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31
10
2015

Anne und Gunnar Barber vor dem 42. BERLIN-MARATHON 2015 ©Barber

Marathonrausch – Geschichten über Marathonläufe habe ich mein Leben lang schon gehört. Anne Barber über ihren ersten Marathon in Berlin

By GRR 0

Mir war immer klar, dass ich auch mal eine erzählen werde, doch dass es so früh geschehen würde verdanke ich eher einem Zufall. Mein Vater und regelmäßiger Laufpartner fragte mich in einem Nebensatz, ob er mich für den Berlin Marathon anmelden solle.

An diesem Punkt fühlte ich mich nicht bereit für diese Herausforderung, doch die Möglichkeit, eventuell keinen Startplatz zu bekommen, beruhigte mich und ließ es mich beinahe vergessen – bis zu dem Tag als die Teilnahmebestätigung kam.

Die letzten Jahre lief ich regelmäßig, mal ernsthafter – mal nebensächlicher – mal gar nicht, je nachdem, wie ich es in meinen Alltag einbringen wollte und auf welche Wettkämpfe ich Lust hatte.

Ich beendete um 2007 das betreute Training und gestaltete seitdem mein Training selbstständig oder nach einigen Absprachen mit meinen Eltern Elke und Gunnar, die beide seit Jahrzehnten begeistert und erfolgreich laufen und trainieren.

Seit der Marathonbestätigung hat sich meine Trainingseinstellung geändert – es entstand das Bedürfnis nach einer gewissen Struktur, da ich einen unglaublichen Respekt vor den 42,195km hatte und mir nicht vorstellen konnte, eine solche Distanz ohne Probleme und Quälerei zu bewältigen. Bis zu diesem Punkt bin ich maximal 24km im Wettkampf gelaufen – und das mit einem weniger guten Gefühl!

Ich wusste, dass es einige Baustellen gab, an denen ich bis zum Start arbeiten wollte.

Zum einen den Kopf auf diese lange Zeit der Belastung vorzubereiten – mit langen gleichmäßigen Läufen, die ich alleine absolvierte. Zum anderen schauen, dass mein Kreislauf diese Anstrengung aushält – der hatte mich die letzten Jahre des Öfteren im Stich gelassen – das heißt ausprobieren, wie ich was wann während des Laufes zu mir nehme, um mein Energielevel oben zu halten.

Außerdem wollte ich, dass dieser Marathon ein positives Erlebnis wird – ohne Quälerei, mit viel Vernunft, einem klaren Kopf und einem Lächeln auf den Lippen.

Neben den traditionellen Läufen im Frühjahr, an denen ich mit meiner Familie regelmäßig teilnehme, suchte ich mir einige Wettkämpfe aus, die zur Vorbereitung auf einen langen Wettkampf dienen sollten (Liepnitzseelauf 25km – 1:47:16, Fontane Lauf durch die Rauener Berge 15km – 1:07:42, Rennsteiglauf HM – 1:26:37).

Ich geniesse es in der Natur zu laufen – durch Wälder, Berge hoch, durch Matsch – weswegen ich mich für diese sehr profilierten  Läufe entschied.

Zeitlich gesehen waren die Wettkampfergebnisse sehr gut für mich – ich fühlte mich zunehmend leistungsstärker. Trotzdem waren die Trainingswochen durch Erkältungen und Unfälle mehrmals unterbrochen worden, sodass ich mein Training nicht wie geplant durchführen konnte, um an meinem Vorhaben zu arbeiten.

Erst ab dem beginnenden Sommer war ein kontinuierliches Training möglich. Einen unglaublichen Motivationsschub gab mir das für mich sehr erfolgreiche Ergebnis über die 10 km beim City Night Lauf  Ende Juli – 36:45min, mehr als 2 Minuten schneller als vor einem Jahr!

Das Kilometertempo von 3:40min lief ich ohne größere Anstrengung und feste Beine durch – das strukturierte, regelmäßige Training machte sich bemerkbar.

Laut des Trainingsplans, den mein Vater für sich und mich "gebastelt" hatte, standen rund zwei Monate vor dem Marathon die ersten Strecken zwischen 25 und 33 km im Training an. Ich fühlte mich stark und hatte keine größeren Probleme diese zu bewältigen. In diesem Zeitraum versuchte ich bis zu 130 km in der Woche zu laufen – was manchmal gelang, manchmal jedoch aufgrund anderer Aktivitäten nicht zu schaffen war.

Einen Monat vor dem Marathon lief ich bei einem Halbmarathon Bestzeit – 1:24:39.  Eine gute Zeit, trotzdem war ich unzufrieden. Das gute Laufgefühl fehlte – die Sommerhitze und ein sehr leerer Magen ließen mich an meine Grenzen gehen – ich schleppte mich schleichend ins Ziel.

Die Zeit raste und ich fühlte mich, als würde es für eine gute Vorbereitung nicht reichen. Besonders nach dem Halbmarathon dachte ich, dass es so viele Dinge gibt, an denen ich noch arbeiten wollte. Aber die Tage verflogen und auf einmal stand 2 Wochen vor dem Marathon die letzte lange Einheit an: 10km Trail Run Berlin in den Müggelbergen – bei dem ich das Gefühl hatte die Berge federleicht hoch zu fliegen – und sofort nach der Siegerehrung einen 20 km Lauf mit meinem Vater laufend neben mir und meiner Mutter auf dem Rad, die uns mit Verpflegung versorgte.

Es lief großartig, diese langen Strecken fühlten sich beruhigend an und Läufe unter 20 km kamen mir fast wie ein Spaziergang vor – gute Voraussetzung !

Es fiel mir schwer die verordnete Ruhe in der letzten Woche einzuhalten, ich hatte hibbelige Beine, ich wollte los! Meine Gedanken fingen an sich im Kreis zu drehen. So viele Dinge wollte ich vorher unbedingt noch durchdenken. Die Vorstellung bald an der Startlinie zu stehen und zu wissen: "Gleich laufe ich so lange wie noch nie zuvor" erfüllte mich mit Angst – andererseits fühlte ich mich wie nie zuvor bereit für diese Herausforderung.

Ich habe auf keine bestimmte Zeit trainiert, die sollte nebensächlich bleiben. Erst auf der Läufermesse 3 Tage vor dem Start habe ich es gewagt über eine konkrete Durchgangszeit für die ersten 30 km nachzudenken und mich zu entscheiden: 3:00 Stunden dachte ich mir, 4:15min pro km auf den ersten 30 km, das wäre machbar !

Ich schlief schlecht die Nacht vor dem Start – ich träumte, dass ich meine Laufschuhe beim Start nicht angezogen bekomme – und zwang mich zu einem Frühstück. Die Luft am Laufmorgen war klar – ich hatte Lust zu laufen und war bereit für das kommende Abenteuer!

Es ging los und ich brauchte gut 10 km, um mich einzulaufen und mein Tempo zu finden. Ich schaute fast jeden km auf die Uhr – die 4:15min pro km wurden fast immer genau angezeigt.

Ich wollte auf keinen Fall unter dieser Zeit laufen, zu sehr hatte ich Angst vor der Quälerei auf den letzten Kilometern. Bei km 12 durchströmte mich der Gedanke: "Nur noch 30 km, das habe ich im Training locker geschafft!". Dort sah ich auch die 3 Stunden Pacemaker vor mir. Ehrfurchtvoll ordnete ich mich hinter diesen ein.

Doch nachdem ich den Halbmarathon ohne Schwierigkeiten und kaum schwitzend in 1:29:02 durchlief, wollte ich mich gedanklich von der 3 Stunden Marke lösen und auf meinen Körper hören – ich fühlte mich locker, leicht und spürte meine Beine kaum. Ich lief selbstbewusst an den Pacemakern vorbei und leicht kribbelig realisierte ich, dass das der erste Schnitt für eine Zeit unter 3 Stunden ist. Mein Plan ging auf: Bis km 30 fühlte ich mich großartig, ich konnte den Kilometerschnitt steigern und dachte:

"Wann geht es endlich los?".

Ab km 33 versorgten mich fast alle 2 km geliebte Menschen mit Essen und Trinken, was mir sehr als gedankliche Stütze für die letzten Kilometer diente und mir Kraft gab. An diesem Punkt wurden meine Beine schwer und hart, ich bekam Angst vor Krämpfen – ich verkürzte meinen Schritt, fühlte mich schwerfällig. Doch als ich auf die Uhr sah und um mich schaute, merkte ich, dass sich lediglich die letzten 35 km in den Beinen bemerkbar machten – ich raste an den anderen vorbei!

Die Zwischenzeit bei km 40 ließ mich in Euphorie verfallen und ich lief in einem Kilometerschnitt von bzw. unter 4min mit einem Lächeln ins Ziel! Mein erster Gedanke war: "Nochmal!?"! 

Der berüchtigte Marathonrausch hatte mich völlig erfasst! Letztendlich stand eine Zeit von 2:56:09 im Protokoll. Auch mein Vater kam in sehr guten 3:06:10 ins Ziel!

Das dieses Erlebnis so berauschend ablaufen würde, habe ich nicht erwartet. Die Unterstützung von der Familie und den Freunden hat maßgeblich zu dieser positiven Erfahrung beigetragen – ohne sie hätte ich nicht mit so einem klaren Kopf laufen können!

Anne Barber / LC RON-HILL Berlin

   

author: GRR

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