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2015

Dorfkirche Tempelhof ©Sabine Milde

Was ist Weihnachten? Pfarrer Peter Burkowski am 24.12.2015

By GRR 0

Liebe Mitmenschen!
sie kennen das: Einkauf in der Adventszeit. Es herrscht ein ziemliches Gedränge. Hier und da stehen halbgefüllte Einkaufswagen herum, werden zur Seite geschoben.  Unwillkürlich schaut man den anderen in den Wagen.

Ich stehe vor dem Regal mit Süßigkeiten.
Und während ich so nachdenke, was wir so brauchen -na ja, was heißt brauchen? – und was wie viele Kalorien hat, da höre ich über die Lautsprecheranlage im Warenhaus die leisen Töne eines Liedes.

Aha, denke, ich, war dir noch gar nicht aufgefallen: Weihnachtsberieselung. Wenn wir auch nicht mehr gerne singen, dann hören wir uns die alten Lieder doch gerne an. Sonst läuft hier immer eine unaufdringliche Schlagerparade. Aber heute erklingt ein Kinderchor. Genau: Kinder-Chor.
Sie singen nämlich das Lied „Ihr Kinderlein kommet“. Richtig schön süßlich kommt es daher …..

Und sofort kommt mein aufgeklärtes Theologen-Gewissen in Fahrt: Wenn die wüssten wie kalt es damals in Bethlehem gewesen sein muss, eine Geburt im Stall; nahe bei den Tieren und den Menschen am Rande, Menschen auf der Flucht, genau wie heute…  Jedes deutsche Jugendamt wäre sofort eingeschritten – hoffentlich!

Dieses süßliche Lied: Was hat das eigentlich noch damit zu tun, dass Gott Mensch wird? Ja, dass die ganze Welt eine neue Hoffnung hat?
Ach, dieser ganze Weihnachtskitsch.
Was wollte ich noch mal kaufen?

Auf dem Heimweg geht mir die Melodie nicht mehr aus dem Kopf. Und schon fange ich an zu singen – gut, das mache ich häufiger, wenn ich auf dem Fahrrad sitze – ich fange an zu singen, ohne nachzudenken, einfach so. Die erste Strophe, die zweite Strophe… in reinlichen Windeln das himmlische Kind, viel schöner und holder als Engel es sind.

Wieder diese innere Stimme – während ich noch singe: Oh, was für ein Kitsch!  Und doch singe ich auch die dritte Strophe, ist doch die dritte?

Da liegt es, das Kindlein, auf Heu und auf Stroh, Maria und Josef betrachten es froh, die redlichen Hirten knien betend davor, hoch oben schwebt jubelnd der Engelein Chor.

Und nun – liebe innere Stimme, ach so kluger innerer Dialogpartner – was sagst Du jetzt:
Stimmt doch! Genau so! Wenn die Menschen das doch wenigstens von Weihnachten wissen würden.
Das wäre doch was….

Aber jetzt bin ich auf die Spur gekommen. Am Abend will ich es wissen: Von wem ist das eigentlich, und wann ist es entstanden? Und was sollte das?

Unter dem Lied steht im Gesangbuch der Name des Dichters: Christoph von Schmid – nie gehört. Wer ist das, was hat er sich gedacht bei „Ihr Kinderlein kommet“?

So mache ich mich also auf die Suche nach Antworten, auf die Suche nach dem, was dahinter steckt, hinter diesem scheinbar ewigen Lied, hinter der Zeit und den Menschen.

1. Ihr Kinderlein, kommet, o kommet doch all’!
Zur Krippe her kommet in Betlehems Stall
und seht, was in dieser hochheiligen Nacht
der Vater im Himmel für Freude uns macht.

2. O seht in der Krippe, im nächtlichen Stall,
seht hier bei des Lichtleins hellglänzendem Strahl,
den lieblichen Knaben, das himmlische Kind,
viel schöner und holder, als Engelein sind.

3. Da liegt es – das Kindlein – auf Heu und auf Stroh;
Maria und Josef betrachten es froh;
die redlichen Hirten knie’n betend davor,
hoch oben schwebt jubelnd der Engelein Chor.

4. O beugt wie die Hirten anbetend die Knie,
erhebet die Hände und danket wie sie!
Stimmt freudig, ihr Kinder, wer wollt sich nicht freu’n,
stimmt freudig zum Jubel der Engel mit ein!

Christoph von Schmid wurde 1768 in Dinkelbühl geboren. Ein paar Jahre lang war er Lehrer und sogar Schulrektor. 1816 (also erst mit 48 Jahren) wurde er katholischer Pfarrer und ab 1826 war er Domkapitular in Augsburg. 1854 starb er – für seine Zeit steinalt mit 84 Jahren.

Einige Jahre vor seinem Tod ist eine kleine Begebenheit überliefert, der wir wahrscheinlich unser Lied verdanken. Der damals 80jährige Domkapitular im Ruhestand machte an einem schönen Tag im Advent wie gewohnt seine Runde durch die Stadt. Doch diesmal ging sein täglicher Spaziergang über den gewohnten Weg hinaus bis zum Gildehaus.

Hier hatten Schnitzer aus dem Bayrischen Wald ihre ganz besonderen Meisterstücke ausgestellt. Nach einiger Zeit machte sich die Haushälterin des alten Pfarrers Sorgen. Er kam und kam nicht von seinem Spaziergang zurück. Sie ging und suchte ihn. Endlich fand sie ihn im Gildehaus.
Unglaublich viele Kinder umringten ihn und hörten zu wie der alte Mann erzählte. Sie hingen an seinen Lippen, was wahrscheinlich Kinder vor 150 Jahren noch ganz besonders konnten
(ohne die modernen Ablenkungen und Reizüberflutungen durch zu viele Töne und Bilder,
die auf Kinder heute einstürzen wie ein andauernder Klang-und Bild-Teppich).

Was tat machte der alte Mann da?

Eigentlich gar nicht viel…

Er nahm die einzelnen Figuren der Krippe hoch – und erzählte den Kindern in ganz einfachen Worten die Weihnachtsgeschichte; die Geschichte jeder einzelnen Figur wurde mit viel Phantasie entfaltet.   Endlich – nach langer Zeit – nahm ihn die Haushälterin am Arm und führte ihn nach Hause.

Dort – ging er ganz schnell und ohne Zögern in sein Arbeitszimmer, griff nach einem Bogen Papier und schrieb nach einer damals gängigen Melodie eines Volksliedes:

Ihr Kinderlein kommet, o kommet doch all, zur Krippe her kommet in Bethlehems Stall.

Mit einfachen Worten erzählt er nach, was er gerade erlebt hatte. Die Kinder und er selbst, sie waren an die Krippe getreten und hatten sich hineinziehen lassen in den besonderen Bann der Weihnachtserzählung.
Und so nehmen sie Teil der alten Geschichte.

Sie erkennen die Bedeutung des Lichtes in einer dunklen Zeit.

Sie sehen das Kind in der Krippe.
Sie staunen über Maria und Joseph.
Sie hören beinahe den Engelchor.
Und still verharren sie – wie die Hirten – im Gebet – hören auf Gott und spüren seine Gegenwart.

Das Lied hat noch zwei Strophen:

5. O betet: Du liebes, Du göttliches Kind
was leidest Du alles für unsere Sünd’!
Ach hier in der Krippe schon Armut und Not,
am Kreuze dort gar noch den bitteren Tod.

6. So nimm unsre Herzen zum Opfer denn hin;
wir geben sie gerne mit fröhlichem Sinn –
und mache sie heilig und selig wie Dein’s,
und mach sie auf ewig mit Deinem nur eins

Diese beiden Verse habe ich als Kind nie gesungen. Sie fielen mir auch nicht mehr ein als ich auf dem Fahrrad vor mich hin sang. Aber wenn wir es genau bedenken, dann ist dieses Lied nur mit den Strophen 1-4 süßlich und kitschig.
Ein süßliches Kinderlied, das es nicht geschafft hätte 150 Jahre zu überdauern.
Aber Christoph von Schmid hat es nicht bei den ersten vier Strophen belassen, er hat nicht nur den Stall und die Geburt, den Engelchor und die Hirten beschrieben, sondern er geht weiter.

Das Kind in der Krippe ist ja nicht immer Kind geblieben.
Als erwachsener Mann wurde dieser Jesus ans Kreuz geschlagen.
Er wurde nicht nur als Mensch geboren,
sondern durchlitt auch die Tiefen eines Menschenlebens im Leiden und Sterben.
Er wurde wie wir – Gott wird Mensch – bis zum Schluss.

Das vergisst der Dichter keinen Augenblick!
Das Kind in der Krippe und der Mann am Kreuz gehören zusammen.
Ein Leben in der Spur Gottes, ein solches Leben hat Konsequenzen.
Es geht nichts einfach so weiter….
Für Maria blieb nichts wie es war, für die Hirten veränderte sich ihr Leben, die Weisen aus dem Osten machten erstaunliche Entdeckungen – das ist die große Veränderung, die von den Feldern von Bethlehem aus in die Welt gezogen ist.

Sie verändert die Welt bis heute, wenn Menschen fragen, ob es immer so weiter und weiter gehen kann mit dem Wachstum um jeden Preis….
Wenn Menschen ein Wunder vollbringen und sich einsetzen, weil Hunderttausende Flüchtlinge nach Deutschland kommen. Das ist für mich die besondere Nachricht dieses Jahres und vielleicht wird man darüber in einigen Jahrzehnten sprechen: Damals waren so viele Ehrenamtliche da, um zu helfen…

Und so stellt dieser Dichter einen großen Zusammenhang her.
Er geht den Weg von der Krippe zum erwachsenen Jesus.
Und genau damit stellt er uns die Frage:
Willst Du bei der Krippe stehen bleiben oder willst Du auch weiter gehen?
Singst Du nur bis Vers 4, weil Dir das andere zu anstrengend ist?
Oder hat der Glaube auch Konsequenzen für Dein Leben?

Die Weihnachtsgeschichte sehen wir bis heute: Menschen sind auf der Flucht mit kleinen Kindern, Menschen sind unterwegs ohne Obdach, Kinder werden in Notunterkünften zur Welt gebracht, Menschen am Rande warten auf Veränderung – millionenfache Wirklichkeit bis heute…

Wir haben ein Geschenk bekommen, uns ist eine große Hoffnung geschenkt und die Möglichkeit, diese Welt zu gestalten…
Wer allein das Kind in der Krippe betrachtet und dabei stehen bleibt,  für den bleibt Weihnachten ein Kinderfest ohne Folgen. Die Geburt Jesu ist der Anfang, der Anfang einer großen Geschichte, die bis heute die Welt verändert.

Die Faszination der Bilder und Geschichten ist geblieben – und die Einladung ist geblieben:
Weihnachten geht weiter….

Weihnachten ist…

Weihnachten ist, wenn alle bereit sind zum Fest
Weihnachten heißt, mit Hoffnung leben
Wenn sich die Menschen die Hände reichen, dann ist Weihnachten
Wenn Fremde aufgenommen werden, dann ist Weihnachten
Wenn einer dem andern hilft, dann ist Weihnachten
Wenn du Unglücklichen beistehst, dann ist Weihnachten
Weihnachten heißt, die Tränen trocknen
Weihnachten heißt, das, was du hast, mit anderen teilen
Weihnachten heißt, die Not der anderen mildern
Weihnachten heißt, das Böse zu meiden und das Gute zu tun
Jeden Tag ist Weihnachten, jedes Mal, wenn einer dem Anderen Liebe schenkt
Wenn die Herzen zufrieden sind, dann ist Weihnachten
Wenn Menschen Menschen glücklich machen, dann ist Weihnachten
Dann steigt Gott vom Himmel herab und bringt uns sein Licht.
(aus Haiti)

Frohe und gesegnete Weihnachten!

Pfarrer Peter Burkowski

 

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