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Doping in der Leichtathletik – Äthiopien und Marokko droht Olympia-Aus – Michael Reinsch, Berlin in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung
Drei Äthiopierinnen vor vier Kenianerinnen – ein Ergebnis wie dieses vom 5000-Meter-Finale bei der Weltmeisterschaft 2015 in Peking wird es womöglich bei den Olympischen Spielen von Rio de Janeiro nicht geben können.
Nicht, weil der Rest der Welt den überragenden Läuferinnen aus dem Hochland im Osten Afrikas näher gekommen wäre – sondern weil die Organisationen des Sports gezwungen sein könnten, endlich Konsequenzen aus der schamlosen Verweigerung von Doping-Tests zu ziehen.
Die Verwarnung von fünf Verbänden bei der Council-Sitzung des Leichtathletik-Weltverbandes (IAAF) am vergangenen Wochenende in Monte Carlo könnte dazu führen, dass zusätzlich zu den wegen systematischen Dopings ausgeschlossenen Russen auch Äthiopien und Marokko, Kenia, die Ukraine und Weißrussland nicht zu den Leichtathletik-Wettbewerben der Sommerspiele zugelassen werden.
Da braut sich was zusammen: Auch das Internationale Olympische Komitee (IOC) und die Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) sehen sich gezwungen, endlich den vielen Hinweisen aus dem Bericht der unabhängigen Ermittlungsgruppe zur Leichtathletik in Russland nachzugehen, die auf Doping-Systematik auch in anderen Sportarten sowie in anderen Ländern hindeuten.
Kenia ist von der Wada ultimativ aufgefordert worden, eine Nationale Anti-Doping-Agentur (Nada) einzurichten. Nun hat auch die IAAF das Land mit der stärksten Mannschaft der Weltmeisterschaft von Peking 2015 (16 Medaillen, davon sieben goldene) verwarnt.
„Auf der Intensivstation“ sieht die IAAF nach den Worten ihres Präsidenten Sebastian Coe die Langlauf-Hochburgen Äthiopien und Marokko.
Praktisch gleichzeitig mit der Bekanntmachung des äthiopischen Verbandes, dass neun seiner Athleten positiv getestet wurden – zusätzlich zum Meldonium-Fall der für Schweden startenden und in Addis Abeba lebenden 1500-Meter-Weltmeisterin von 2013, Abeba Aregawi – mahnte die Anti-Doping-Abteilung des Weltverbandes die Mitglieder des IAAF-Council: „Das Fehlen eines nationalen Testprogramms ist für ein so erfolgreiches Leichtathletik-Land wie Äthiopien nicht akzeptabel.“ Marokko und seinen Athleten, auch solchen, die für andere Länder starten, wird eine konstant hohe Prävalenz von Doping auf allen Ebenen und in allen Altersgruppen attestiert.
Das Höhentrainings-Zentrum Ifrane im Hohen Atlas beschreiben die Fachleute als „Hot Spot“ für Vertrieb und Schmuggel verbotener Substanzen.
Womöglich würde ein Ausschluss von Äthiopien, Kenia und Marokko, Ukraine und Weißrussland die Abwesenheit der russischen Leichtathleten kaschieren und den Druck auf Coe verringern.
Das IOC und dessen Präsident Thomas Bach wollen die Sportwelt vollzählig in Rio versammeln; seit den 50-Milliarden-Dollar-Winterspielen in Sotschi gilt der russische Präsident Wladimir Putin zudem als besonders einflussreicher Teilhaber der Olympischen Bewegung.
Im Gegensatz zu Coes Wort, die Aufforderung an die fünf Verbände sei lediglich ein Weckruf und nicht die Ankündigung von Sanktionen, stehen die Regeln der IAAF.
Demnach drohen Föderationen, die der Forderung nach angemessenen Doping-Tests nicht nachkommen, der Ausschluss oder die Sperre ihrer Athleten. Die nächste Council-Sitzung soll, um über die Rückkehr der Russen entscheiden zu können, im Mai stattfinden.
Kein Platz für jene, die den Kampf gegen Doping nicht unterstützen
„Es gibt keinen Platz bei Olympia für jene, die unseren Kampf gegen Doping nicht unterstützen“, sagte 2003, als in Kopenhagen der erste Welt-Anti-Doping-Kodex erarbeitet wurde, der damalige IOC-Präsident Jacques Rogge. Das Versprechen ist offensichtlich immer noch nicht erfüllt.
Als bei der Weltmeisterschaft in Peking 2015 die Äthiopierinnen Genzebe Dibaba über 1500 Meter, Almaz Ayana über 5000 Meter und Mare Dibaba im Marathon siegten und ihr Team mit acht Medaillen Rang fünf im Ranking der Besten erreichte, hatte die Regionale Anti-Doping-Agentur für Ostafrika in deren Heimat keinen einzigen Test vorgenommen.
2013 und 2014 kam diese Organisation auf insgesamt 14 Kontrollen in Äthiopien.
Die Zahlen, heißt es in dem Papier der IAAF, seien „entsetzlich“.
Schließlich werden mehr als 500 äthiopische Läuferinnen und Läufer in den Top-Listen ihrer Disziplinen geführt; Genzebe Dibaba allein hält fünf Weltrekorde. Ein nationales äthiopisches Testprogramm existiert nicht. Die IAAF führt auch deshalb 69 Spitzenathleten des Landes in ihrem Test-Pool und hat im vergangenen Jahr 531 Kontrollen vorgenommen.
Wer getestet wird, entscheidet angeblich das Los
Auch der marokkanische Verband verweigert Doping-Tests außerhalb von Wettbewerben. Wer bei Wettkämpfen getestet wird, entscheidet angeblich das Los. Seit 2005 gab es laut IAAF 60 Doping-Fälle in Marokko; 49 wurden mit zwei Jahren Sperre und mehr sanktioniert. Dazu kommen „ernsthafte Fälle“ von Läuferinnen und Läufern, die für Frankreich, Spanien, Italien oder Belgien starten, aber weiterhin in Marokko leben und trainieren.
Nur die russischen Leichtathleten übertreffen die marokkanischen bei Auffälligkeiten in der Langzeit-Beobachtung von Blutwerten (Biologischer Pass); sieben marokkanische wurden gesperrt, zwei Verfahren laufen, und gegen viel mehr wird laut IAAF ermittelt.
Auch Marokko verfügt über keine Nada. Die Regionale Anti-Doping-Agentur lässt etwa 60 bis 70 Kontrollen pro Jahr vornehmen. Die IAAF dagegen hat im vergangenen Jahr marokkanische Spitzenathleten 253 Urin- und Blutkontrollen unterzogen.
Ob die IAAF ihre Forderung ernst meint, dass „ohne Verzug“ ein Kontrollsystem eingeführt werden müsse, wird sich bei Wiedervorlage im Mai weisen.
Michael Reinsch, Berlin in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Donnerstag, dem 17. März 2016
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