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Sportler, Sex und Drogen – Kokser küsst man nicht – Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung

By GRR 0

Das kann man eine Sex-Geschichte mit Happy End nennen: Stabhochsprung-Weltmeister Shawn Barber, 22 Jahre alt, sucht vor der kanadischen Meisterschaft in Edmonton auf einer Dating-Website Entspannung, verbringt dreißig Minuten mit einer Fremden in einem Hotelzimmer und wird am nächsten Tag positiv auf Kokain getestet.
 
Das Schiedsgericht spricht ihn vom Vorwurf des Dopings frei, weil ihm ganz und gar kein Vorwurf zu machen sei. Im Gegenteil: Umsicht und Verantwortungsbewusstsein des Athleten haben Anwalt Ross C. Dumoulin aus Ottawa als Schiedsrichter davon überzeugt, dass Regel 10.4 des Welt-Anti-Doping-Kodex anzuwenden sei: das Absehen von einer Sperre beim Nachweis, dass kein Verschulden vorliegt.
 
Das ist bei rund neunzig Milliardstel Gramm in einem Milliliter Urin zwar nicht leicht, doch auch nicht unmöglich. Die Regel ist für Fälle wie Sabotage durch Konkurrenten geschaffen. Verseuchte Vitaminpräparate, Rezepte ahnungsloser Ärzte und von Mutter oder Ehefrau ins Essen gemischte Substanzen werden nicht entschuldigt.

Und es gibt eine Präzedenz: den Fall des französischen Tennisprofis Richard Gasquet, der 2009 darlegen konnte, dass für seinen Kokain-Befund eine gewisse Pamela verantwortlich war, die er zwar nicht kannte, die er aber ausführlich geküsst hatte.

Er habe nicht wissen können, dass sie gekokst hatte, entschied das oberste Schiedsgericht des Sports, und schon gar nicht, dass Kokainreste den Weg von ihrer Nase in seinen Körper finden würden.

Barber führte nun an, dass er aus Sorgfalt Kontakt übers Netz suchte statt in einem Lokal, wo er Alkohol und Drogen ausgesetzt hätte sein können; dass er ausdrücklich eine von Krankheit und Drogen freie Partnerin verlangte; dass er den Cocktail, den diese ihm anbot, zurückwies, weil er ihn nicht selbst gemischt hatte.

Und welch ein Glück, dass die Zahnhygienikerin und Mutter zweier Kinder, die sich als Barbers Partnerin ohne jegliche finanziellen Interessen vorstellte, aussagte, dass sie die Droge genommen hatte, bevor der junge Mann in ihrem Hotelzimmer eintraf.

Wie hätte er ahnen können, dass ihre Ausgelassenheit nicht allein auf die fünf, sechs Drinks zurückzuführen war, die sie intus hatte?

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Hätte man sich einen Fall für Regel 10.4 ausdenken müssen, so etwas wäre dabei herausgekommen. Zweifel an den Aussagen der Beteiligten räumte ein Ex der Frau aus, der als Vermittler gewirkt und das Hotelzimmer praktisch nie verlassen haben will. Jedes Detail dieser bizarren Geschichte spricht, wenn schon nicht für Shawn Barber, so doch für den Angeklagten in diesem Fall, jede noch so abseitige Wendung führt zum Happy End, dem Freispruch.

Barber wurde nicht gesperrt, nahm an den Olympischen Spielen von Rio teil und wurde Zehnter.

Die Moral von der Geschichte: Barber hat, wie der Freispruch beweist, alles richtig gemacht.

Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Sonntag, dem 9. Oktober 2016

 Michael Reinsch

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author: GRR

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