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18
06
2015

An diesem Mittwoch findet im Bundestag eine Anhörung zum Anti-Doping-Gesetz statt. Der Sachverständige Dieter Rössner erklärt im FAZ.NET-Interview, wie aus dem Besitz der Mittel eine Vorverurteilung von Sportlern wird.

Dieter Rössner im Gespräch – „Das Anti-Doping-Gesetz ist notwendig“ – Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung

By GRR 0

Darf vom Besitz der Mittel auf die Doping-Absicht geschlossen werden?

 

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Sie werden bei der öffentlichen Anhörung zum Anti-Doping-Gesetz am Mittwoch einer von acht Sachverständigen sein. Überraschend haben Sie bei einem aktuellen Workshop an der Humboldt-Universität die vieldiskutierte Besitzstrafbarkeit in Frage gestellt. Warum?

Ich glaube, die Diskussion um diese Frage verdeckt, dass es bei der absolut notwendigen Strafbarkeit des Eigen-Dopings eigentlich nicht um den Besitz, sondern um die Anwendung der Doping-Substanzen und -Mitttel zur Verfälschung des Wettbewerbs geht. Da ist der Besitz nur ein Durchgangsstadium zum Unrecht. Ich kann verstehen, dass die Athleten befürchten, ihre Rechte würden unverhältnismäßig tangiert.

Warum sind Sie gegen den Kern des Gesetzes, für das Sie seit mehr als zehn Jahren kämpfen?

Der Besitz von Doping-Mitteln ist nicht der Kern des strafrechtlichen Vorwurfs, sondern deren Anwendung zur Teilnahme am Wettkampf unter Verletzung der Chancengleichheit. Das sollte klar zum Ausdruck kommen. Daher ist der Tatbestand des Eigen-Dopings darauf zu konzentrieren. Eine Besitzstrafbarkeit im Strafrecht ist in diesem Kontext sehr problematisch, da sie Anklänge an das „strict-liability“-Prinzip im Sportverfahren hat und die staatlichen Ermittler verleiten könnte, den subjektiven Tatbestand, also den Vorsatz, nicht mehr ausreichend zu prüfen. Das Gesetz bringt die Ermittler in die Situation, schon aus dem Besitz auf die Absicht des Dopings zu schließen. Es ist eine reale Gefahr der Praxis, nicht nur beim Doping, dass bei subjektiven Tatbeständen mit eindeutig objektivem Befund – wie dem Besitz – nicht im Zweifel für den Beschuldigten entschieden, sondern der Vorsatz indiziell unterstellt wird. So leuchtet ein, dass im Rahmen des strafrechtlichen Eigentumsschutzes ein Diebstahl nicht schon angenommen wird, wenn der potentielle Dieb im Besitz von Einbruchswerkzeug ist.

Der Besitz als Vorverurteilung, wie es Betty Heidler und Robert Harting befürchten? Hat die Einlassung der beiden, dass Athleten angreifbar werden für einen Anschlag, eine Rolle gespielt bei Ihrem Sinneswandel?

Sie haben mich darauf aufmerksam gemacht, wie man sich fühlt, wenn man davon bedroht sein kann. Aber der geschilderte Fall…

… jemand steckt ihnen ein Doping-Mittel in die Tasche…

… ist nicht ganz entscheidend. Es könnte ja auch sein, dass jemand sich Mittel besorgt hat, aber noch unentschieden ist und die Werte des Sports vor der Anwendung die Oberhand gewinnen. Die goldene Brücke des Rücktritts vom Handeln auf dem Weg zu einer Straftat sollte hier wie auch sonst im Strafrecht bleiben. Zumal: Es entsteht keine Strafbarkeitslücke, wenn man die Besitzstrafbarkeit als solche streicht. Es wird vielmehr auf das zentrale Geschehen des Eigen-Dopings abgestellt: Die tatsächliche und gezielte Anwendung der Doping-Substanzen in der Vorbereitung und im Wettkampf selbst.

Der Besitzer will die beschafften Mittel in der Regel aber anwenden.

Ja natürlich, und im Rahmen der vorgesehenen Versuchsstrafbarkeit sind Erwerb und Besitz bei sicher nachweisbarem Vorsatz auch relevant. Es geht aber darum, strafrechtliche Prinzipien und Schutzmechanismen – hier vor allem den subjektiven Schuldnachweis – nicht zu vernachlässigen. Zwar schreibt das Gesetz in seinem Entwurf vor, dass der Besitz nur strafbar ist, wenn dies zu Doping-Zwecken geschieht. Aber die Gefahr in der Praxis ist, dass man leicht darüber hinwegliest. Das ist menschlich, und aus dem objektiven Befund Besitz wird schnell auf die Absicht der Verwendung geschlossen. Dass solche Möglichkeiten potentiell Betroffene beunruhigen, ist nachvollziehbar. Der Staat darf und kann im Strafrecht nicht dem Sport und dessen Grundsatz der „strict liability“ nacheifern.

… der Verantwortung des Athleten für alle Substanzen, die wie auch immer in seinen Körper gelangt sind. Schwächen Sie nicht die Bekämpfung von Doping?

In der Verbandsgerichtsbarkeit bleibt es ja bei dem Prinzip der „strict liability“, weil die strafrechtlichen Prinzipien dort nicht unmittelbar gelten. Im staatlichen Strafrecht ist Doping nicht das schwerste aller Verbrechen. Es darf keinen Kreuzzug geben, aber natürlich den gegen Eigen-Doping notwendigen rationalen Einsatz strafrechtlicher Kontrolle. Der Versuch der Anwendung ist strafbar. Das reicht im Hinblick auf den Besitz.

Sie haben nach einer Laufbahn als Staatsanwalt, Richter und Hochschulprofessor Radprofi Stefan Schumacher vor Gericht verteidigt. Warum setzen Sie sich für einen Doper ein, wenn Sie ihn strafrechtlich belangt sehen wollen?

Ich wollte beweisen, dass die Profis nicht Einzeltäter sind. Ich wollte verhindern, dass diejenigen, die das System aufgezogen und betrieben haben, den einen, der zum Nutzen vieler Beteiligter gefahren ist, im seltenen Entdeckungsfall als Sündenbock inszenieren und selbst davonkommen. Das Anti-Doping-Gesetz richtet sich auch, und das begrüße ich aufgrund dieser Erfahrung, gegen die Hintermänner. Vor diesem Freispruch in einem Verfahren wegen Betrugs, in dem eine Täuschung des Sportlers und ein entsprechender Irrtum beim Teamchef im Doping-System nicht belegt werden konnten, hatte ein Teil des organisierten Sports gehofft, ein spezifisches Anti-Doping-Gesetz im Hinblick auf eine mögliche Betrugsstrafbarkeit als unnötig verhindern zu können. Deshalb war dieser Prozess sportpolitisch so wichtig.

Der Sport wollte es beim Straftatbestand des Betruges belassen.

Es war irrsinnig: Die Argumentation der Anklage basierte darauf, dass der Rennstall das Betrugsopfer war, weil er den Fahrer gut bezahlte und weil dieser versichert hatte, sauber zu sein. Wenn das gelungen wäre, hätte man gesagt, der Straftatbestand existiert schon. Ein Anti-Doping-Gesetz ist überflüssig.

Sie haben einen Doper verteidigt, um Doping strafrechtlich bekämpfen zu können?

Das Anti-Doping-Gesetz ist notwendig, weil es – abgesehen vom Missbrauch von Kindern und Jugendlichen – im Doping nicht Täter und Opfer gibt, sondern nur Täter – sozusagen Partner im Verbrechen. Manche stehen vorn, manche im Hintergrund, alle schweigen, aber viele wissen Bescheid. Da gibt es keinen Irrtum und keine Täuschung. So ist ja auch das Urteil ausgefallen im Fall Schumacher. Daraufhin fiel ein wichtiges Argument der Sportorganisation im Streit gegen das Anti-Doping-Gesetz weg. Mit dem neuen Gesetz kann durch strafrechtliche Ermittlungsmethoden das Kartell des Schweigens von außen in Zusammenarbeit mit dem Sport effektiv angegangen werden.

Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Dienstag, dem 16. Juni 2015

Weitere Beiträge zum Thema DOPING finden Sie auf der GRR-website: "DOPING"

"DOPING"

 

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