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04
04
2017

Wer Bus fährt, schont seine Schuhe. ©Horst Milde

Der DOSB Kommentar: Wer auf Stelzen läuft … Prof. Detlef Kuhlmann

By GRR 0

Wer Bus fährt, schont seine Schuhe. So lautet die schonungslose Botschaft, die gegenwärtig in der Hauptstadt vereinzelt Omnibusse der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) ziert.

Wer nur noch Bus fährt, braucht keine Schuhe, könnte man daraus folgern. Barfuß reicht völlig. Noch mehr öffentliche Aufforderung zu weniger Bewegung – wann hat es so etwas schon einmal bei uns gegeben?

Das Ganze kann nicht ganz ernst gemeint sein. Verantwortliche aus der Schuhindustrie müssten längst – egal in welchen Schuhen – dagegen Sturm gelaufen sein.

Wer Bus fährt, schont seine Schuhe! Wer den Schriftzug liest und nicht gerade in einem anderen Bus oder Fahrzeug sitzt, also zu Fuß unterwegs ist, der könnte beim Lesen des Satzes zumindest mit seinen Schuhen ins Stolpern geraten – auch gedanklich – denn: Eine gewisse Dialektik ist darin allemal enthalten. Um nicht falsch verstanden zu werden: Jeder Mensch soll selbst entscheiden, wann und wohin er mit dem Bus fährt – nur:

Wer seine Schuhe beim Busfahren schont, schont auch seinen ganzen Körper. Wer auf körperliche Aktivitäten verzichtet, sich demnach dauerhaft schont, der muss möglicherweise auch unliebsame Konsequenzen in Kauf nehmen, die immer schön mit Schonung einhergehen.

Insofern ist der neue BVG-Slogan ein schonendes und durchaus willkommenes Signal, um selbst mal wieder über den besonderen Stellenwert von (mehr) Bewegung, Spiel und Sport – also körperlicher Aktivität – im Alltag nachzudenken und seine eigenen „Schonungs-Gewohnheiten“ auf den Prüfstand zu stellen.

Um es konkret in der Terminologie der Trainingswissenschaft zu formulieren: Wie steht es denn mit dem (sinnvollen) Wechsel von Belastung und Erholung? Zu viel Regeneration kann süchtig machen, behauptete einst schon Freizeitläufer Achim Achilles.

Wie können wir (wieder neu) für Regelmäßigkeit und Rhythmisierung unserer sportlichen Gewohnheiten sorgen? Solche Fragen verweisen auch auf das philosophische Konzept der Lebenskunst, das dadurch eine sportbetonte Note erhält. Die Wahl des „richtigen“ Schuhwerks kann am ende durchaus darin enthalten sein.

Noch einmal zurück nach Berlin: In der Hauptstadt ist schon so mancher sportliche Trend entstanden, sind sogar schon neue Sportarten erfunden worden wie z.B. das Handballspiel (zuerst für Frauen!) vor genau 99,5 Jahren!

Insofern mag die BVG – ob gewollt oder nicht – einen neuen Trend durch die Stadt tragen: meist minutiös motorisiert, weil immer schön im Takt des Fahrplans vom Müggelsee in den Grunewald und von Treptow in den Tiergarten.

Eine kognitive Irritation ist der Satz vom Schonen der Schuhe allemal. Und Möglichkeiten, sich draußen in Schuhen fortzubewegen, gibt es so oder so reichlich, eben nicht nur, aber auch in Berlin.

Wer dennoch dabei seine Schuhe schonen möchte, dem sei ein herrliches Foto aus dem neueren Bildband „Alltag in Berlin. Das 20. Jahrhundert“ (Berlin 2016: Elsengold) auf Seite 237 in Erinnerung gerufen, das einen Stelzenläufer um 1924 zeigt, der irgendwelche Reklamezettel ausgerechnet an die Fahrgäste eines offenen Doppeldeckerbusses verteilt.

Darauf wird ganz bestimmt damals schon gestanden haben: „Wer auf Stelzen läuft, schont seine Schuhe!“  

Prof. Detlef Kuhlmann  

author: GRR

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