Blog
24
01
2016

Rüdiger Barney: Die Eliteschule des Sports – der Königsweg? Bildung und Spitzensport an einer Berliner Eliteschule des Sports und Eliteschule des Fußballs. ©undercoverbooks

Eliteschule des Sports … ein Schulleiter blickt zurück und nach vorn – Prof. Detlef Kuhlmann stellt vor

By GRR 0

Es gibt derzeit 43 Eliteschulen des Sports in Deutschland. Hier werden knapp 12.000 Talente gefördert. Mittlerweile sind es genauso viele Eliteschulen in West- wie in Ostdeutschland, wo sie nach der Wendezeit aus den sog. Kinder- und Jugendsportschulen (KJS) der DDR hervorgegangen sind.

Jede Eliteschule hat Schwerpunktsportarten.

Manche sind auch geografisch bedingt: In Thüringen am Staatlichen Sportgymnasium Oberhof gehören u.a. Biathlon, Skisprung und Rennrodeln dazu. Solche Informationen findet man im hinteren Teil des kleinen Büchleins von Rüdiger Barney, wo er „Verschiedene Modelle der Eliteschulen des Sports“ vorstellt und auch auf deren Vorläufer KJS zu Zeiten der DDR eingeht.

Im Kern will der ehemalige Direktor der Poelchau-Oberschule in Berlin einen ebenso kritischen wie „durchaus auch subjektiv gefärbten Blick werfen auf den Leistungssport in Deutschland und in Berlin im Allgemeinen und auf die Eliteschulen des Sports im Besonderen“ werfen.

Dazu bringt er immerhin 17 Jahre als Schulleiter mit und ist dankbar für „unendlich viel Befriedigung, Genugtuung und letztlich Lebensqualität“ in den zehn Jahren, in denen es gelang, die von ihm geleitete „1. Oberschule Charlottenburg“ am Halemweg zunächst in eine sportbetonte Oberschule (Sportschule) zu transformieren, um dann zur ersten (West-) Berliner Eliteschule des Sports aufzusteigen, die jüngst sogar ein neues Domizil am Prinz-Friedrich-Karl-Weg 1 im Olympiapark bezogen hat.

Rüdiger Barney (Jahrgang 1948), der im Jahre 2013 pensioniert wurde, erinnert sich namentlich an prominente Schülerinnen und Schüler, die uns wegen ihrer großen sportlichen Erfolge geläufig sind: Anika Schleu, Olympiateilnehmerin 2012 und Teamweltmeisterin 2011 im Modernen Fünfkampf, der Weltklasse-Ruderer Anton Braun (u.a. Europameister im Achter 2013) – ganz zu schweigen von den Fußballspielern Sejad Salihovic, Ashkan Dejagah und den beiden Brüder Jerome und Kevin Boateng.

Dem Autor geht es jedoch gar nicht um die rückblickende Lobpreisung deren Karriere bzw. schulischer Laufbahn. Mehr noch:

Das kleine Buch von Barney benennt und skizziert auch Schattenseiten einer schulischen Eliteförderung im Sport. Er führt uns zwischendurch Fallbeispiele derjenigen vor Augen führt, die auf der (sportlichen) Strecke geblieben sind, wo der Auftrag der Eliteschule, nämlich „schulische und sportliche Bildung harmonisch miteinander zu verknüpfen“ (S. 41), eben disharmonisch verlaufen ist und zum Abbruch einer hoffnungsvollen Laubahn und damit auch zum vorzeitigen Verlassen der Eliteschule in Berlin geführt hat.

Barney hat sich nachträglich zum Aufspüren deren Schicksale sogar persönlich auf Spurensuche begeben. Er hat z.B. Moritz K. (Name von Barney geändert) und dessen Familie besucht, um sich ein Bild zu machen, warum Moritz in Berlin gescheitert ist und wie der schulische und sportliche Weg in Leipzig weitergegangen ist.

Wer die Fallbeispiele aufmerksam liest, kann daraus womöglich Schlüsse im Sinne eines „präventiven Lernens“ ziehen: Warum sollte es der Generation nach Moritz K. und Jan B. und Mirko Sch. und Marius K. auf einer Eliteschule des Sports nicht besser ergehen können?

Die Schlüsselfrage ist nicht neu und lautet mit Blick auf den jungen Fußballspieler so: „Wie können wir es schaffen, den angehenden Profi davon zu überzeugen, neben der sportlichen auch seine schulische Karriere im Auge zu behalten und weiterzuführen?“

Barneys persönliche Erinnerungen sind durchsetzt mit Gedanken, bei denen er fragt, wie es weitergehen soll mit der (zukünftigen) Eliteschule des Sports in Deutschland. Das geschieht insbesondere im zehnten und letzten Kapitel, nachdem er zuvor speziell aus seiner Sicht einen dezidierten Problemaufriss für Berlin gibt, in dem Schlaglichter wie „Die Behörde als untauglicher Vermittler“ und „Problemfeld Lehrertrainer“ stehen.

Man kann seine Ansichten über die Perspektiven der Eliteschulen des Sports gut finden oder auch verwerfen, zuvor sollte man sie jedoch prüfen – beispielsweise wenn es um das Sichtungswesen geht, zudem Barney an einer Stelle schreibt:

„Mit der Einheit Deutschlands sind die Strukturen im Sichtungswesen des deutschen Sports weggebrochen!“       

Rüdiger Barney: Die Eliteschule des Sports – der Königsweg? Bildung und Spitzensport an einer Berliner Eliteschule des Sports und Eliteschule des Fußballs. Stuttgart 2014: undercoverbooks. 174 S.; 12 Euro

Prof. Detlef Kuhlmann  

Poelchau-Oberschule – Eliteschule des Sports Berlin

 

Weitere Buch- und Fachmagazin-Vorstellungen/Rezensionen finden Sie bei GRR unter BÜCHER:

BÜCHER

 

 

author: GRR

Comment
0

Leave a reply