2015 World Outdoor Championships Beijing, China August 22-30, 2015 Photo: Jiro Mochizuki@PhotoRun Victah1111@aol.com 631-291-3409 www.photorun.NET
Leichtathletik-WM-Bilanz: Das eigene Ding ist wichtiger als Medaillen – Michael Reinsch, Peking in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung
Das mit der Begeisterung muss Katharina Molitor wohl noch lernen. Als wäre die Dramaturgie ebenso wichtig wie der Erfolg, haute die 1,83 Meter große Athletin im allerletzten Wurf des Speerwerfens der Leichtathletik-Weltmeisterschaft von Peking 67,69 Meter raus, 1,56 Meter weiter als der bis zu diesem Moment am Sonntagnachmittag beste Wurf des Wettbewerbs, den der Chinesin Lyu Huihui.
Katharina Molitor riss die Arme hoch, bevor die Weite angezeigt wurde. Dann zog sie erst mal die Trainingsjacke an. Die deutsche Flagge, die ihr jemand zuwarf, legte sie wie eine Serviette über den Unterarm und entschied sich dann, nach kurzem Hin und Her, gegen eine Ehrenrunde.
„Du musst jetzt ausrasten“, habe sie der Weltmeisterin zugerufen, erzählte Christina Obergföll, doch sie habe zur Antwort bekommen: „Feiern werde ich heute Abend.“
Der Gleichmut der 31 Jahre alten Studentin mag darin begründet sein, dass sie jahrelang im Schatten anderer Speerwerferinnen stand. Da war zunächst Steffi Nerius, mit der gemeinsam sie bei Helge Zölkau in Leverkusen trainierte, Europameisterin 2006, Weltmeisterin 2009. Da war Christina Obergföll, Zweite und Dritte bei Olympia und Weltmeisterin von Moskau 2013. Und da war Linda Stahl, Europameisterin von 2010 und Olympia-Dritte von London.
Und dann tauchte das Talent Christin Hussong auf.
Katharina Molitor hatte eine so schreckliche Saison 2014, dass sie sich und ihren Trainer fragte, ob sie überhaupt noch eine Perspektive im Sport habe. Sie unterbrach ihr Lehramtsstudium, machte Pause vom Volleyball – sie spielt mit Bayer Leverkusen in der zweiten Liga – und stellte ihre Technik um. Um gut drei Meter hat sie seitdem ihre Bestleistung verbessert. Als es am Sonntag darauf ankam, tat sie den Wurf ihres Lebens. „Ich habe mir gesagt: Leg alles rein und guck, was rauskommt“, sagte sie über ihren letzten Versuch.
Christina Obergföll, Weltmeisterin von Moskau 2013, war gut ein Jahr nach der Geburt ihres Sohnes zufrieden mit Platz vier und ihrer Nachfolgerin. „Ich bin zufrieden, ich habe das Maximum rausgeholt“, sagte sie. „Ich bin froh, dass wir das Ding mit nach Hause nehmen und nicht die anderen.“
Titelverteidigerin Obergföll zu Weltmeisterin Molitor: „Du musst jetzt ausrasten“
Das passte gut zur Stimmung im deutschen Team. Die Freude ist größer als der Erfolg. Nicht, dass die deutschen Leichtathleten schlecht abgeschnitten hätten in Peking. Im Gegenteil. Doch die lachenden Gesichter der deutschen Sportlerinnen und Sportler überstrahlten all ihre Medaillen, die der deutschen Mannschaft Position sieben im Medaillenspiegel verschafft haben.
Insgesamt acht Medaillen – auch zwei bei den Läuferinnen
Die Siege von Katharina Molitor zum Schluss im Speerwerfen und von Kugelstoßerin Christina Schwanitz zum Auftakt, dazu die unverhofften Erfolge der Hürdensprinterin Cindy Roleder (Silber) und der Hindernisläuferin Gesa Krause (Bronze) sowie die Bronzemedaille des Zehnkämpfers Rico Freimuth waren gewiss die größten Überraschungen des deutschen Teams, während Christina Obergföll, David Storl und Raphael Holzdeppe – alle drei Titelverteidiger – sich souverän über ihr Abschneiden freuen konnten; die junge Mutter Obergföll als Vierte, Storl eher gefasst mit seiner Silbermedaille und Holzdeppe durch und durch glücklich mit Platz zwei nach zwei rabenschwarzen Jahren.
Glücklicher Zweiter statt erster Verlierer: Raphael Holzdeppe
Storl und Holzdeppe standen dafür, dass der Zweite nicht der erste Verlierer ist, sondern ein Medaillengewinner, der stolz sein kann. Nadine Müller verdrückte ein paar Tränen, als sie im Diskuswerfen Dritte geworden war – der Beweis, dass sie nach langwieriger Rekonvaleszenz wieder zu den Besten der Welt gehört. Thomas Röhler strahlte gar vor Glück, nachdem er den Speer fünf mal über 86 Meter, zwei Mal davon sogar über 87 Meter geworfen hatte – und doch nur auf Platz vier landete.
Wer Bestleistung aufstellt, fragt nicht nach Plazierung
Auch Zehnkämpfer Freimuth war begeistert, Teil eines Wettbewerbs gewesen zu sein, den man lange nicht vergessen wird. Freimuth holte die Bronzemedaille und ist Zweiter in der Thronfolge der Könige der Athleten. „Wenn man eine Bestleistung aufstellt“, sagte sein Mannschaftskamerad Michael Schrader, „ist die Frage der Plazierung unwichtig.“ Marie-Laurence Jungfleisch, die zum ersten Mal 1,99 Meter übersprang, war glücklich über ihre Leistung – als Vierte.
Persönliche Bestleistung im WM-Finale: Marie-Laurence Jungfleisch
Die deutschen Sprinterinnen freuten sich, das Staffel-Finale erreicht zu haben, in 42,64 Sekunden auf Platz fünf zu kommen und damit wohl die Olympia-Qualifikation erreicht zu haben. Die Männer rückten durch die Disqualifikation der Amerikaner vom fünften Platz, über den sie sich gefreut hatten, auf den vierten vor – und waren plötzlich in der unglücklichen Lage, in 38,15 Sekunden die Bronzemedaille um zwei Hundertstelsekunden verpasst zu haben.
Konkurrenz wie nie bei 2000 Teilnehmern aus mehr als 200 Ländern
„Es wäre unfair und menschlich falsch“, fand Freimuth, „wenn man mit der Bestleistung eines Athleten nicht zufrieden ist.“ Er sprach damit Erwartungen an, mit denen unter anderem die Sportförderung in Deutschland und in diesem Jahr Bundesinnenminister Thomas de Maizière die Verbände und damit auch die Athleten unter Druck setzt. Ein Drittel mehr Medaillen erwartet de Maizière bei Olympischen Spielen vom Team Deutschland.
Schon jetzt herrscht Konkurrenz wie nie mit rund 2000 Teilnehmern aus mehr als 200 Ländern. Platz vier in der Punktwertung, in die Plazierungen in den Top 8 einfließen, sogar als bestes Team Europas hinter den Vereinigten Staaten, Kenia und Jamaika ist aller Ehren wert. „Die Zahlen des Medaillenspiegels entsprechen nicht der Entwicklung des Leistungssports in Deutschland“, sagt Chef-Bundestrainer Idriss Gonschinska.
Erfolgreicher Zehnkämpfer Freimuth: Man muss sein eigenes Ding machen
Vier deutsche Speerwerferinnen im Finale am Sonntag – „Erfolg gebiert Erfolg“, sagt Gonschinska. „Wir bewegen uns in einem Spannungsfeld, in dem wir Visionen und Träume fördern“, sagte Gonschinska, benannte aber auch die Hypothek: „Manipulationsfreiheit ist schwer zu sichern.“
Zehnkämpfer Freimuth beschrieb, wie das in der Praxis aussieht.
„Mich macht das sauer, wenn ich die Dokumentationen im Fernsehen sehe“, sagte er. „Und dann kommt in unserer Disziplin Bourrada aus Algerien von einer Doping-Sperre zurück und stellt einen Afrika-Rekord auf. Man kann als Athlet daran nichts ändern und muss sein eigenes Ding machen. Aber der Gedanke ist natürlich immer im Hinterkopf, dass ich verarscht werde.“
Das eigene Ding: Das ist es, wenn die Freude noch größer ist als der Erfolg.
Michael Reinsch, Peking in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Montag, dem 31. August 2015
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Rank | Country | Total | |||
---|---|---|---|---|---|
1 | KENYA | 7 | 6 | 3 | 16 |
2 | JAMAICA | 7 | 2 | 3 | 12 |
3 | UNITED STATES | 6 | 6 | 6 | 18 |
4 | GREAT BRITAIN & N.I. | 4 | 1 | 2 | 7 |
5 | ETHIOPIA | 3 | 3 | 2 | 8 |
6 | POLAND | 3 | 1 | 4 | 8 |
7 | CANADA | 2 | 3 | 3 | 8 |
7 | GERMANY | 2 | 3 | 3 | 8 |
9 | RUSSIA | 2 | 1 | 1 | 4 |
10 | CUBA | 2 | 1 | 0 | 3 |
11 | PR OF CHINA | 1 | 7 | 1 | 9 |
12 | NETHERLANDS | 1 | 1 | 1 | 3 |
13 | SOUTH AFRICA | 1 | 0 | 2 | 3 |
14 | BELARUS | 1 | 0 | 1 | 2 |
15 | COLOMBIA | 1 | 0 | 0 | 1 |
15 | CZECH REPUBLIC | 1 | 0 | 0 | 1 |
15 | ERITREA | 1 | 0 | 0 | 1 |
15 | SPAIN | 1 | 0 | 0 | 1 |
15 | SLOVAK REPUBLIC | 1 | 0 | 0 | 1 |
20 | AUSTRALIA | 0 | 2 | 0 | 2 |
20 | CROATIA | 0 | 2 | 0 | 2 |
22 | BAHAMAS | 0 | 1 | 1 | 2 |
22 | TRINIDAD AND TOBAGO | 0 | 1 | 1 | 2 |
22 | UKRAINE | 0 | 1 | 1 | 2 |
25 | BELGIUM | 0 | 1 | 0 | 1 |
25 | BRAZIL | 0 | 1 | 0 | 1 |
25 | EGYPT | 0 | 1 | 0 | 1 |
25 | ISRAEL | 0 | 1 | 0 | 1 |
25 | TAJIKISTAN | 0 | 1 | 0 | 1 |
25 | TUNISIA | 0 | 1 | 0 | 1 |
31 | FRANCE | 0 | 0 | 2 | 2 |
32 | BOSNIA-HERZEGOVINA | 0 | 0 | 1 | 1 |
32 | BAHRAIN | 0 | 0 | 1 | 1 |
32 | FINLAND | 0 | 0 | 1 | 1 |
32 | GREECE | 0 | 0 | 1 | 1 |
32 | GRENADA | 0 | 0 | 1 | 1 |
32 | JAPAN | 0 | 0 | 1 | 1 |
32 | KAZAKHSTAN | 0 | 0 | 1 | 1 |
32 | LATVIA | 0 | 0 | 1 | 1 |
32 | MOROCCO | 0 | 0 | 1 | 1 |
32 | PORTUGAL | 0 | 0 | 1 | 1 |
32 | SERBIA | 0 | 0 | 1 | 1 |
32 | UGANDA | 0 | 0 | 1 | 1 |