Milde: „Als Läufer müssen wir uns fragen, ob der DLV noch unser Verband ist“ ©German Road Races (GRR) e.V.
Milde: „Als Läufer müssen wir uns fragen, ob der DLV noch unser Verband ist“
German Road Races (GRR) e.V. sieht den Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) immer mehr in der Schusslinie der Laufszene – Laufmaut, Nominierungskriterien, mangelnde Transparenz und Unfähigkeit zum Umgang mit Kritik sind nur einige Vorwürfe an die Adresse des DLV – Die Ungereimtheiten mehren sich im Jahr 2015 und werfen ihre Schatten auf die Olympiasaison 2016
„Als Läufer bzw. Lauf-Veranstalter müssen wir uns fragen, ob der Deutsche Leichtathletik-Verband noch die Interessen der überwiegenden Zahl seiner Mitglieder vertritt“, fragt sich Horst Milde, der langjährige Race-Director des Berlin-Marathon und Vorsitzende von German Road Races.
„Die Ungereimtheiten beim DLV häufen sich und zeigen von Anlass zu Anlass deutlicher, dass der DLV nicht mehr unser Verband ist! Vielleicht muss erst ein massiver Aufstand in der Laufszene kommen, damit der DLV endlich wach wird und den eigentlichen Aufgaben gegenüber seinen Mitgliedern nachkommt. Vielleicht muss erst eine eigenständige Läufervereinigung gegründet werden, damit beim Deutschen Leichtathletik-Verband in der Darmstädter Geschäftsstelle die Alarmglocken läuten!“
Jüngster Anlass für den Unmut in der Laufszene sind die Zulassungsnormen im Marathonlauf für die Olympischen Spiele in Rio 2016. Der DLV hat mit 2:12:15 Stunden für Männer bzw. 2:28:30 Stunden für Frauen die Messlatte für eine Olympiateilnahme im Gegensatz zum Internationalen Leichtathletik-Verband (IAAF) bzw. Internationalen Olympischen Komitee (IOC) kräftig hochgeschraubt, diese betragen für fast alle Länder weltweit 2:17:00 (Männer) bzw. 2:42:00 (Frauen) bei einer Höchstbeteiligung von drei Männern und Frauen.
Beim Berlin-Marathon verpassten nämlich Philipp Pflieger mit 2:12:50, Julian Flügel mit 2:13:57 und Anna Hahner mit 2:30:19 Stunden die hoch gesetzten DLV-Normen mehr oder weniger deutlich. Beim Frankfurt-Marathon unterbot Arne Gabius mit der neuen deutschen Rekordzeit von 2:08:33 Stunden die Norm erheblich, während Lisa Hahner mit 2:28:39 Stunden denkbar knapp und Mona Stockhecke mit 2:33:54 Stunden über der internen Norm blieben. Nicht zu reden von der IAAF-Norm, die zudem auch Steffi Volke erreicht hatte.
"Ich bin nicht bedingungslos ein Verfechter, dass Deutschland mit jeweils 3 Männern und 3 Frauen bei den Olympischen Spielen starten müsse. Doch für den größten Leichtathletik-Verband der Welt ist es wichtig, dass dieser nicht nur mit einem Läufer vertreten ist. Vor allem würde der Start von vier oder sechs Läufern/-innen auch der großen Laufgemeinde in Deutschland – und vor allem unseren jüngeren Lauftalenten ein Signal geben! Schließlich sind unsere Olympiastarter auch Repräsentanten der großen Laufbewegung in Deutschland!" argumentiert Horst Milde.
"Deshalb fordern wir zumindest zum jetzigen Zeitpunkt den Start von Philipp Pflieger und Lisa Hahner! Über weitere Plätze ist dann im Frühjahr zu sprechen, wenn die Frühjahrsmarathonläufe über die Bühne gegangen sind. Schließlich werden auch noch weitere deutsche Spitzenläufer wie Sabrina Mockenhaupt versuchen, die Olympianorm zu laufen".
Hinreichend bekannt ist, dass Deutschlands Läufer über Jahre hinweg nur zweit- und drittklassig waren. „Statt die wenigen ausrichtsreichen Läufer hierzulande zu fördern, setzt man die Zulassungslimits höher. Damit kann man vor allem junge Athleten nur noch frustrieren. So kann es auf jeden Fall nicht weitergehen. Hinzu kommt, dass DLV-Präsident Clemens Prokop die Leistung von Philipp Pflieger in der Öffentlichkeit noch abwertet anstelle ihm Mut zu machen, mit der bislang gezeigten Konsequenz weiter zu machen!“
Kurt Ring, der Trainer beim Pflieger-Verein LG Telis Finanz Regensburg, äußerte sich zu den verschärften Olympianormen erheblich deutlicher: "Von der sportlichen Seite aus gesehen sind die Extra-Olympianormen Ausdruck maßloser Arroganz einer Führungsschicht, die vergessen hat, dass sie eigentlich die Interessen der Athleten und ihrer Vereine vertreten sollten…!"
Die Diskussion um die verschärften Marathonnormen für Olympia ist für den GRR-Vorsitzenden Horst Milde ein weiterer Beweis, dass der Bereich Mittel- und Langstreckenlauf beim DLV keine Lobby hat. Schon im Sommer musste 1500 m-Läufer Florian Orth trotz einer internationalen Spitzenzeit von 3:36,05 Minuten den Weltmeisterschaften in Peking fernbleiben, da er um 55/100 Sekunden über der Verbandsnorm blieb. Mehr als nur eine Fußnote wert ist zudem, dass auch Orth das Trikot der LG Telis Finanz Regensburg trägt.
Wie wenig man in der DLV-Geschäftsstelle in Darmstadt beratungs- und kritikfähig ist, das erfuhr Milde übrigens im Frühjahr 2015 selbst. Als GRR-Vorsitzender und langjähriger Lauf-Veranstalter monierte er die in einer Nacht-und-Nebel-Aktion entschiedene "DLV-Laufmaut", die Gebühr, die jeder Verein in Deutschland pro Finisher ab 2016 zu bezahlen habe. Hochkant wurde er nämlich als Berater im Bundesausschuss Laufen (BA) deswegen herauskatapultiert.
Nicht zuletzt aufgrund des Engagements von German Road Races und dem Länder übergreifenden Protest vornehmlich kleiner Lauf-Veranstalter wurde die Gebühr um 50 % reduziert. "Die Korrektur der Gebührenordnung ist ein Erfolg für unsere Bemühungen, auch wenn diese dennoch viele kleine Veranstalter ins Mark treffen. Allerdings sind unsere Forderungen nach einer zweckgebundenen Verwendung der Mehreinnahmen, nämlich zur Förderung des Laufsports, nicht erfüllt. Zum Beispiel ließe sich mit den Mehreinnahmen auch der Start von Philipp, Lisa oder Julian finanzieren – wenn man beim DLV schon von leeren Kassen spricht!" macht Milde konkrete Vorschläge, wie das Olympiaticket für die knapp an der DLV-Norm gescheiterten Athleten zu finanziert werden kann.
Dass es im Finanziellen beim Deutschen Leichtathletik-Verband nicht zum Besten bestellt ist, ist in einem Beitrag in der Süddeutschen Zeitung zu lesen.
So schrieb die SZ am 27. Oktober 2015, dass die Bundestrainer Besuche bei Kaderathleten zumindest bis zum Jahresende erst einmal minimieren müssten, ebenso seien übrigens auch Leistungsdiagnostik- und Lehrgangs-Maßnahmen zurückzustellen. Überhaupt scheint das Klima zwischen der Verbands- und Trainerebene auf der einen, der Leistungsträger im Laufbereich auf der anderen Seite gestört, denn wie schon vor einem Jahr kursiert wiederum ein offener Brief, in dem Missstände angeprangert werden, die letztlich auch in das Personal des DLV betreffen.
"Es wird höchste Zeit, dass der DLV zurück zur Basis findet. Wenn schon seitens des DLV Solidarität eingefordert wird, dann müssen die Vereine, die in den Vereinen trainierenden Athleten und die Lauf-Veranstalter mit ihren Sorgen Ernst genommen werden. Ansonsten kann man einen Verband wie den DLV entsorgen!"
Anja Buxmann
GRR-Öffentlichkeitsarbeit