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18
02
2015

Sergej Bubka will Präsident des Internationalen Leichtathletik-Verbandes werden - Beim Interview mit Wolf-Dieter Poschmann in der 02- Arena beim ISTAF Indoor Berlin ©Horst Milde

Welt-Leichtathletik-Verband Pokerface Sergej Bubka möchte Präsident werden – Michael Reinsch, Berlin in der Frankfurter Allgemeinen zeitung

By GRR 0

Sergej Bubka schaut entspannt zu, als Renaud Lavillenie 6,17 Meter auflegen lässt. Der Mann mit dem zurückgegelten Haar im dunklen Anzug weiß: Vor allem ist dies Show. Der Franzose will den 12.500 Zuschauern nicht nur einen seiner vielen Siege zeigen. Er will sie erleben lassen, wie er, der den Weltrekord hält, an die Grenze des Möglichen geht.

Bubka hat das selbst Dutzende Male so gemacht. Bis heute hält er mit 6,14 Meter den Weltrekord an der frischen Luft. Er weiß, dass man in dieser Disziplin nie wissen kann, was geht. 35 Mal hat er den Weltrekord verbessert. Erst vor einem Jahr hat Lavillenie Bubkas Hallen-Weltrekord übertroffen, mit 6,16 Meter, ausgerechnet bei Bubka zu Hause in Donezk. Er freue sich, hatte Bubka damals gesagt. Es sei höchste Zeit gewesen, dass der beste Stabhochspringer die fast 21 Jahre alte Bestmarke übertreffe.

Und er freue sich, dass Lavillenie Donezk dafür gewählt habe, wo er einst zu seiner Bestleistung flog. Bubka war am Wochenende auch deshalb in Berlin, weil die Arena in Donezk zerstört ist. Russische Separatisten oder ukrainische Verbände, wer weiß das schon, haben in ihrem Krieg eine Artilleriegranate dort hineingeschossen. „Ich weiß, dass ich dort hin nicht zurückkehren kann“, sagt Lavillenie. „Die Lage ist schrecklich für die Menschen dort und erfüllt mich mit großer Trauer.“

Lavillenie dürfte einer der wenigen sein, die wissen, in welchem Maße dies auch für Bubka gilt. Die Veranstalter des Berliner Istaf hatten ihn, der inzwischen 51 Jahre alt und Präsident des Nationalen Olympischen Komitee der Ukraine ist, eingeladen, seinen Wettbewerb nach Berlin zu verlagern. Doch Bubka lehnte ab. Nach Berlin jedoch kam er gern. Anfang der neunziger Jahre, als die Stadt sich um die Olympischen Spiele 2000 bewarb, lebte er für einige Jahre hier.

Berlin bezahlte ihn als Olympia-Botschafter und brachte ihn und seinen Bruder, ihre Frauen und Kinder sowie zwei Trainer in der Nähe des Olympiastadions unter. Es war die Zeit, als die Sowjetunion zerfiel und die Top-Athleten lernten, sich als Unternehmer in eigener Sache zu vermarkten.

Bubka wurde in Donezk geboren

„Der sowjetische Verband hatte immer mein Antrittsgeld und meine Prämien kassiert“, erinnert sich Bubka. „Rund zwanzig Weltrekorde bin ich praktisch umsonst gesprungen. Man konnte glücklich sein, wenn man eine Wohnung und ein Auto bekam. In der Sowjetunion war ich reich. Erst als sich alles änderte, wurde ich Profi. So konnte ich für meinen Vater und für meine Mutter sorgen. Für die Familie meiner Frau. Für die Familie meines Bruders. Jeder war auf sich allein gestellt damals.“

In Donezk ist Bubka geboren, in Lugansk seine beiden Söhne. Die Städte sind Hochburgen der von Russland unterstützten Separatisten. Seine Mutter lebt dort, sein Bruder mit der Familie. „Wir beten für Frieden“, sagt Bubka. Über die Lage dort, über den Zustand der beiden Brotfabriken und der Tankstellen, die er gemeinsam mit seinem Bruder betreibt, will er nicht sprechen. So viel immerhin ist zu erfahren: Seine Frau und seine Söhne, von denen der älteste Tennis-Profi geworden ist, sind in Sicherheit.

Selbstverständlich muss Bubka über sich und seine Geschäfte sprechen. Schließlich wird er mit Sebastian Coe, dem einstigen Läufer, dem Mann, der die Olympischen Spiele 2012 nach London holte und organisierte, um die Nachfolge von Lamine Diack als Präsident des Welt-Leichtathletikverbandes IAAF konkurrieren.

Denn zum Lebenslauf von Bubka gehören auch vier Jahre als Abgeordneter im ukrainischen Parlament – angeblich als Mitglied der Russland zugewandten Partei der Regionen. Er habe sein Leben dem Sport gewidmet, sagt Bubka in Berlin, ins Parlament sei er 2002 in der Ära des Präsidenten Leonid Kutschma lediglich gegangen, um im Ausschuss für Jugend, Kultur, Sport und Tourismus arbeiten zu können

Als er in Nachfolge von Janukowitsch, seinerzeit ab- und wiedergewählter Ministerpräsident, Präsident des NOK wurde, legte er sein Parlamentsmandat nieder. Gefolgsmann von Janukowitsch, den vor einem Jahr erst die gewaltsamen Massenproteste auf dem Majdan aus dem Präsidentenamt trieben, sei er niemals gewesen, beteuert Bubka. „Mit zwanzig war ich Mitglied der Kommunistischen Partei der Sowjetunion. Als die Sowjetunion verschwand, sagte ich mir: Ich werde niemals mehr in meinem Leben Mitglied irgendeiner Partei sein“, versichert er. „Ich habe mich daran gehalten.“

Bubka wehrt sich gegen Spekulationen

Dann ist da noch der Ruf von sagenhaftem Reichtum, um nicht zu sagen: von Bereicherung. Ein Vermögen von 350 Millionen Dollar schreiben Zeitungen und das deutsche Wikipedia Bubka zu. Er lässt nicht erkennen, ob er fassungslos ist oder ein Pokerface aufsetzt, als er damit konfrontiert wird. Das Geld soll er bei der Verstaatlichung der ukrainischen Rodovid-Bank 2009 eingestrichen haben; 2,8 Milliarden Hrywnja ließ es sich die Ukraine damals kosten, die Aktionäre auszubezahlen, um die Bank zu retten. Ein Wahlzettel für den Aufsichtsrat im März 2009 weist für den Kandidaten Sergej Nazarowitsch Bubka einen Eigentumsanteil von 0,75 Prozent aus; nach damaligem Kurs – die ukrainische Währung war eingebrochen – könnte das zwischen 1,8 und rund 2 Millionen Euro entsprechen.

„Das ist nicht wahr“, sagt Bubka zu diesen Spekulationen. „Ich habe dort nichts verdient, keinen Pfennig.“ Der Posten des Präsidenten, als der er genannt wurde, sei ein Ehrenamt gewesen. „Das einzige Geld, das ich je verdient habe, stammt aus meiner Zeit als Athlet“, versichert er. Und das habe er, mehr aus Verantwortungsbewusstsein denn aus Profitdenken, in der Ukraine investiert.

Ist Bubka nicht angeschlagen, seit er gegen Thomas Bach um die Präsidentschaft des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) kandidierte und mit lediglich vier Stimmen scheiterte? „Die Bewerbung war eine phantastische Erfahrung“, behauptet er. Einer der Ersten, die er von seiner Kandidatur in Kenntnis setzte, war der herausgeforderte Thomas Bach. Dafür flog er nach Frankfurt: „Thomas und ich waren schon immer Freunde.“

Nun sind der Elan des neuen IOC-Präsidenten und dessen Einbeziehung der gescheiterten Rivalen ihm ein Beispiel: „So würde ich das gern auch in der Leichtathletik machen: mit allen Partnern offen sprechen und mit allen Teilhabern. Ein Präsident sein für alle.“ Bach hilft ihm, die Grenzen des Möglichen zu verschieben:. Wenn das IOC im vergangenen Jahr nicht 300.000 Dollar überwiesen hätte, sagt Bubka, hätten ukrainische Nationalmannschaften nicht an internationalen Wettbewerben teilnehmen können. „Es ist sehr wichtig, dass wir uns zeigen“, sagt Bubka, „dass wir unser Land international vertreten.“
Hohe Erwartungen von Bubka an Trainer

Seit zehn Jahren fordere er, sagt Bubka, bei systematischem Doping auch Trainer und Betreuer zu bestrafen. Die Verschärfung des Wada-Codes hält er auch sich und seiner Arbeit im IOC zugute. Dennoch: „Wir sind schwach. Wir brauchen das Engagement der Regierungen, den Zoll, die Polizei, die Forschung. Ich bin nicht glücklich, wenn ich die Fälle sehe. Aber ich sehe das Positive: Wir werden stärker. Wir bringen sie ans Licht.“

Über das systematische Doping in Russland, welches das deutsche Fernsehen ans Licht brachte, gibt er sich schockiert: „Wenn das wirklich so ist, ist das ein Desaster. Es gibt keine Entschuldigungen. Wer überführt wird, für den ist es vorbei im Sport.“

Auch deshalb richtet Bubka an Trainer besonders hohe Erwartungen. „Eltern vertrauen ihnen ihre Kinder an. Dieser Verantwortung hat auch die IAAF gerecht zu werden“, sagt er. „Trainer sind für mehr verantwortlich als gute Ergebnisse. Sie erziehen junge Menschen für ein Leben, das nicht nur aus Sport besteht. Es darf nicht sein, das Trainer sagen: Geh nicht zur Schule, sei erfolgreich.“

Michael Reinsch, Berlin in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Dienstag, dem 17. Februar 2015

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