Damit verbunden sind Größenordnungen, die auch die etablierten Nationen des Straßenlaufs von Europa über die USA bis Japan bei weitem übertreffen.
So meldete vor wenigen Tagen der China News Service, dass im aktuellen Jahr 2016 328 Marathon-Veranstaltungen in China über die Bühne gingen, mit sage und schreibe 2,8 Millionen Teilnehmern. Dabei war allerdings nicht spezifiziert, ob sich diese Zahlen nur auf den Marathon beziehen, gigantisch sind sie allemal.
Wie außergewöhnlich solche Fakten sind, belegt schon der Vergleich mit Finisherzahler aus dem Jahr 2015, wo weltweit ca. 2,3 Millionen Läufer das Ziel erreichten. Wie Brett Larner von den Japan Running News im Januar 2016 analysierte, lagen die Beiträge für das Jahr 2015 in den USA bei ca. 530.000, in Japan bei ca. 580.000.
Mit einer Steigerung gegenüber 2015 von kaum nachzuvollziehenden 85% setzt China in dieser Kategorie völlig neue Maßstäbe.
Und das wird auch im kommenden Jahr 2017 kaum anders sein. Bereits am Montag gehen in Xiamen wieder über 30.000 Teilnehmer an der Start eines Marathon, wobei die Vorjahressiegerin Workenesh Edesa (ETH) und der Vorjahreszweite Shura Kitata (ETH) als aktuelle Topstars bekannt gemacht wurden.
Mehr war allerdings bis zur Stunde aus Xiamen nicht zu erfahren. Die Medienarbeit steckt nicht nur dort – trotz Golden IAAF Label – nach wie vor in den Kinderschuhen. Die Webseiten für die internationale Community sind weit hinter den Standards zurück, was in Grenzen auch für die Präsentation in der Landsprache zutrifft. Immerhin war in den zurückliegenden Jahren die TV-Übertragung durchaus ansprechend produziert und auf dem Niveau der hierzulande üblichen Standards (was allerdings auch nicht schwierig ist).
Durch die unzureichende Medienarbeit schon vor Ort sind in unseren Landen diese Entwicklungen weitgehend unbekannt, obwohl sie künftig auch in unseren Regionen zunehmend von Bedeutung sein werden. Zum einen erwächst unseren Veranstaltern eine weitere Teilnehmerklientel (war z.B. beim Chicago Marathon nicht zu übersehen), andererseits locken die nicht unerheblichen Preisgelder bei den Läufen in China immer mehr die (ostafrikanische) Elite an.
Der Kampf um die in diesem Fall „besten Beine“ wird somit noch globaler, was sich schon heute auf die Verpflichtung von Topathleten auswirkt.
Dabei ist auch in China der Einsatz von Topathleten nicht unumstritten. Es wird immer wieder berichtet, dass deren Einsatz mit Argwohn begleitet wird, weil die Spitzenkönner den heimischen Athleten keine Chance lassen und alle Preise unter sich verteilen. In dieser Thematik hat man den Stand der Diskussionen, die auch bei uns geführt werden, schon erreicht. Und auch vor negativen Auswüchsen von Massenveranstaltungen bleibt man in China nicht verschont. Hier scheinen sich ähnlich wie bei den stürmischen industriellen und wirtschaftlichen Entwicklungen (die sicher den Laufboom gefördert haben) auch im Laufsegment die Dinge zu wiederholen, wobei der Betrug keine (Landes-)Grenzen zu kennen scheint.
So geriet der Tod zweier Läufer beim Xiamen Halbmarathon im November (wie bei vielen großen Marathonläufen bei uns gibt es dort gut einen Monat vor dem eigentlichen Marathon einen Lauf über die halbe Distanz) in die Schlagzeilen und legte die mangelhafte medizinische Versorgung bei den Veranstaltungen im Lande offen.
Fast schon makaber geriet die traurige Geschichte dann aber, als sich herausstellte, dass eine verstorbene Person nicht die auf der Meldung eingetragene Identität hatte. Dazu passt auch die Meldung vom Shenzhen Marathon, bei dem die Leistungen zweier Frauen annulliert werden mussten, nachdem sich herausstellte, dass zwei Ringkämpfer (?!) mit deren Startnummern unterwegs waren.
Somit werden auch in China bessere Kontrollen und vor allem eine bessere medizinische Versorgung bei Laufveranstaltungen gefordert. Mann „rennt“ also in Diskussionen, die bei uns vor einigen Jahren gleichfalls geführt wurden (und werden). Beim Xiamen Marathon soll jedenfalls erstmals ein Helikopter für die medizinische Versorgung eingesetzt werden. Bleibt zu wünschen, dass der während der ganzen Veranstaltung in der Luft bleiben kann.
Nachtrag: Zwei Tage vor dem Start hat man in Xiamen über die IAAF weitere Eliteläufer bekanntgegeben. Danach ist Hayle Lemi Berhanu (ETH) der Topstar in diesem Jahr. Lemi gewann 2015 den Dubai Marathon in 2:05:28 und verbesserte dort in diesem Jahr als Zweiter seine Bestzeit auf 2:04:33, im April gewann er den Boston Marathon in 2:12:45. Weniger erfolgreich war sein Auftritt im Olympischen Marathon im August in Rio, wo er lange vorne dabei war, als die Tempohatz nach 30 km begann, fiel er aber schnell zurück und endete in bescheidenen 2:13:29 nur auf Platz 13.
Weiterhin zu beachten sind seine Landsleute Dadi Yami, der 2012 in Dubai 2:05:41 lief sowie Mulugeta Wami mit einer Bestzeit 2:07:11, die der Bruder der bekannten Läuferin Gete Wami 2012 in Amsterdam lief. Haile Haja (ETH) ereichte in Rom im Jahr 2013 2:08:35. Ferner zu nennen sind die Ukrainer Oleksandr Sitkovskyy sowie Cross-Legende Serhiy Lebid, die 2:09:11 im letzten Jahr in Marrakesch bzw. 2:08:32 im Jahr 2014 beim Seoul Marathon liefen.
Neben Vorjahressiegerin Workenesh Edesa (ETH) in 2:24:04 ist die Siegerin des Paris Marathon von 2015 Meseret Mengistu dabei, die dort 2:23:25 erzielte. In diesem Jahr gewann sie auch den Beijing Marathon in 2:25:56. Guteni Shone (ETH) war im letzten Jahr in 2:23:32 Zweite in Houston, Melkam Gizaw (ETH) wurde 2015 beim Seoul Marathon Zweite in 2:24:28.
Und Meseret Legese (ETH) war in den letzten Jahren regelmäßig in Xiamen am Start, im April lief sie beim Wuhan Marathon in 2:25:43 persönliche Bestzeit.
Helmut Winter
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