Michael Vesper im Gespräch ©DOSB
Michael Vesper im Gespräch – „Auf Spekulationen kann man keine Normen gründen“ – Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung
Leichtathleten schaffen es leichter in die Auswahl für Rio 2016 als bisher. In 38 der 43 Disziplinen hat der DOSB am Mittwoch die Normen auf die moderaten Vorgaben des internationalen Verbandes IAAF gesenkt; auch in Marathon und Gehen ist die Qualifikation einfacher geworden. Haben Sie sich wegen des allfälligen Dopings und der Korruption vom Anspruch der erweiterten Wettkampfchance verabschiedet?
Nein, die begründete Endkampfchance bleibt als Kriterium für die Nominierung bestehen. Wir reagieren in diesem Fall auf die Absenkung der internationalen Normen, die die IAAF bereits im November vergangenen Jahres vorgelegt hat.
Die Untersuchungskommission der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) hat das systematische Doping in der russischen Leichtathletik als Spitze des Eisberges beschrieben; es gebe keinen Grund, dass es auf diese Sportart und dieses Land beschränkt sein sollte. Wird der DOSB dem Rechnung tragen und auch in anderen Sportarten die Normen senken?
Im Bereich der IAAF liegen belastbare Beweise für flächendeckendes Doping in Russland und die Verschleierung festgestellter Verstöße gegen Geldzahlungen der Betroffenen vor. Sollte sich vor der Nominierung unserer Mannschaft für Rio belastbar herausstellen, dass es auch in anderen Verbänden solche Praktiken gab, würden wir natürlich unter Einbeziehung des jeweiligen deutschen Spitzenverbandes zeitnah entsprechende Konsequenzen prüfen.
Beweise liegen nicht vor, weil Wada und IOC auf die offenkundigen Hinweise nicht reagieren. Ist das fair?
Ich gehe davon aus, dass die Wada, wie im Fall der Leichtathletik und Russlands, allen Hinweisen konsequent nachgeht.
Erleichterung liegt in allen Sportarten nahe, in denen weniger nach Plazierungen als nach Zahlen und Daten gerechnet wird. Werden Sie die Normen im Schwimmen und Gewichtheben senken?
Wie gesagt, wir reagieren jetzt auf die Veränderung in der internationalen Leichtathletik. Ob und inwieweit andere Sportarten von systematischem Doping betroffen sind, ist Spekulation, und darauf kann man keine Normen gründen. Derzeit ist keine Tendenz sichtbar, die internationalen Qualifikationsnormen in diesen Sportarten abzusenken. Wir wollen nach wie vor nur solche Sportlerinnen und Sportler zu Olympischen Spielen entsenden, die eine Chance haben, mit sauberen Mitteln um die vorderen Plätze zu kämpfen.
Liegt es nicht in der Verantwortung des DOSB, seine Athleten vor der Konkurrenz durch Doper zu schützen? Wie wollen Sie dem in Hinblick auf Rio gerecht werden?
Der Anti-Doping-Kampf lebt davon, dass er international geführt wird – nach den gleichen Kriterien. Dafür setzen wir uns ein, gemeinsam mit der Nada und dem IOC.
Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Freitag, dem 29. Januar 2016