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Russische Sportler – Leichtathletik als Schrittmacher – Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung
Zumindest einige russische Leichtathleten sind mit einem Bein wieder zurück im internationalen Sport
Rund sechzig Russinnen und Russen sind eingeladen, in der kommenden Saison zurückzukehren in den internationalen Wettbewerb mitsamt der Weltmeisterschaft in London.
Das ist ein starkes Signal gerade fünf Monate nach dem Beginn der Olympischen Spiele von Rio, von deren Leichtathletik-Wettbewerben das russische Team wegen systematischen Dopings ausgeschlossen war.
Die IAAF stand mehr als jeder andere Verband unter Druck. Schließlich waren nicht nur Korruption und Doping in großem Maßstab ans Licht gekommen, sondern auch deren unheilvolle Verbindung.
Die Clique um Präsident und IOC-Mitglied Lamine Diack soll sich, unter anderem, dadurch bereichert haben, dass sie russischen Athleten, russischen Trainern und russischem Verband Geld dafür abpresste, dass sie Doping-Befunde verschleppte und Doping-Sperren verhinderte.
Und alle Welt fragte sich, wie um Himmels Willen Diacks Nachfolger Sebastian Coe in all den Jahren als dessen Stellvertreter von dem Treiben aber auch gar nichts mitbekommen haben will.
Neuerfindung der IAAF
Coe erfand sich selbst neu und seinen Verband noch dazu; gerade hat die IAAF sich eine beispielhafte neue Verfassung verordnet. Seit Monaten kontrolliert sie drei, vier Dutzend russische Leichtathleten in eigener Verantwortung und auf eigene Kosten.
Diese Konsequenz erlaubt nun den nächsten Schritt. Kandidaten, vorrangig wohl aus dem Test-Pool der IAAF, können sich unter der Adresse applications.neutralathletes@iaaf.com darum bewerben, 2017 als neutraler Athlet anzutreten.
Sie müssen nachweisen, dass sie regelmäßig und glaubwürdig, also nicht von der suspendierten russischen Anti-Doping-Agentur kontrolliert wurden, dass sie nicht mit Doping-belasteten Trainern und Ärzten zusammengearbeitet haben. Und sie dürfen nicht auf der Liste des unabhängigen Ermittlers Richard McLaren stehen, auf der dieser zweihundert Leichtathleten nennt, die Teil oder Begünstigte des Doping-Systems waren.
Unbelastete russische Leichtathleten dürfen zurückkehren in die Stadien der Welt. Der russische Verband, der wie seine Sport- und Staatsführung immer noch systematisches Doping bestreitet, bleibt mitsamt russischer Flagge und russischer Hymne ausgeschlossen.
Mit dem Mut der Verzweiflung hat die Leichtathletik gegen den Verlust von Ansehen und Glaubwürdigkeit gekämpft. Immer noch ermitteln Staatsanwaltschaften.
Doch im Vergleich zum übrigen Sport Olympias wirkt sie inzwischen wie ein Schrittmacher.
Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Donnerstag, dem 5. Januar 2016
Autor: Michael Reinsch, Korrespondent für Sport in Berlin.