnehmer (31.000 waren gemeldet) an den Start gegangen, traditionell begleitet mit einem Feuerwerk. Leichter Sprühregen in der ersten Stunde sorgte für erfrischende Kühle und der Wind wehte in Böen erst außerhalb des Stadtzentrums.

Für die Verhältnisse vor Ort waren dies ausgesprochen günstige Bedingungen und nicht zu vergleichen mit den schwülwarmen Konditionen schon zu Beginn des Laufs im Vorjahr.

Deshalb war es überraschend zu sehen, dass sich bei den Männern die Abläufe aus dem Vorjahr fast wiederholten. Während man nach der ersten Meile in 4:54 Minuten noch bester Dinge sein konnte – für den Streckenrekord von 2:11:21 musste man recht genau einen 5 Minutenschnitt pro Meile laufen -, nahm die afrikanische Elite das Tempo zusehends zurück, und wie im letzten Jahr bestimmte der japanische Hobbyläufer Saeki Makino die erste Hälfte des Rennens. Er schien diesmal die guten Verhältnisse nutzen zu wollen und ging noch schneller an als vor Jahresfrist an gleicher Stelle. Bei 5 km in guten 15:44 lag er schon deutlich vor der Elite, die mit 16:22 hinterher bummelte.

Um der Verschleppung des Tempos in der Anfangsphase aus dem Vorjahr mit 17:33 entgegen zu wirken, kamen zwei Tempomacher zum Einsatz, genutzt hat das aber wenig. Wie schwach die Männer am Anfang agierten, zeigt auch die Tatsache, dass die sehr engagiert anlaufende Kenianerin Sarah Kiptoo mit 16:33 fast zu den Männern aufschließen konnte. Während die Männer bei 5 km fast eine Minute hinter der Durchgangszeit für einen Streckenrekord lagen, war Kiptoo auf Kurs zu einer Weltklassezeit von unter 2:20 Stunden.

Bei den Männern änderte sich an dieser Konstellation auf dem Weg durch die Stadt, an Waikiki-Beach und am Fuß des Diamond Heads vorbei zunächst wenig. Makino brauste vorweg und hielt seinen Vorsprung mit Splits von 31:23 (10km), 48:00 (15 km) und 1:08:23 (HM). Die Elite lag recht konstant bis zur Halbdistanz eine halbe Minute zurück.

Bei den Frauen vollzog sich nach ca. 8 Meilen ein Führungswechsel, die Favoritin Joyce Chepkirui übernahm die Spitze, setzte sich schnell ab und lag beim Halbmarathon nach 1:13:07 auf Kurs zu einem Streckenrekord (2:27:19). Dabei hatte Joyce einen ganz besonderen Tempomacher zur Seite, ihren Ehemann Erick Kogo.

Bei den Männern brauchte die Ablösung des Spitzenreiters Makino deutlich länger. Nach 1:17:20 war der wacker kämpfende Japaner bei ca. 14 Meilen eingeholt und musste einer siebenköpfigen Gruppe die Führung überlassen. Etwas überraschend war der Vorjahressieger Gilbert Chepkwony vorne schon nicht mehr dabei.

In guter Tradition fiel die Entscheidung, nachdem die Führungsgruppe auf dem Rückweg den Highway hinter sich gebracht hatte und den Anstieg am Diamond Head in Angriff nahm. Dort war es zunächst der Debütant Paul Loyangata, der versuchte, sich von den Mitstreitern zu lösen. Doch seinen Landsmann Wilson Chebet sowie der Ätiopier Geb Abraha konnte er nicht abschütteln. 4 km vor dem Ziel attackierte dann Chebet.

Dem Antritt des Boston-Zweiten aus diesem Jahr und dem Seriensieger in Amsterdam konnten seine beiden Mitstreiter nicht folgen. Zu diesem Zeitpunkt wurde der Lauf erstmals sehr schnell, so dass der 5 km-Part von 35 km nach 40 km incl. Anstieg in 15:20 absolviert wurde. „Mr. Amsterdam" zog davon, hatte bereits bei 40 km 15 Sekunden Vorsprung, der bis ins Ziel auf eine halbe Minute anwuchs.

Mit der international bescheidenen Zeit von 2:15:35 siegte Chebet vor Loyangata in 2:16:04 und Abraha in 2:16:27. Der große Favorit Yemana Adhane wurde völlig erschöpft in 2:17:54 nur Fünfter, der Mann lief seine letzten Marathons über 10 Minuten schneller. Und bereits auf Platz 7 folgte in 2:27:26 mit dem Japaner Taku Harada der erste Nichtafrikaner. Der Hauptakteur der ersten Hälfte musste am Ende für sein überzogenes Tempo büßen und kam erst nach 2:41:13 als 24. ins Ziel.

Wie schwer dem mutigen Makino der zweite Part gefallen sein muss, zeigt sein extrem „positiver" Split von 1:08:23 zu 1:32:50 für die beiden Hälften. Ein wenig von seinem großen Kämpferherzen hätte man sich für die Männerelite gewünscht, die aus welchen Gründen auch immer mit übergroßem Respekt ins Rennen ging.

Makino wurde auch noch von den besten Frauen eingesammelt. Joyce Chepkirui wurde im Schlussteil deutlich langsamer, siegte aber in 2:30:23 unangefochten vor der US-Kroatin Lisa Nemec in 2:31:35 und Isabella Ochichi in 2:32:22. Für Valentina Galimova, der Siegerin von 2012, reichte es in 2:32:26 nicht aufs Podium. Und auch die Frau der ersten Stunde musste für ihr mutiges 2:20er-Tempo büßen. Sarah Kiptoo wurde in 2:43:51 nur Achte. Auch bei den Frauen international eher bescheidene Zeiten.

Ob man unter solchen Voraussetzungen dann überhaupt noch eine Elite braucht, wurde im Vorfeld vom Racedirector Berhall im Interview mit Tony Reavis ausdrücklich bejaht. Prinzipiell ist dieser Standpunkt ohne Einschränkung zu vertreten, bei den Abläufen in Honolulu – vor allem in den letzten beiden Jahren – kommen da doch Zweifel auf. Und auch bei Berücksichtigung aller Randbedingungen war in der Breite das Leistungsniveau erschreckend schwach. Für einen Lauf mit 22000 Startern schafften incl. Elite gerade einmal 22 Aktive eine Zeit von unter 2:40. Das ist schon bitter, wie auch die Tatsache, dass nur 96 Zeiten unter der magischen Grenze von 3 Stunden erzielt wurden.

Keine Frage, der Schwerpunkt des Honolulu-Marathons liegt in anderen Segmenten. Das beginnt mit einer einmaligen Kulisse (obwohl man in der Dunkelheit in den ersten zwei Stunden so gut wie nichts sieht) und endet in einem kommerziellen Modell, das in dieser Ausprägung seinesgleichen sucht. Das der „ökonomische Impact" gewaltig ist, scheint schon nach ersten Eindrücken der Szenerie unbestritten.

Ob hier der Sport die Wirtschaft beflügelt oder der Kommerz sich des Marathons bedient, ist da letztlich zweitrangig. Der Dollar und vor allem der Yen rollen. Nach wie vor erlebt Honolulu zum Marathon eine Invasion japanischer Teilnehmer, die mehrheitlich eine perfekte Rundumbetreuung genießen.

Flüge zwischen Japan und Honolulu sind in der Marathonwoche so gut wie ausgebucht, wie auch die meisten Hotels. Mehrere 10.000 japanische Marathontouristen incl. Anhang bevölkern einer Invasion gleich die Stadt. Und in allen Belangen geht man auf die Bedürfnisse dieser Klientel ein.

Das bezieht sich auch auf den zeitlich nicht begrenzten Zieleinlauf, um ein Finisher-Shirt zu erlangen. Da nur gut 11.000 Finisher das Ziel in anderswo üblichen 6 Stunden erreichen, ist man auch gut beraten, den Zielkanal noch mehr als doppelt so lange offen zu halten. Die zweite Hälfte der 22068 Starter würde sonst leer ausgehen.

Mit 21.811 registrierten Zieleinläufen ist die Finisherquote in Honolulu extrem hoch. Das sind fast 99 %! Und wer miterlebt hat, wie beseelt fast alle Teilnehmer auf den hinteren Platzierungen den Sieg gegen die Strecke und sich selbst feiern, der kann denen das auch nur von Herzen gönnen.

Somit hat der Honolulu-Marathon sicher seinen Platz in der internationalen Laufszene. Die sportlichen Topleistungen und Rekorde wird man allerdings der Konkurrenz in anderen Regionen auf dem Globus überlassen müssen.

Helmut Winter

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Resultat vom 42. Honolulu-Marathon 2014

1.

Wilson Chebet

KEN

2:15:35

2.

Paul Longanyata

KEN

2:16:04

3.

Geb Abraha

ETH

2:16:27

4.

Benjamin Kolum

KEN

2:16:37

5.

Yemane Adhane

ETH

2:17:54

6.

Nicholas Chelimo

KEN

2:17:59

7.

Taku Harada

JPN

2:27:26

8.

Julius Arile

KEN

2:28:23

9.

Tatsuya Ito

JPN

2:29:52

10.

Joyce Chepkirui

KEN

2:30:23

11.

Lisa Nemec

CRO

2:31:35

12.

Hiroki Yamaguchi

JPN

2:32:09

13.

Isabella Ochichi

KEN

2:32:22

14.

Valentina Galimov

RUS

2:32:26

15.

Woynishet Girma

ETH

2:33:20

Inoffizielle Splits der Männer:

 5 km

15:44 (Makino)
16:22

 

10 km

31:23 (Makino)
31:50

15:39
15:28

15 km

48:00 (Makino)
48:45

16:37
16:55

20 km

1:04:17 (Makino)
1:04:50

16:17
16:05

 HM

1:08:23 (Makino)
1:08:40

 

25 km

1:21:20 *

16:30

30 km

1:37:47

16:37

35 km

1:53:37

15:50

40 km

2:08:57 c

15:20

 Ziel

2:15:35

 6:38

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author: GRR

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