Blog
12
08
2016

Oliver Hilmes: Berlin 1936. Sechzehn Tage im August. München 2016: Siedler. 304 S.; 19,90 € ©Siedler Verlag

Von Berlin 1936 bis Rio 2016 … elf neue Olympia-Bücher – Prof. Detlef Kuhlmann stellt vor

By admin 0

Die Olympischen Spiele in Rio haben begonnen. Noch bis zum 21. August können wir täglich die Ereignisse live verfolgen. Wie wäre es da zwischendurch oder in der Zeit danach mit ein wenig Abwechslung in Form von Lektüre zum Thema Olympia?

Dabei lässt sich sogar zeithistorisch in diesen Tagen ganz gut der Bogen spannen zwischen den Olympischen Spielen 1936 in Garmisch-Partenkirchen und Berlin vor genau 80 Jahren … bis nach Rio.

Wir stellen hier in einer kleinen Serie einige neuere Bücher aus den letzten beiden Jahren vor ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Die Auswahl soll lediglich die breite Palette der unterschiedlichen Formate (vom Cartoon bis zum Roman) widerspiegeln und in gleicher Weise verdeutlichen, wie reichhaltig das Spektrum an thematischen Zugängen geworden ist, um einen (auch kritischen) Blick auf Olympia zu werfen. Die Sammlung mit insgesamt elf Titeln ist nach dem Alphabet der Autoren geordnet:

Daniel James Brown: Das Wunder von Berlin. Wie neun Ruderer die Nazis in die Knie zwangen. München 2015: Riemann Verlag. 490 S.; 21,99 €

Dieses Buch ist folgenden Personen gewidmet: Gordon Adam, Chuck Day, Don Hume, George Hunt, Jim McMillin, Bob Moch, Roger Morris, Jo Rantz und John White. Das sind die US-amerikanischen Olympiasieger im Achter auf der Regattastrecke in Grünau bei den Olympischen Spielen von Berlin 1936. Das Buch stand Monate lang auf Platz eins der Bestsellerliste der New York Times und hat auch in der Übersetzung von Wolfram Ströle hierzulande größte Aufmerksamkeit verdient. Vordergründig beschreibt es den langen Weg des Ruderteams aus den USA zu Gold in Nazi-Deutschland. Es ist aber ebenso eine mitreißende Story über die „unsichtbaren Werte des Ruderns", der „Symphonie der Bewegung", die zu „großer Kunst" generiert, wie George Yeoman Pocock, der geniale „Architekt" des erfolgreichen Achters, im Buch zitiert wird.

Alexander Emmerich: Olympia 1936. Darmstadt 2015: Wissenschaftliche Buchgesellschaft. 290 S.; 29,95 €

Dieses Buch ist ein betextetes Fotoalbum über die Olympischen Spiele im Februar 1936 in Garmisch-Partenkirchen und im August 1936 in Berlin. Der Autor, Jahrgang 1974 und promovierter Historiker, umrahmt die beiden Spiele im Buch vorn mit einem „Präludium, 1931 – 1936" und hinterher mit Kapiteln über „Propaganda und Medieneinsatz" sowie einem „Resümee", gefolgt von einem rund 50-seitigen Anhang u.a. mit Medaillenspiegel, der Liste der Olympiasieger und einem Personen- und Sachregister.

Clemens Ettenauer & Matthias Hütter (Hg.): Brot & Spiele. Cartoons & Karikaturen. Wien 2016: Holzbaum Verlag. 96 S.; 19,95 €

Dieses Buch geht zurück auf eine gleichnamige Ausstellung, die noch bis zum 30. Oktober 2016 anlässlich der Olympischen Spiele in Rio im Museum Steinberghaus in den Salzwelten am Altausee in Österreich zu sehen ist. Insgesamt 32 renommierte Zeichner aus mehreren Ländern haben sich zum Ziel gesetzt, das Thema „Brot und Spiele" auf teils humorvolle, aber auch hintergründige Weise szenisch darzustellen. Dabei kann man auch schmunzelnd Antworten finden auf Fragen wie diese: Wie lässt sich mit Fußballfieber am besten umgehen? Warum lieben Boxer K.O.-Tropfen? Wie könnte ein erweitertes Siegertreppchen aussehen, auf dem dann sogar bis zu sieben Platzierte Platz finden? Oder: Wie muss man sich eines für gedopte Sportlerinnen und Sportler bei Olympia vorstellen? Zum Schluss wird sogar ein Ausblick auf die Olympischen Winterspiele 2034 in Dakar gewagt …

Oliver Hilmes: Berlin 1936. Sechzehn Tage im August. München 2016: Siedler. 304 S.; 19,90 €

Dieses Buch … „ist die Geschichte eines einzigartigen Sommers" – so steht es zumindest im hinteren Klappentext. Es erzählt tageweise etwas von dem, was sich während der Olympischen Sommerspiele vom 1. bis 16. August 1936 an den verschiedenen Schauplätzen (also nicht nur im Olympiastadion) in der Stadt abspielte. Wir werden u.a. mitgenommen in das Nachtleben und in Bars wie das Resi an der Jannowitzbrücke sowie die Sherbini-Bar und die Ciro-Bar oder auf die Dachterrassen des Eden-Hotels am Kurfürstendamm. Oliver Hilmes (geb. 1971) komponiert ein Potpourri, in dem Nazigrößen, prominente Olympia-Gäste, verfolgte Berliner Juden und nicht zuletzt auch Olympia-Teilnehmer aus aller Welt mitwirken bzw. zu Wort kommen.

Emanuel Hübner: Das Olympische Dorf. Planung, Bau und Nutzungsgeschichte. Paderborn 2015: Ferdinand Schöningh. 636 S.; 49,90 €

Dieses Buch skizziert die Entstehung und Geschichte eines der außergewöhnlichsten Baudenkmäler aus der Zeit des Nationalsozialismus, wo im Sommer 1936 nahe Berlin in über 150 Gebäuden mehr als tausend (nur männliche!) Athleten aus allen fünf Erdteilen untergebracht waren. Dabei handelt es sich um die an der Westfälischen-Wilhelms Universität Münster im Fach Sportwissenschaft angenommene Dissertation des Autors aus Werther (Kreis Gütersloh), die mit Mitteln aus der DKB Stiftung für gesellschaftliches Engagement gefördert und vom Deutschen Olympischen Sportbund mit dem 3. Platz bei Wissenschaftspreis 2013/14 ausgezeichnet wurde. Der Band enthält rund 200 Seiten mit Anmerkungen und Quellen sowie einen umfangreichen Bildteil mit zum Teil bisher unveröffentlichten Fotografien.

Martin Kaule: Olympiastadion Berlin und Olympisches Dorf Elstal. Berlin 2014: Links Verlag. 64 S.; 5,- €

Dieses Buch ist ein Büchlein im Postkartenformat und in der Reihe „Orte der Geschichte" erschienen. Es nimmt uns mit in Wort und Bild an und in die wichtigsten Orte der Olympischen Sommerspiele 1936 in Berlin und klärt uns über deren (weitere) Nutzungsgeschichte auf: das Olympiastadion in Berlin und das Olympische Dorf in Elstal im Land Brandenburg, das damals als Quartier für die (männlichen) Athleten errichtet wurde und während der Zeit des Nationalsozialismus der militärischen Nutzung diente. Heute sind beide Sportstätten täglich für Gäste geöffnet; das restaurierte Olympische Dorf allerdings nur im Sommerhalbjahr von April bis Oktober.

Reinhard Kleist: Der Traum von Olympia. Die Geschichte von Samia Yusuf Omar. Hamburg 2015: Carlsen Verlag. 152 S.; 17,90 €

Dieses Buch erzählt die traurige Geschichte einer Sportlerin, die bei den Olympischen Spielen 2008 in Peking für ihr Heimatland Somalia antrat, bei der Eröffnungsfeier als Fackelträgerin einlief und über 200 m mit 32,16 sec. im Vorlauf ausschied. Wenig später wird ihr von in Somalia herrschenden muslimischen Fundamentalisten untersagt, als Frau Sport zu treiben. Samia Yusuf Omar macht sich auf den Weg nach Europa, um 2012 erneut in London bei Olympia starten zu können. Olympia II bleibt ihr Traum: Kurz vor der italienischen Küste ertrinkt sie. Reinhard Kleist erzählt diese Geschichte stellvertretend für unzählige Flüchtlingsschicksale … als Comic!

Kai-Heinrich Long: Luz Long – eine Sportlerkarriere im Dritten Reich. Sein Leben in Dokumenten und Bildern. Hildesheim 2015: arete Verlag. 272 S.; 19,95 €

Dieses Buch hat der Sohn über seinen Vater geschrieben. Der eine ist 1941 geboren, der andere 1943 im Zweiten Weltkrieg gefallen. Mit seinen zahlreichen Bildern und persönlichen Dokumenten ist es eine Art Familienalbum – umgeben von dem „Mythos um Luz Long und Jesse Owens", den das Titelfoto verkörpert, wo beide ziemlich entspannt bis fröhlich in die Kamera lächeln, mit abgestützten Armen auf dem Rasen in der Nähe der Weitsprunganlage des Olympiastadions liegend. Sie sind offenbar am Fachsimpeln und Plaudern: „You forced me, to give my best!" – das sind die Worte, die Jesse Owens wenig später nach seinem Siegersprung (8,06 m) dem unterlegenen Luz Long (7,87 m) zugerufen haben soll, als dieser ihn als erster zum Olympiasieg beglückwünscht. Long und Owens – diese beiden Athleten verkörpern den fairen Wettstreit im Sport – das berühmte Foto in Schwarz-Weiß avanciert zum „schwarz-weißen" Manifest für soziales Miteinander im sportlichen Duell.

Ilija Trojanow: Meine Olympiade. Ein Amateur, vier Jahre, 80 Disziplinen. Frankfurt 2016: S. Fischer. 336 S.; 22,- €

Dieses Buch erzählt vom Selbstversuch des Autors, 80 Disziplinen aus 23 Sportarten (ausgenommen die Mannschaftsspiele) der Olympischen Sommerspiele zu trainieren und darin zu wettkämpfen. Sein ehrgeiziges Ziel für die zählbaren Disziplinen lautete dabei, jeweils halb so gut abzuschneiden wie die Goldmedaillengewinner von London. Ilija Trojanow kam auf diese Idee, als er die Olympischen Spiele 2012 via Bildschirm verfolgte. So verwandelte er sich vom Voyeur zum Akteur und lernte, sich selbst zu besiegen. Am Ende gab es zwar für ihn keine Medaille, aber eine „lebenslängliche" Bereicherung und Beglückung.

Verein für die Geschichte Berlins (Hrsg.): Olympia 1936. Berliner Gesichte. Zeitschrift für Geschichte und Kultur. Mitteilungen des Vereins für die Gesichte Berlins e.V. (Ausgabe 6). Berlin 2016: Elsengold. 52 S.; 4,95 €

Dieses Buch ist ein Heft im DIN-4-Format und widmet sich genau 80 Jahre nach den Olympischen Spielen 1936 in Berlin mit zeithistorischer Distanz diesem Ereignis, und zwar in Text und Bild mit folgenden thematischen Aspekten: die Spiele als sportliches Ereignis („Medaillen, Rekorde und Propaganda"), die Spiele als Motiv für Privatfotografie („Knipsen erwünscht!"), die Spiele als Fest der Völker und der Schönheit („Riefenstahls Olympia"). Ferner kommen das Berliner Kulturleben („Inszenierte Vielfalt") und die Architektur des Olympiageländes zur Darstellung.

Klaus Zeyringer: Olympische Spiele. Eine Kulturgeschichte. Band 1: Sommer. Frankfurt 2016: S. Fischer Verlag. 608 S.; 26,99 €

Dieses Buch erzählt die Geschichte des größten Sportereignisses aller Zeiten. Dabei geht der Autor, dem wir auch schon eine Kulturgeschichte des Fußballs (2014) verdanken, chronologisch-epochal vor. Für ihn sind jedoch nicht die Wettkämpfe mit Verlauf und Ergebnis im Einzelnen wichtig, sondern die kulturgeschichtliche Einbettung der Olympischen Spiele mit den einzelnen Etappen ihrer Entwicklung etwa von den idealistischen Anfängen bis zum weltumspannenden medialen Massenspektakel.

Wer sich auf den 600 Seiten einzulesen beginnt, kann dann jedoch die Spiele auch „querbeet" Revue passieren lassen – egal ob man in Berlin 1936 („Propaganda siegt über Boykott") beginnt oder zwischendurch in München 1972 („The show must go on") haltmacht.

Prof. Detlef Kuhlmann

author: admin

Comment
0

Leave a reply