DOSB-Präsident Alfons Hörmann (l.) und Bundesinnenminister Thomas de Maizière stellten vor rund einem Monat die neue Spitzensportreform vor. ©BMI - Bundesministerium des Innern
Sportpolitik – Deutsche Athleten wollen mehr Unabhängigkeit – Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung
Die Vollversammlung der Athletenvertreter im deutschen Sport, die in der Athletenkommission des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) und in den einzelnen Fachverbänden die Interessen der Aktiven vertreten, hat am Sonntag in Bonn beschlossen, eine professionelle Organisation vorzubereiten.
Die Athletenkommission unter Vorsitz von Christian Schreiber erhielt den Auftrag, eine hauptamtliche Unterstützung und deren Finanzierung zu prüfen.
Schreiber, ehemaliger Ruderer, sagte am Sonntag, dies geschehe ergebnisoffen. Die Gründung einer Gewerkschaft sei nicht das, was angestrebt werde. Max Hartung, ehemaliger Fechtweltmeister, ergänzte, eine Mitgliedsorganisation sei ideal, wegen der Finanzierung durch Beiträge aber unrealistisch. Ein Verein, ein Verband oder eine Gewerkschaft komme in Frage. Ein ganzjähriger Austausch der Athleten sei angestrebt. Mit dem Sportausschuss, dem Bundesinnenministerium und der Sporthilfe solle über Möglichkeiten einer wirtschaftlichen Unterstützung gesprochen werden.
Ziel ist die absolute Unabhängigkeit von Dachorganisationen
„Wir können ohne Maulkorb kommunizieren“, sagte Schreiber über die Arbeit seiner Kommission innerhalb des DOSB. Gleichwohl gebe es das Bestreben nach mehr Eigenständigkeit. In den ersten zwei Jahren ihres Bestehens hat die Athletenkommission sich zum Beispiel von der Presseabteilung des DOSB gelöst. Auf Strukturen der Dachorganisation des deutschen Sports angewiesen zu sein, wie es für die Kommission der Fall ist, steht einer wirklichen Unabhängigkeit im Weg.
Einerseits wollen die Athletenvertreter ihre Mitarbeit in den Gremien nicht aufgeben, andererseits sehen sie sich den hauptamtlichen und gut vorbereiteten Ehrenamtlichen oft unterlegen. Bei einer neuen Organisation sei zu prüfen, ob die Fortsetzung der Arbeit in den Gremien sich überhaupt mit Governance-Grundsätzen vereinbaren lasse.
Der Doping-Skandal in Russland und der Umgang des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) damit hätte eine gewisse Fassungslosigkeit hinterlassen, sagte Schreiber. Ein Weiter-so könne es nicht geben. Treiber der Entwicklung seien nun die einzelnen Nationalen Anti-Doping-Agenturen.
IOC-Präsident Thomas Bach hatte, obwohl Russland die Manipulation von Doping-Proben bei den Olympischen Winterspielen in Sotschi und umfassendes Doping im russischen Sport nachgewiesen worden waren, eine russische Mannschaft bei den Sommerspielen von Rio zugelassen.
Die deutschen Athletensprecher hatten beklagt, dass die Voraussetzungen für saubere Spiele fehlten; ein Befund, den die unabhängigen Beobachter der Doping-Kontrollen in diesen Tagen bestätigt haben.
Max Hartung: „Was wir bisher gemacht haben, reicht nicht“
Beim russischen Doping-Skandal wie bei der Spitzensport-Reform, sagte Hartung, sei er „total unzufrieden“ mit dem, was er habe einbringen können. Auch international hätten sich die Athletenvertreter Claudia Bokel und Becky Scott nicht durchsetzen können. An einer Sitzung zu der umstrittenen Reform in Deutschland zum Gewinn von mehr Goldmedaillen habe er zwar teilgenommen, dabei aber mit Hauptamtlichen mit eigenen Büros verhandeln müssen und sei dabei, ehrenamtlich engagiert mit der Konzentration auf Sport und Studium, kaum durchgedrungen. Sein Name stehe nun zwar auf den Protokollen, er habe aber nicht das Gefühl, beteiligt gewesen zu sein. „Was wir bisher gemacht haben, reicht nicht“, sagt der Fechter. „Vielleicht können wir ein Modell entwickeln, das international Vorbildwirkung hat.“
Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Montag, dem 31. Oktober 2016
Autor: Michael Reinsch, Korrespondent für Sport in Berlin.
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