Untrennbar mit Weihnachten verbunden sind aromatisch duftende Gewürze wie Zimt, Muskatnuss, Sternanis, Pimentkörner und Nelken. - Foto:: iStock: Eleonora Grigorjeva - UniversitätZürich
Weihnachten 2024 – Gewürze für Leib und Seele – Universität Zürich – UZH – Interview: Nathalie Huber
Zimt, Muskatnuss, Vanille und Pfeffer gehören seit Jahrhunderten zur Adventszeit. Was diese Gewürze so besonders macht und warum sie uns guttun, verrät Maja Dal Cero, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Botanischen Garten der UZH.
Maja Dal Cero, welches Gewürz hat für Sie persönlich die stärkste weihnachtliche Assoziation?
Zimt – Zimtsterne gehören zu meinen absoluten Favoriten und verkörpern für mich seit meiner Kindheit den Duft und Geschmack der Weihnachtszeit.
Welche botanischen Besonderheiten machen Zimt, Muskatnuss, Vanille und Pfeffer so begehrt?
Die botanische Besonderheit dieser Gewürzpflanzen liegt darin, dass sie aus tropischen Pflanzen stammen, die in unseren Breitengraden nicht gedeihen. Ihre exotische Herkunft und die begrenzte Verfügbarkeit machten sie über Jahrhunderte hinweg zu begehrten Luxusgütern.
Wie kamen Zimt, Muskat, Vanille und Pfeffer nach Europa?
Diese exotischen Gewürze gelangten bereits in der Antike über Handelsrouten wie die Seidenstrasse nach Europa und waren dort seit etwa 500 v. Chr. als Genussmittel bekannt. Durch den Gewürzhandel im Mittelalter fanden sie zunehmend Verbreitung, blieben aber wegen ihres hohen Preises vor allem festlichen Anlässen wie der Wintersonnenwende vorbehalten.
Und wie schafften sie es in die weihnachtlichen Gebäcke und Speisen?
Ihre Haltbarkeit und das Fehlen frischer Kräuter im Winter machten sie besonders geeignet für die kalte Jahreszeit. Mit der Etablierung des Weihnachtsfestes im 18. Jahrhundert und der Verknüpfung mit kulinarischen Traditionen fanden diese Gewürze ihren festen Platz in der Adventszeit. Doch erst im 20. Jahrhundert wurden sie durch den globalisierten Handel und die erschwinglicheren Preise breiter verfügbar und prägen seither die Weihnachtsküche, wie wir sie heute kennen.
Maja Dal CeroWissenschaftliche Mitarbeiterin am Botanischen GartenPfeffer, Muskat, Zimt und Vanille werden seit jeher als Genuss- und Heilmittel geschätzt.
Inwiefern nutzte man diese Gewürze als Arznei?
Pfeffer, Muskat, Zimt und Vanille werden seit jeher als Genuss- und Heilmittel geschätzt. Ihre Inhaltsstoffe wirken entzündungshemmend und antioxidativ, fördern die Verdauung und unterstützen die Aufnahme von Nährstoffen. Ihre medizinischen Eigenschaften wurden schon in der Antike in den Schriften des Arztes Dioskurides und später im Mittelalter von der Universalgelehrten Hildegard von Bingen beschrieben. Bis heute werden ihre Eigenschaften intensiv erforscht, und es lohnt sich, diese Gewürze in die tägliche Ernährung zu integrieren – nicht nur zur Weihnachtszeit.
Welche Eigenschaften sorgen dafür, dass Zimt, Muskat, Vanille und Pfeffer so festliche Aromen entfalten?
Ihre intensiven Aromen verdanken die Gewürze ihrem hohen Gehalt an ätherischen Ölen. Diese leichtflüchtigen Substanzen verbreiten sich in der Luft, wirken stimmungsaufhellend, entspannend oder anregend und erzeugen den charakteristischen Duft, den wir als festlich empfinden.
Zimt etwa duftet süss, schmeckt jedoch im Mund nicht süss – der Cassia-Zimt geht sogar eher in eine herbe Richtung. Spannend ist, dass Zimt die Wahrnehmung von Süsse anderer Zutaten verstärkt. Eine Zucker-Zimt-Mischung, wie wir sie etwa für den klassischen Milchreis verwenden, ermöglicht es, mit weniger Zucker ein intensives Geschmackserlebnis zu erzielen.
Warum sind Zimt und Vanille in Weihnachtsgebäck so beliebt?
Die intensiven Noten von Zimt und Vanille, oft in Kombination mit Gewürzen wie Muskat oder Nelken, sind ausserhalb der Adventszeit selten präsent, was ihnen eine besondere saisonale Exklusivität verleiht. Sie sind daher untrennbar mit der festlichen Stimmung und den Traditionen des Weihnachtsgebäcks verbunden. Interessanterweise spielen sie in ihren Ursprungsländern wie Indonesien oder Indien eine ganz andere Rolle: Dort sind sie Teil der Alltagsküche und werden kaum mit besonderen Anlässen assoziiert.
Pfeffer ist eher untypisch in Weihnachtsgebäck. In welchen festlichen Gerichten oder Getränken spielt er eine Rolle?
Pfeffer verleiht zum Beispiel Glühwein, winterlichen Ragouts oder Fleischgerichten eine angenehme Schärfe und Tiefe. Wir essen in der Advents- und Weihnachtszeit zwar oft Pfefferkuchen, die jedoch – anders als der Name vermuten lässt – keinen Pfeffer enthalten. Stattdessen bestehen sie aus einer aromatischen Gewürzmischung aus Zimt, Muskat und Kardamom.
Mittelalterliche Pfefferkuchen hingegen enthielten tatsächlich verschiedene Pfeffersorten wie langen Pfeffer, Kubeben-Pfeffer und schwarzen Pfeffer, die mit anderen Gewürzen zu intensiven Mischungen verarbeitet wurden. Diese wurden nicht nur für Backwaren genutzt, sondern auch als medizinische Stärkungsmittel, oft «Gottesgeschenk» genannt.
Pfeffer ist ja nicht lieblich und süss – wofür steht er in der Weihnachtszeit?
Die Symbolik von Pfeffer findet sich zum Beispiel in alten Bräuchen wieder, etwa in den «Fitzen» des Heiligen Nikolaus, die mit dem «Einpfeffern» in Verbindung gebracht werden. Diese Traditionen gehen auf Fruchtbarkeitsriten und Jahreszeitenfeste wie die Wintersonnenwende zurück, bei denen die Hoffnung auf Licht, Wärme und Fruchtbarkeit gefeiert wurde. Begleitet wurden sie oft von symbolischem Gebäck wie Pfefferkuchen.
Vanille wird oft in Desserts verwendet. Was unterscheidet Vanille von anderen Süssungsmitteln?
Vanille schafft durch ihre balsamische, leicht pudrige Note eine dezente, aber prägende Geschmacksbasis. Anders als reine Süssungsmittel wie Zucker verstärkt Vanille die bereits vorhandene Süsse und harmonisiert die Aromen, ohne dabei selbst vordergründig zu sein. Im Vergleich zu Zimt wirkt Vanille subtiler und verleiht Desserts eine weiche, runde Note. Besonders typisch ist die Kombination von Vanille mit Kakao, die in vielen traditionellen Rezepten ein unverwechselbares Geschmacksprofil schafft.
Warum ist Muskatnuss so beliebt in winterlichen Klassikern wie Glühwein oder Punsch?
Dieses exotische Gewürz hebt sich deutlich von einheimischen Kräutern ab und bringt eine besondere Raffinesse, die den Geschmack von Wein oder Punsch vertieft und bereichert. Muskatnuss verleiht Glühwein oder Punsch ein unverwechselbares, warmes Aroma mit einer feinen Schärfe.
Wie alt ist die Tradition von Gewürzweinen?
Die Tradition, Wein mit Gewürzen zu kombinieren, reicht weit zurück. Bereits im Mittelalter wurden Gewürzweine als Medizinalweine genutzt. Rezeptursammlungen wie das Lorscher Arzneibuch aus dem 9. Jahrhundert oder die Werke von Hildegard von Bingen zeigen, dass Gewürze wie Muskatnuss in Wein eingelegt wurden, um heilende Wirkung zu erzielen. Mit der Zeit wandelte sich diese Praxis vom medizinischen Gebrauch hin zum Genuss, wodurch die Grundlage für den heutigen Glühwein geschaffen wurde.
Wie wirkt sich die hohe Nachfrage während der Weihnachtszeit auf die Produktion und die Verfügbarkeit dieser Gewürze aus?
Die erhöhte Nachfrage nach Gewürzen wie Zimt und Muskat in der Weihnachtszeit hat nur einen geringen Einfluss auf die globale Produktion und Verfügbarkeit. Beide werden in wesentlich grösseren Mengen für die ganzjährige Herstellung von Produkten wie Cola verwendet, bei der beispielsweise das ätherische Muskatöl nahezu vollständig zum Einsatz kommt. Im Vergleich zu diesen konstanten Grossabnehmern fallen die saisonalen Schwankungen zur Weihnachtszeit kaum ins Gewicht
Wie sehen Sie die Zukunft der Gewürztraditionen rund um Weihnachten? Könnte es neue Trends geben oder alternative Gewürze?
Einerseits bleiben klassische Gewürze wie Zimt, Nelken, Muskatnuss und Anis sicher zentrale Bestandteile, da sie tief in den weihnachtlichen Bräuchen verwurzelt sind. Andererseits beobachten wir eine Öffnung hin zu neuen Geschmacksrichtungen. Koriandersamen etwa werden zunehmend beliebt, ebenso asiatische Wurzeln wie Ingwer oder Galgant, der mit Ingwer verwandt ist. Solche Trends könnten kommen und gehen, wobei es immer spannend bleibt, welche sich langfristig etablieren.
Aktuelle Entwicklungen werden stark von Themen wie Nachhaltigkeit und Sinnhaftigkeit beeinflusst. Gleichzeitig erinnert uns die Geschichte vieler Gewürze, wie der Muskatnuss, an ihre dunklen Ursprünge in der Kolonialzeit, als etwa auf den indonesischen Banda-Inseln in den Muskatkriegen Monopole mit Gewalt durchgesetzt wurden.
Die Reflexion über diese Vergangenheit könnte die Wahl unserer Gewürze in Zukunft bewusster und verantwortungsvoller machen.