Tempelhofer Dorfkirche - Foto: Horst Milde
Die Läufer:innen-Predigt zum Weihnachtsfest 2025 – „Fürchte Dich nicht!“ (Lk2,10) – Dr. Lars Charbonnier
Liebe Läuferinnen und Läufer, liebe GRR-Gemeinde, – „Fürchte Dich nicht!“ — drei Worte, kurz wie ein Atemzug, und doch so groß und weit wie der Blick zum Horizont.
An Weihnachten hören wir sie wieder und wieder: die Einladung zur Ruhe, zur Zuversicht, zum Frieden, in uns und mit der Welt, zu einem Leben in der festen Gewissheit der Anwesenheit Gottes mitten unter uns.
Gerade für diejenigen unter uns, die das Laufen lieben — das gleichmäßige Atmen, die Schritte – gerade vielleicht sogar im Schnee, die Blicke auf die Spur vor uns — haben diese Worte einen eigenen Nachklang.
Beim Langlaufen gibt es Momente, da ist alles einfach: der Rhythmus stimmt, der Körper antwortet, es läuft. Und dann gibt es die anderen Momente: der Anstieg, der Gegenwind, die Kälte in den Fingerspitzen, die Zweifel im Kopf. „Schaffst du das?“, flüstert eine Stimme. „Bist du allein in dieser Spur?“
Beim Laufen wie im Leben. Die Weihnachtsgeschichte begegnet uns in einem dieser schweren Momente: Maria und Josef unterwegs, kein Raum in der Herberge, ein Kind in der Kälte — und mitten in dieser Lebensverzagtheit die Engel: „Fürchte dich nicht!“
Dieses Leitwort ist kein oberflächliches Schulterklopfen – schaffst Du schon! Kein „Lauf, Du Sau!“, wie es auf den Plakaten an der Strecke manchmal steht. Es ist viel mehr eine Erinnerung und darin eine Zusage, die Zusage der Nähe der Kraft und Orientierung, die Du suchst: Nicht du brauchst die Angst zu schlagen — Gott kommt dir entgegen. Im Langlauf ist es ähnlich: nicht das Tempo allein rettet dich, sondern das richtige Maß an Anstrengung und das Wissen, wo die Hilfe wartet — ein Rastplatz, der Energy-Riegel, die Wärme einer Tasse danach. „Fürchte Dich nicht“ bedeutet: Du musst nicht alles alleine schultern. Du darfst die Hand nehmen, die mit dir die Spur teilt.

Altar in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche – Foto: Horst Milde
Weihnachten erzählt von einer Geburt, die in der Randzone stattfindet — abseits der sicheren Herberge, inmitten der Unsicherheit. Das ist kein romantisches Bild, sondern eines, das uns zeigt: Gott kommt gerade auch dorthin, wo die Menschen müde sind, wo die Atmung schwer ist, wo die Spur verschwindet. Für Läuferinnen und Läufer heißt das: Die Heilsgeschichte kennt unsere Erschöpfung, unsere Scham, wenn wir langsamer werden. Gott findet Wege, uns im Schritt zu begleiten, auch wenn wir nicht die schnellste Zeit haben.
Praktisch heißt das: Im Training und im Leben lernen wir, mit der Angst zu laufen, statt vor ihr wegzulaufen. Wir lernen, Pausen als Teil des Weges zu begreifen, nicht als Versagen. Wir lernen, dass ein guter Lauf nicht nur von Spitzenleistung lebt, sondern von Achtsamkeit: auf den Atem, auf die Umgebung, auf die Menschen an unserer Seite. „Fürchte Dich nicht“ lädt uns ein, dieses Üben auf Gott hin auszurichten — nicht als Leistungsdruck, sondern als Gelassenheit vor dem, der uns begleitet.
Es gibt auch die Technik des Blickwechsels: Wenn der Weg steil wird, schaust du nicht nur auf die nächsten zwei Meter, sondern erinnerst dich an das Ziel, an die Gründe, warum du begonnen hast: die Freude am Sein, die Gemeinschaft, die Schöpfung unter den Füßen. Weihnachten schenkt diesen Blickwechsel: Wir können rückschauen auf die Verheißung und zugleich vorwärts atmen in die Gegenwart. „Fürchte Dich nicht“ ist dann ein fixer Punkt am Horizont — nicht die Abwesenheit von Gefahr, aber die Zusage von Begleitung.
Ich lade Sie ein: Nehmen Sie morgen früh die Straße oder den Wald, atmen Sie bewusst, denken Sie an jene drei Worte — „Fürchte Dich nicht!“ — und lassen Sie sie wie einen Taktgeber sein. Laufen Sie nicht, um Angst zu überwältigen, sondern um in ihr mit Gott Schritt zu halten.
Weihnachten ist kein Sprint zur Perfektion, sondern ein stilles Ankommen bei dem, der mit uns geht.
Gesegnete und frohe Festtage!
Amen.
Dr. Lars Charbonnier
Dr. Lars Charbonnier beim oekumenischen Marathongebet in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche – Foto: Horst Milde
Die Weihnachtsgeschichte der Nummer eins der Weltrangliste 2024 – Dr. Lars Charbonnier
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