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21
11
2016

Konstanze Klosterhalfen vor Alina Reh © Constanze und Walter Wagner

Carlos Cardoso lobt den Darmstadt-Cross – Der IAAF-Cross-Chairman überzeugt sich in Darmstadt von der Qualität der leistungsstärksten deutschen Crossveranstaltung – Ludwig Reiser berichtet

By GRR 0

Carlos Cardoso, IAAF-Chairman des Cross-Country-Committees und Portugals Leichtathletik-Präsident, war angetan von dem, was er beim 32. Darmstadt-Cross vor Ort sehen konnte.

„Eine starke Veranstaltung“ lobte er gegenüber Wilfried Raatz, dem Veranstalter des Darmstadt-Cross, die bestbesetzte deutsche Crossveranstaltung, die seit diesem Jahr auch das EAA-Cross-Country-Permit Meeting-Label führen darf.

                                                                                           

Teilnehmer aus insgesamt 15 Nationen gingen bei der Traditionsveranstaltung am Sportgelände in Darmstadts Süden an den Start.

„Das Niveau ist schon klasse. Ich glaube, dass wir auch die richtige Mischung mit internationalen Läufern und der nationalen Spitze gefunden haben. Ich gebe es aber gerne auch zu, dass wir gerade bei den Frauen noch einige starke ausländische Läufer am Start gesehen hätten. Aus zahlreichen Gesprächen mit Läufern aus dem In- und Ausland wird uns auch gerne bestätigt, dass diese Art von Crosslaufen bestens ankommt“, so Wilfried Raatz.

Verhehlt aber auch nicht, dass das aktuell durchgeführte Nominierungsverfahren dringend reformiert gehöre.

„Mit dem Regensburger Trainer Kurt Ring bin ich mir einig, dass wir beim DLV das Trial-System einfordern müssen. Es kann nicht sein, dass wir unsere Spitzenläufer im Wochentakt in vermeindliche Qualifikationen jagen. Wir sollten uns auf ein Rennen festlegen – und dass sollte aus der Attraktivität der Veranstaltung heraus in Darmstadt stattfinden!“

Bezeichnend für den Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) und sein Interesse am nationalen Laufsport und Crosslauf, kein Offizieller der naheliegenden Zentrale des DLV erschien auf der Bildfläche des bedeutendsten Crosslaufes in Deutschland. Schon die Höflichkeit gegenüber ausländischen Kollegen hätte es erforderlich gemacht Carlos Cardoso, IAAF-Chairman des Cross-Country-Committees und Portugals Leichtathletik-Präsident zu begrüßen, der sich gewundert haben dürfte, daß keine DLV-Kollegen vor Ort waren. So tickt nunmal der DLV – eigentlich nichts Neues!

Mit großer Spannung wurden die beiden U20-Wettbewerbe erwartet, die zentral in die 15 Läufe umfassende, aber dennoch sehr kompakte Crossveranstaltung eingebettet waren. Bei den U20-Juniorinnen machte vom Start weg der 4 200 m langen Strecke die Cross-Europameisterin Konstanze Klosterhalfen derart Druck, dass selbst die zweifache Europameisterin und Cross-EM-Dritte Alina Reh nach zwei der vier zu laufenden Runden den Kontakt verlor. Am Ende betrug der Vorsprung für Konstanze gut 30 Sekunden.

Alina Reh ging jedoch mit leichten Rückenbeschwerden ins Rennen und anerkannte neidlos die starke Leistung ihrer Dauerkonkurrentin. Nach einigen Veränderungen in ihrem sportlichen Umfeld blickt sie wieder hoffnungsvoll in die nächste Zukunft – und diese heißt Cross-Europameisterschaften im italienischen Cia (11. Dezember). "Ich will eine gute Einzelplatzierung schaffen und Richtung Medaille laufen", sagte Alina Reh.

Und die Cross-Europameisterin?

Sie möchte trotz der angestrebten Titelverteidigung keinen Druck aufkommen lassen. "Das Wichtigste ist, dass wir mit der Mannschaft ein gutes Ergebnis erzielen. Man muss abwarten, was sonst möglich ist", sagte die Olympia-1500 m-Halbfinalistin von Rio.

Da die Cross-EM-Sechste Sarah Kistner wegen einer Erkältung am Vortag das Rennen noch absagen musste, sieht sich Nachwuchs-Bundestrainer Andreas Michallek zu einer Notmaßnahme gezwungen, denn die 19jährige Berglauf-Weltmeisterin braucht der DLV für eine erfolgreiche Titelverteidigung – und dies soll mit einer Nominierung per Wildcard erfolgen.

Ein starkes Rennen machte auf Rang drei die Schweizerin Delia Sclabas vor der erneut überzeugenden Lisa Oed und ihrer SLV-Teamkollegin Lara Alemanni.  

Ganz im Gegensatz zum Crossrennen in Pforzheim, als man rundenlang bummelte, um im Spurt die vermeindlich beste Position zu erlangen, ging es beim U20-Lauf der männlichen Jugend vom Start weg kräftig zur Sache. Dafür war vor allem der Crossmeister Lukas Eisele im Verbund mit dem Hindernis-Spezialisten Jannik Seelhöfer verantwortlich. Mit einem eindrucksvollen Spurt setzte sich letztlich Jannik in 21:18 vor dem eigentlichen 1500 m-Läufer Marwin Heinrich und Lukas Eisele durch.

Damit steht natürlich auch die EM-Auswahl für Bundestrainer Pierre Ayadi, der mit der männlichen U20-Mannschaft unter die Top sechs laufen möchte.

"Ich wollte nichts riskieren und bin die Tempoverschärfung nicht mitgegangen. Ich wusste, dass ich mich auf meinen Spurt verlassen kann", erklärte Marvin Heinrich seine Taktik. "Ich glaube, wir können in Chia ein besseres Ergebnis als letztes Jahr erreichen", blickte er auf die Mannschafts-Chance.  

Auf erneute Kritik stieß die DLV-Entscheidung, die Aktiven und U23-Junioren erst nach einem erneuten Start in Tilburg am kommenden Sonntag zu nominieren.

Einen entscheidenden Schritt zur EM-Nominierung haben allerdings in Darmstadt mit Catherina Granz und Simon Boch zwei U23-Junioren getan, denn sie zeigten sich beim Darmstadt-Cross auch ihren älteren Konkurrenten überlegen.

Beeindruckend dabei vor allem die U23-Meisterin Caterina Granz, die sich nach anfänglicher gemeinsamen Führungsarbeit mit Melina Tränkle mehr und mehr absetzen konnte. Die Berliner 1500 m-Spezialistin gewann über die 6000 m-Distanz nach 23:31 Minuten, gewann damit so nebenbei auch den Deutschen Studentenmeistertitel für die FU Berlin und hatte neun Sekunden Vorsprung vor der gegen Ende mächtig aufdrehenden Julia Bleasdale.

„Ich liebe Cross und bin froh über mein Abschneiden nach dreijähriger Cross-Abstinenz“, so die zweifache Olympia-Achte von London. Die Mannschafts-Cross-Europameisterin von 2011 lebt inzwischen in Hamburg und startete erstmals nach dem Wechsel von British Athletics zum DLV als deutsche Staatsbürgerin. Unter den Fittichen von Trainerin Beate Conrad wächst eine überaus starke Mannschaft in der Hansestadt zusammen, denn auf den nächsten Plätzen liefen mit Jana Sussmann und der U23-starterin Carolin Kirtzel zwei weitere Hamburger Läuferinnen ein.

"Ich bin zufrieden“, gestand Corinna Harrer nach ihrem Comeback nach über eineinhalbjähriger Verletzungspause, die das stark besetzte Rennen als Fünfte vor ihren Regensburger Teamkolleginnen Thea Heim und Cornelia Griesche beendete. Nach Plänen zur Cross-EM befragt, winkte Corinna Harrer sogleich ab. „Ich mag den Parcours in Tilburg nicht, deshalb wird man mich dort nicht sehen. Ich laufe lieber beim Baseler Stadtlauf am kommenden Samstag!“

Das abschließende Rennen der Männer und U23-Junioren über 9000 m bestimmten durchweg Läufer aus Afrika. Vorne machten die beiden Kenianer Alex Kipkorir Kibarus und Daniel Kemoi die Führungsarbeit mit einem hohen Tempo, dem alleine noch der frühere U20-Berglauf-Weltmeister Yossief Tekle mit Mut zum Risiko folgen konnte. „Das war riskant, dessen war ich mir bewusst. Und ich bin dafür belohnt worden“, so der 24-Jährige, der  inzwischen vor den Toren Augsburg lebt und vom deutschen M60-Crossmeister Franz Herzgesell betreut wird – und am Ende hinter Daniel und Alex als Dritter einlaufen konnte.

Hinter dem aus Somalia stammenden Tilahun Babsa wurde Simon Boch mit einer überzeugenden Aufholjagd Fünfter. Der 22jährige Regensburger wahrte nach langer Verletzungspause mit einer überzeugenden Leistung seine Chance auf einen EM-Startplatz.

„Ich bin bewusst langsamer angelaufen und konnte eine tolle Aufholjagd starten“, freute sich der gebürtige Schwarzwälder. Der Beifall der zahlreichen Zuschauer jedenfalls galt in erster Linie dem kleinen Mann der LG Telis Finanz Regensburg. Einen Rang dahinter folgte mit Jan-Lukas Becker der deutsche Hochschulmeister vor dem bereits drittbesten U 23-Läufer Kidane Tewolde, der sich ebenfalls Chancen auf eine Nominierung machen darf, vorausgesetzt, er läuft in Tilburg ähnlich stark.

Hinter Konstantin Wedel lief 1500 m-Spezialist Timo Benitz ebenso noch unter die Top ten wie auch Andreas Straßner. Einen guten Eindruck machte auch als Elfter der bei den Olympischen Spielen im Marathonlauf startende Julian Flügel auf Rang elf.

Spektakulär ging es im Cross-Sprint über 850 m zur Sache.

Nach zwei Zeitläufen setzte sich dabei der frühere U20-800 m-Europameister Patrick Zwicker vor Pascal Unbehaun und Christoph Kessler durch, der in einem zweiten Zeitlauf noch auf Rang drei vorrücken konnte. Im weiblichen Bereich machten Tanja Spill und Susann Robb einen Doppelsieg für die LAV Bayer Uerdingen/Dormagen klar.

Mit großer Begeisterung gingen viele junge Lauftalente in die Rennen der Schülerklasse. Im Schatten des deutschen M15-Jahresbesten Sasha Müller machten dabei auch einige Talente des gastgebenden ASC Darmstadt auf sich aufmerksam, so Jule und Hennes Behrens als Dritte der W13 und M12 oder Max und Marie Tertsch, die jüngeren Geschwister der deutschen U18-Crossmeisterin 2015 Lisa Tertsch.   

Ludwig Reiser
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author: GRR

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