Auf dem Roten Teppich zu Olympia: Julia Stepanowa - Doping-Kronzeugin wieder am Start ©JoAnna Zybon
Russlands Ausschluss – Lex Stepanowa – Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung
Julija Stepanowa und Darija Klischina könnten zwei von einer Handvoll russischer Athleten sein, die es zu den Olympischen Spielen schaffen. Zwar hat die IAAF, der skandalgeschüttelte Leichtathletikverband, den Ausschluss des russischen Verbandes verlängert und bekräftigt.
Die Überraschung aber war die Wettkampfregel 22/1A: eine veritable Lex Stepanowa. Die ehemalige 400-Meter-Läuferin, die erst aus dem Herzen des Doping-Systems berichtete und dann mit Mann und Kind aus Russland floh, hat Qualifikationskriterien erfüllt, die es bisher noch nie gab:
Eine herausragende Leistung im Kampf gegen Doping und für sauberen Sport.
Sie, die vom Sprecher des russischen Präsidenten noch als „Judas“ geschmäht wurde, soll, das ist der Wille der IAAF, nicht unter russischer Flagge antreten müssen. Dafür wird der Status des „neutralen Athleten“ geschaffen.
Damit haben die Leichtathleten die Vorstellung von Thomas Bach, dem Präsidenten des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), dass zwar die Russen kollektiv bestraft werden könnten, dass individuell aber Gerechtigkeit walten solle, auf den Kopf gestellt:
Die Regel ist für niemanden außer Julija Stepanowa gedacht.
Statt einigen besonders jungen oder besonders prominenten russischen Athleten ein Hintertürchen zu öffnen, hat die IAAF einer Frau den roten Teppich ausgerollt, die die Wandlung vom Saulus zum Paulus, von der Doperin zum Whistleblower personifiziert. Weil aber ein solcher Einzelfall juristisch angreifbar wäre, haben die Fachleute Kriterien formuliert, die allgemeingültig wirken sollen, die aber praktisch kein russischer Athlet erfüllen kann: unbelastet vom System zu sein, nicht in Russland zu leben und regelmäßig glaubwürdig kontrolliert zu werden.
Hier kommt Darija Klischina ins Spiel: eine Sieben-Meter-Weitspringerin, die in Florida lebt. Sie könnte mit über den roten Teppich nach Rio spazieren – ein Kollateralgewinn. Denn in Wirklichkeit zeichnet sich eine Konfrontation ab: Auf der einen Seite ein Verband, der mit dem Rücken zur Wand steht und deshalb Ansprüche erhebt, die die gesamte russische Olympiamannschaft bedrohen könnten und eine Reihe weiterer nicht so ganz regeltreuer Kantonisten.
Auf der anderen ein IOC, das für die große Geste, das große Miteinander und das größte Land der Welt gern mal ein Auge zudrückt.
Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Sonntag, dem 19. Juni 2016
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