Blog
13
10
2015

Mit Julia Viellehner freuen sich Marathon-Chef Gernot Weigl, Stadträtin Verena Dietl und das Münchner Kindl. ©Wilfried Raatz - wus-media

Weißblauer Triumph in der bayerischen Landeshauptstadt – Die große Gratulationscour zum 30. Geburtstag des München-Marathons wurde zum Tag der Bayern im Olympiastadion – Wilfried Raatz berichtet

By GRR 0

Die Zahl der Gratulanten zum 30. Geburtstag des München-Marathon ist auf dem Papier rekordverdächtig.

Mit 22.825 Anmeldern ist das Interesse niemals zuvor größer gewesen, allerdings ist man in München wie inzwischen an vielen Orten üblich mit den Ergänzungs-Wettbewerben Halbmarathon, 10 km-Lauf und Staffel gerade richtig getaktet zum Jubiläum in bislang unbekannte Höhen geklettert.

Und die für die Statistiken relevanten Zahlen lesen sich so: Im Kernwettbewerb liefen 5.900 über die Ziellinie im weitläufigen Olympiastadion. Übertroffen wurde diese Marke allerdings von den Finishern der halben Strecke, hier wurden 7.190 registriert.

Doch Rekorde sind nur die eine Seite der Medaille. Zusammen mit dem Sozialreferat der Stadt München wurde durch den München-Marathon aufgrund der aktuellen Flüchtlingssituation in Deutschland, insbesondere aber auch in München, das Projekt „laufend integrieren“ ins Leben gerufen. Um ein Zeichen für Solidarität und Integration zu setzen.

Neben einer Spende von 25.000 Euro und einem zweimal in der Woche stattfindenden integrativen Lauftreff hat die Marathon-Organisation in der bayerischen Landeshauptstadt auch 100 Flüchtlinge in die Organisationsstruktur des Marathon integriert – und auch 25 als aktive Läufer an den Start bringen können.

Als Marathon der kurzen Wege bezeichnet Gernot Weigl, der nunmehr zum sechzehnten Mal die Organisation des Marathons in München leitete, die Jubiläumsveranstaltung. Die zuletzt aus allen Nähten brechende Event-Arena (übrigens inzwischen auch von der Abrissbirne erfolgreich traktiert) ist Vergangenheit, angesagt ist für Marathonmesse und Startnummern-Ausgabe die große Olympiahalle, für die sanitären Bedürfnisse steht die Schwimmhalle parat. Und wie einstmals in den Gründungsjahren ist der Coubertinplatz zum Startplatz geworden, wenngleich etwas in Richtung Olympiastadion verschoben. Und so soll es auch im 31. Jahr bleiben.

„Es war ein großes Wagnis, die Marathonmesse in die Olympiahalle zu verlegen. Aber auch der Start, wie 1983 auf den Coubertinplatz zu verlegen, hat uns großes Lob eingebracht!“

Münchens Stadträtin Verena Dietl wusste den Marathon als herausragendes Ereignis zu würdigen und hatte auch ein nettes Geburtstagspräsent dabei: „Die Stadt München bleibt trotz aller Herausforderungen Kooperationspartner des Marathon und hofft auf weitere dreißig Jahre!“

Auch wenn diesmal der berühmte weißblaue Himmel über der Landeshauptstadt fehlte, der Durchmarsch der bayerischen Athleten in allen Einzelwettbewerben ist die sportliche Note des Tages. Keineswegs geschuldet den Landesmeisterschaften über die Marathondistanz, sondern auch die Halbmarathon- und 10 km-Wettbewerbe standen unter dem weißblauen Banner.

Einmal mehr bestimmten somit die „local heroes“ das Geschehen zwischen dem Olympiapark, dem Englischen Garten und dem Marienplatz. Problematisch allenfalls das auffällige Desinteresse der Münchener Bevölkerung, denn die „hot spots“ waren freilich bei einstelligen Temperaturen und eher Nieselwetter an einer Hand abzuzählen, sodass leider (zu viele) weiße Flecken den Kurs durch die Sportstadt München dominierten.

Das jedenfalls hat dem Triumphzug von Julia Viellehner keinen Abbruch tun können, den die 30jährige Ausdauerspezialistin mit der Priorität im Duathlon und Triathlon aus Winhöring quer durch München vom Start weg gestaltete. Die erklärte Favoritin kämpfte bei ihrem weitgehenden Alleingang um jede Sekunde, verpasste mit 2:40:28 Stunden ihre Wunschmarke von 2:40 zwar knapp, aber das war der gelernten Gesundheitsmanagerin und Heilerziehungspflegerin und praktizierenden Profiathletin letztlich egal.

„Ich habe mich nach Zofingen nicht speziell auf den Marathon vorbereitet, nur zwei Dreißiger im Training gelaufen, dazu den Halbmarathon in Altötting und somit die Saison bis München verlängert“, gestand Julia Viellehner, durchaus verständlich nach der Vize-Weltmeisterschaft im September beim Duathlon Powerman in Zofingen hinter Emma Pooley.

Noch dazu gab es bei ihrem zweiten Marathon („ohne zuvor zu schwimmen oder zu radeln“) eine neue Bestzeit. Ihr Debüt gab sie übrigens vor sieben Jahren beim Gutenberg-Marathon als deutsche Vizemeisterin in 2:41:41. „Mein Ziel war es, schneller als Jan Frodeno in Hawaii zu bleiben. Das ist mir ja eindrucksvoll gelungen!“ Sie war übrigens auch schneller als der schnellste Triathlet auf der Marathondistanz in Hawaii (David McNamee/ 2:49:52).

Julia Viellehner hatte nach einer Vielzahl von Verletzungen ihre Karriere als Langstrecklerin aufgegeben – und war mit Erfolg ins Lager der Duathlon- und Triathlonathleten gewechselt. „Ich könnte kein reiner Läufer mehr sein, mehr als zweimal in der Woche kann ich nicht laufen. Das Haupttraining mache ich auf dem Rad oder im Wasser….!“

Die Konkurrenz mit der letztjährigen DM-Dritten Sandra Klein von der SG Wenden und der früheren Regensburgerin Andrea Weber (unter ihrem Mädchennamen Stengel bekannt) konnte in keiner Phase des Rennens irgendwelchen Druck aufbauen. „Mir macht es nichts aus, alleine zu laufen. Nur die 8° waren mir einfach zu kalt!“

Während Sandra Klein nach der Streckenhälfte kräftemäßig zurückstecken musste, rückte Andrea Weber auf Rang zwei vor und wurde mit 10 Minuten Rückstand letztlich Zweite. Der frühere Schützling von Kurt Ring lebt inzwischen in Reutte in Tirol und zeigte sich zunächst im Ziel enttäuscht: „Eigentlich wollte ich unter 2:50 laufen, das habe ich jetzt aber um acht Sekunden verpasst“. Enttäuschend übrigens das Gesamtergebnis: Mit der Finnin Elina Junnila liefen gerade vier Frauen unter der 3-Stunden-Marke ins Ziel.

Das Rennen bei den Männern entwickelte sich so ganz nach dem Geschmack des Passauer Erfolgstrainers Günter Zahn, der natürlich als Fackelläufer 1972 besondere Beziehungen zum Münchener Olympiastadion hat – und hier bei der 30. Auflage des München-Marathon als überaus erfolgreicher Coach viele Gratulanten hatte. Den Auftakt machte nämlich der Marathonsieger 2015: Florian Stelzle.

Der frühere Triathlet ist seit nunmehr einem Jahr unter den Fittichen von Günter Zahn – und hätte fast seinen Marathonstart streichen müssen. Eine Woche zuvor hatte er sich im Trainingslager in Bad Füssing am Sprunggelenk verletzt und einen Bänderriss erlitten. „Das waren natürlich für mich keine guten Voraussetzungen. Da aber der Arzt mir grünes Licht gegeben hatte, wollte ich es versuchen. Im letzten Drittel hatte ich schon erhebliche Schmerzen….“, gestand der 37jährige Realschullehrer.

Freude wollte sich dabei anfangs noch nicht einstellen. Mit 2:29:59 Stunden blieb er hauchdünn unter der 2:30-Marke und ist trotz Hausrekord (zuvor in Salzburg 2:30:34) der langsamste Sieger in der dreißigjährigen Geschichte des München-Marathon.

Taktisch geschickt rückte mit Hans Mühlbauer ein weiterer Triathlet mit zunehmender Streckenlänge in den Fokus, der exakt zwei identische Streckenhälften lief – und mit Rang zwei unerwartet auf dem Podium stehen durfte. Im dritten Marathon steht der Ainringer nunmehr bei 2:32:13 Stunden. Weitere Steigerungen sicherlich nicht ausgeschlossen. Ähnlich unerwartet kommt für Björn Browatzki der dritte Rang. Im Finish lag der für die Victoria Park Harriers laufende in London als Software-Entwickler arbeitende Tübinger gerade einmal eine Sekunde vor Markus-Kristan Siegler von der LG Erlangen.

International geht es ab Rang sieben zu, denn hier folgen britische, niederländische, ukrainische und finnische Läufer – Beleg für den internationalen Charakter des München-Marathon, der es bei einem Ausländeranteil von 30 Prozent auf Läufer aus 58 Nationen bringt.

Im Vorjahr durfte sich Tobias Schreindl als Marathonsieger zudem als deutscher Meister feiern lassen, diesmal beließ es der Schützling von Günter Zahn bei der halben Strecke, schließlich stehen in vierzehn Tagen in Frankfurt die diesjährigen Titelkämpfe an. Aufgrund der städtischen Auflagen wurde der Halbmarathonstart in Bogenhausen nach dreieinhalb Stunden Marathon-Laufzeit gestartet, für die Schnellsten wie Tobias Schreindl wurde das Rennen letztlich gegen Ende zu einem Slalomlaufen. Mit 1:06:47 Stunden war der Passauer freilich nicht zufrieden wie wenig später auch der zweitplatzierte Finne Aki Nummela (1:07:26).

Seine Miene hellte sich jedoch eine Viertelstunde später auf, als seine Freundin Susanne Ölhorn ebenfalls als Siegerin über die Ziellinie laufen konnte. Nach 17 km hatte die eher kürzere Distanzen liebende Läuferin die 18jährige Mannschafts-Berglauf-Weltmeisterin Nada Balcarczyk an der Spitze erst abgelöst.  

Überhaupt setzten Bergläufer noch weitere Akzente. So gewann auf der 10 km-Distanz neben Sebastian Hallmann (31:30) auch die aktuelle deutsche Berglaufmeisterin Tina Fischl in 35:08 Minuten. Nicht zu vergessen in diesem Zusammenhang, dass die deutsche Berglaufmeisterin 2014 übrigens Julia Viellehner heißt….

Trotz des Störfeuers mit dem FC Bayern-Fan-Run (einem Charitylauf rund um die Allianz-Arena, der geplant bis zu 20.000 auf die Beine bringen sollte, letztlich aber nur bei der Premiere 500 Teilnehmer aufzuweisen hatte) wurde das Projekt München-Marathon vor allem im Olympiapark unter den Lauffreunden gefeiert.

Zünftig zudem, denn mit dem Trachtenlauf und dem anschließendem Weißwurstessen und (alkoholfreiem) Weißbier gab es schon einmal den maßgeschneiderten Auftakt.

Auf denn zum 31. Münchener Marathon im kommenden Jahr!

Wilfried Raatz

German Road Races e.V. (GRR) auf facebook:
https://de-de.facebook.com/germanroadraces

German Road Races e.V. (GRR) auf twitter:
https://twitter.com/germanroadraces 

author: GRR

Comment
0

Leave a reply